Volksbefragung in Wien: Begegnungszone statt Shoppingmeile
Ein grünes Projekt für Wiens längste Shoppingmeile gewinnt bei einer Volksbefragung mit über 50 Prozent. Der Vizebürgermeisterin sichert das den Job.
WIEN taz | Selten hat man Maria Vassilakou so erleichtert gesehen. Wiens grüne Vizebürgermeisterin konnte Freitagabend nicht nur grünes Licht für eine Fußgängerzone verkünden, sondern nichts Geringeres als ihr politisches Überleben sichern.
Denn der negative Ausgang einer lokalen Volksbefragung für ihr Prestigeprojekt wäre ihr als persönliche Schlappe zugerechnet worden. Mit 53,2 Prozent Zustimmung ist das wichtigste Projekt der Wiener Grünen gerettet.
Die Vizebürgermeisterin hat nicht viele Kompetenzen. Aber als Verkehrsstadträtin kann sie Akzente setzen, die für alle Welt deutlich machen, dass die Metropole ökologischer wird. Die Mariahilfer Straße ist mit 1,8 Kilometern längste Shoppingmeile der Stadt und gleichzeitig eine wichtige Verkehrsachse, die den Westbahnhof mit der Innenstadt verbindet.
Seit bald einem Jahr ist sie für den Autoverkehr gesperrt. Fußgänger, Radfahrer und die Buslinie 13A teilen sich die Fahrbahn. Eine „Begegnungszone“ soll da entstehen, wünscht sich Vassilakou. Es ist ihre Absicht, das Auto immer mehr aus der Stadt zu verbannen.
Hohe Wahlbeteiligung
Ein Aufstand der Autofahrerlobby war vorprogrammiert. Aber auch Geschäftsleute beklagten sich über Schikanen für Lieferanten, die über labyrinthartige Umwege in den verstopften Seitengassen zum Ziel finden müssen. Busfahrer weigerten sich, ihr Fahrzeug durch eine Fußgängerzone zu lenken. Politische Gegner in der konservativen ÖVP und der rechten FPÖ nützten die heftigen Debatten, um den Grünen Chaos und Unfähigkeit vorzuwerfen.
Bei der Volksbefragung in den Bezirken 6 und 7, die durch die Mariahilfer Straße getrennt werden, waren mindestens 16-jährige Personen, die in einem der Bezirke ihren Hauptwohnsitz haben, darunter auch EU-Bürger, wahlberechtigt. Nicht aber die Geschäftsleute, die einen Laden in der umstrittenen Zone betreiben und sich zu den Hauptbetroffenen zählen.
Die Wahlbeteiligung lag bei fast zwei Drittel. Vassilakous Werbetour durch die Kaffeehäuser, wo sie alle Zweifler persönlich zu überzeugen versuchte, scheint sich gelohnt zu haben. Aufwendig gestaltete Informationsbroschüren zeigen, wie attraktiv die Zone aussehen soll, wenn einmal die Gehsteigkanten abgetragen und Bäume gepflanzt sind. Bei der Gestaltung und konkreten Umsetzung sollen auch die Geschäftsleute einbezogen werden. Wenn im Herbst 2015 die Wahlen zum Wiener Stadtrat anstehen, wollen die Grünen eine neue Mariahilfer Straße vorweisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Magdeburg nach dem Anschlag
Atempause und stilles Gedenken
Bankkarten für Geflüchtete
Bezahlkarte – rassistisch oder smart?
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Nordkoreas Soldaten in Russland
Kim Jong Un liefert Kanonenfutter