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Volksbegehren Deutsche Wohnen enteignenVerwässerung kurz vor Schluss?

Gareth Joswig
Kommentar von Gareth Joswig

Das Vergesellschaftungs-Volksbegehren in Berlin steckt nach über einem Jahr Prüfzeit immer noch in der Innenverwaltung fest. Schuld ist die SPD.

Die Vergesellschaftungs-Initiative hat 70.000 Unterschriften vorgelegt, gebraucht hat sie 20.000 Foto: dpa

M it Taschenspielertricks und juristischen Feinheiten versucht die SPD, die demokratisch legitimierte Volksgesetzgebung auf den letzten Metern ad absurdum zu führen. Eigentlich waren sich schon vor zwei Wochen Senat und Vertreter:innen der Initiative Deutsche Wohnen und Co. enteignen einig, dass das Volkbegehren rechtlich zulässig ist. Dennoch versuchten die Hausjuristen der SPD-Innenverwaltung auf den letzten Metern in Verhandlungen am Freitag noch einmal, den Beschlusstext zu verwässern und machten Änderungsvorschläge, mit denen sie die Rechtmäßigkeit der Volks-Ini in Frage stellten.

Der größte Streitpunkt dürfte dabei eine konkrete Formulierung im Beschlusstext sein. In dem steht nämlich, dass der Senat doch bitte ein Gesetz zur Vergesellschaftung erlassen möge. Wörtlich: „Daher wird der Senat von Berlin zur Erarbeitung eines Gesetzes zur Überführung von Immobilien sowie Grund und Boden in Gemeineigentum zum Zwecke der Vergesellschaftung nach Art. 15 Grundgesetz aufgefordert.“

Das aber sei nicht statthaft, argumentieren die Juristen aus der SPD-geführten Innenverwaltung von Senator Andreas Geisel. Man könne den Gesetzgeber in einem Beschlussvolksbegehren nicht auffordern, ein Gesetz zu erlassen, so die Argumentation. Dafür gebe es ja ein Gesetzesvolksbegehren, wo über ein konkret vorgelegtes Gesetz entschieden werde. Man könne sich ja nicht als Gesetzgeber vorschreiben lassen, welches Gesetz man erlässt, so die Argumentation.

Klingt kompliziert? Unlogisch? Ja, ist auch eher juristische Haarspalterei als eine nachvollziehbare Argumentation. Die Initiative war nach einem Anruf aus der Innenverwaltung, nicht ganz zu Unrecht, erbost.

Rechtswissenschaftler hält Formulierung für korrekt

Auch der Rechtswissenschaftler Ulrich Battis, der vom Senat als Gutachter zum Mietendeckel beauftragt war, hält die Formulierung des Volksbegehrens für zulässig: „Der Satz ist absolut korrekt. Ich bin der Meinung, es ist hinreichend konkret, den Senat zur Erarbeitung eines Gesetzes aufzufordern“, sagte er der taz am Freitag, während die Verhandlungen in der Innenverwaltung liefen.

Auch eine mögliche Alternative, die auf dem Tisch gelegen haben soll – nämlich die Formulierung „Gesetz“ in „Maßnahmen“ abzuschwächen – wäre aus Sicht von Battis eine Verwässerung: „Wenn man das Wort ‚Gesetz‘ etwa durch ‚Maßnahmen‘ ersetzt, hat der Gesetzgeber einen sehr weiten Handlungsspielraum.“

Die Opposition könne dann sagen: Geeignete Maßnahmen wäre auch Neubau, so Battis – „das aber will das Volksbegehren nicht: Die wollen Sozialisierung von Wohnraum, wie es nach Art. 15 Grundgesetz möglich ist. Offen bleibt aber natürlich die Finanzierung.“ Battis hält das Feilschen um die Formulierung „für ein politisches Argument. Die Politik will mehr Spielraum.“

Eine schöne Fußnote dabei: Die SPD, die mit der seit einem Jahr andauernden Prüfung des Volksbegehrens für Vergesellschaftung auf die Bremse drückt, kämpft gewissermaßen auch gegen sich selbst, wie Battis erklärt: „Die Aufnahme des Sozialisierungs-Artikels ins Grundgesetz war ein Zugeständnis an die SPD – die wollten damals noch So­zia­lismus und hätten ohne Artikel 15 dem Grundgesetz nicht zugestimmt.“

Die SPD verfängt sich also mit ihren juristischen Tricks sogar in historischen Widersprüchen. Traurig anzusehen.

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Gareth Joswig
Redakteur Inland
Arbeitet seit 2016 als Reporter und Redakteur bei der taz. Zunächst in den Lokalredaktionen von Bremen und Berlin, seit 2021 auch im Inland und Parlamentsbüro. Davor Geschichts- und Soziologiestudium in Potsdam. Themenschwerpunkte: extreme Rechte, AfD, soziale Bewegungen, Mietenpolitik, dies, das, verschiedene Dinge.
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