Volksbegehren Berlin Werbefrei: Rekord im Dauerprüfen
Nach mehr als 16 Monaten hat die Innenverwaltung die Prüfung des Volksbegehrens abgeschlossen. Am Dienstag will sich der Senat damit beschäftigen.
Die Initiative will Werbung und Leuchtreklamen im öffentlichen Raum weitgehend verbieten. Der Gesetzentwurf sieht aber Ausnahmen vor: Werbung auf Litfaßsäulen oder in U-Bahnhöfen soll noch für Veranstaltungen oder gemeinnützige Projekte möglich sein. Läden sollen für ihre Produkte nur noch direkt am Standort werben dürfen.
In der ersten Stufe eines Volksbegehrens müssen Initiativen mindestens 20.000 gültige Unterschriften sammeln. Berlin Werbefrei konnte gut 32.000 Unterschriften zusammen tragen. Die Innenverwaltung prüft daraufhin die rechtliche Zulässigkeit des Gesetzentwurfs. Schon lange monieren Aktivisten, dass es für die Dauer dieser Prüfung keine rechtlich verbindliche Frist gibt. So steht regelmäßig der Vorwurf im Raum, der Senat würde die Prüfung willkürlich verschleppen, um den Zeitplan der Initiativen zu kippen und zum Beispiel eine Abstimmung an einem Wahltag zu verhindern.
Rot-Rot-Grün hat deswegen in seinem Koalitionsvertrag 2016 unter der Überschrift „Mehr direkte Demokratie für Berlin“ beschlossen, „für die Erstellung der amtlichen Kostenschätzung und der Zulässigkeitsprüfung“ eine solche Frist einzuführen. Das ist auch bitter notwendig, wie das Beispiel Berlin Werbefrei zeigt. Die überlange Prüfung sei ein „skandalöser Vorgang“, sagt der Linken-Abgeordnete Michael Efler. Und selbst ein Sprecher der Innenverwaltung gibt auf Anfrage zu: „Trotz der inhaltlichen Komplexität des Volksbegehrens ist die Zeitspanne sehr lang.“
Als Grund gibt er an, dass alle Senatsverwaltungen in die Prüfung eingebunden waren. Schließlich, so der Sprecher, war „ein komplexes Artikelgesetz zu unterschiedlichen Materien“ vorgelegt worden, für die „jeweils ein unterschiedlicher rechtlicher Rahmen gilt“.
Die Initiative selbst gibt sich gelassen. „Wir freuen uns natürlich, dass die Verwaltung die Rechtsprüfung endlich abgeschlossen hat“, sagte ihr Sprecher Fadi El-Ghazi am Donnerstag der taz. Tatsächlich sei der Initiative die langwierige Prüfung gar nicht unrecht. „Es kommt uns entgegen, dass die so trödeln: So können wir einen Volksentscheid parallel zur Bundestagswahl anpeilen.“ Im Herbst 2021 werden – falls es nicht zu vorgezogenen Neuwahlen kommt – sowohl Bundestag wie auch das Berliner Abgeordnetenhaus gewählt.
Doch ob dieser Plan aufgeht, ist unklar. Sollte der Senat den Gesetzentwurf nicht für rechtmäßig halten, würde er wohl vor dem Berliner Verfassungsgerichtshof landen. Wann dort entschieden wird, ist offen. Und wenn er nicht gegen die Verfassung verstößt, müsste die Initiative in einer zweiten Stufe innerhalb von vier Monaten gut 175.000 Unterschriften sammeln. Keine kleine Hürde angesichts der weitreichenden Ziele.
Gut möglich also, dass beide Seiten sich um eine Verhandlungslösung bemühen. Im vergangenen Jahr habe es dazu ein Gespräch auf Staatssekretärsebene gegeben, sagte Fadi El-Ghazi. Mehr allerdings nicht.
Andere Gruppen üben mehr Druck als Berlin Werbefrei auf die Innensenator Andreas Geisel (SPD) aus, die rechtliche Prüfung rasch voranzutreiben. Seit einigen Wochen erinnert die Initiative Deutsche Wohnen enteignen mit einer Kampagne in den sozialen Medien, dass bereits seit fast fünf Monaten die Unterlagen in den Innenverwaltung liegen. Bisher tut sich wenig: Ein Zeitpunkt für den Abschluss der Prüfung des Entwurfs von Deutsche Wohnen enteignen „kann gegenwärtig noch nicht benannt werden“, teilte ein Sprecher von Geisel auf Anfrage mit.
Aber mit diesem Bummeln könnte es bald vorbei sein. Nach taz-Informationen haben sich die Fachpolitiker von SPD, Grünen und Linken intern auf ein neues Abstimmungsgesetz verständigt. Danach ist für die rechtliche Prüfung eine Frist von nur noch fünf Monaten vorgesehen.
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