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Volksabstimmung in DänemarkDänemark sagt Ja

Dänemarks verteidigungspolitische Sonderrolle gegenüber der EU ist Geschichte. Mit großer Mehrheit stimmen die Dänen für deren Aufhebung.

Freut sich über das Ergebnis des Referendums: Die dänische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen Foto: reuters

Kopenhagen ap/rtr | Dänemark gibt vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine seine langjährige Außenseiterrolle in der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik der EU auf. Bei einem Referendum votierten Wählerinnen und Wähler am Mittwoch mit großer Mehrheit für eine Abschaffung des Verteidigungsvorbehalts. Damit mischt sich Dänemark unter jene Länder in Europa, die angesichts der russischen Aggression eine engere verteidigungspolitische Anbindung an Verbündete suchen. Erst kürzlich hatten Schweden und Finnland Beitrittsanträge bei der Nato eingereicht.

Das Votum für die Abkehr vom Verteidigungsvorbehalt fiel bei der dänischen Volksabstimmung eindeutig aus: 66,9 Prozent der Wählerinnen und Wähler stimmten für eine Abschaffung, 33,1 dagegen, wie die Wahlkommission am Abend mitteilte. Die Wahlbeteiligung lag nach vorläufigen Angaben bei 66,23 Prozent.

Ministerpräsidentin Mette Frederiksen zeigte sich „sehr, sehr glücklich“ über das Ergebnis. „Wir haben ein klares Signal an (den russischen Präsidenten Wladimir) Putin gesendet“, sagte sie. „Mit der Entscheidung, die wir getroffen haben, zeigen wir: wenn Putin in ein freies und unabhängiges Land einmarschiert und Frieden und Stabilität bedroht, werden wir enger zusammenrücken“, erklärte Frederiksen.

Ähnlich hatte sich Jakob Ellemann-Jensen, Chef der oppositionellen Liberalen, am Tag des Referendums geäußert. „Die Welt verändert sich, und nicht auf eine gute Weise. Wir müssen zusammenstehen und die Zusammenarbeit stärken, die unsere Sicherheit stärkt“.

Dänische Vertreter können jetzt im Raum bleiben

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock begrüßte den Ausgang des Referendums im nördlichen Nachbarland. „Jeder Schritt, den alle von uns unternehmen, macht uns in Anbetracht dieser tektonischen Verschiebungen stärker“, schrieb sie auf Twitter.

Die Beteiligung Dänemarks an der EU-Verteidigungspolitik hätte überschaubare Auswirkungen auf Europas Sicherheitsarchitektur, insbesondere im Vergleich zu einem Nato-Beitritt Schwedens und Finnlands. Aber Christine Nissen, Forscherin am Dänischen Institut für Internationale Studien, sagte, beide Schritte seien „Teil derselben Geschichte“ und würden die militärische Kooperation in Europa stärken.

Konkret bedeutet die Abschaffung des Verteidigungsvorbehalts, dass Vertreter Dänemarks im Raum bleiben können, wenn ihre EU-Kollegen Verteidigungsthemen besprechen. Außerdem könnte Dänemark dann an Militäroperationen der EU teilnehmen, etwa in Somalia, Mali und Bosnien.

Dänemark ist ein Gründungsmitglied der Nato und arbeitet eng mit den Verbündeten der Militärallianz zusammen. Zu dieser gehören auch 21 der 27 EU-Staaten. Die Zusammenarbeit bei der Verteidigung ist daher nicht neu, aber wird sich nun vertiefen.

Politische Bedeutung größer als militärische

Der Beitritt des Landes mit 5,8 Millionen Einwohnern – etwas weniger als Hessen – dürften Experten zufolge trotz der umfangreichen Militärerfahrung eher symbolisch sein, sagte Kristian Soby Kristensen vom Zentrum für Militärstudien in Kopenhagen der Nachrichtenagentur Reuters: „Die politische Bedeutung wird wichtiger sein als der militärische Beitrag.“

Schon seit Jahrzehnten gilt das Verhältnis zur EU in Dänemark als Streitthema. 1992 votierten die Wählerinnen und Wähler gegen den Vertrag von Maastricht, der die Grundlage für eine politische Union der Staatengemeinschaft schuf. Später konnten die Dänen auf einem EU-Gipfel eine Beteiligung unter vier Vorbehalten aushandeln, bei einem zweiten Referendum gab es dann ein Ja zum Maastrichter Vertrag.

Es ist nun das erste Mal, dass Dänemark eine Sonderregelung aufgibt. Die anderen Vorbehalte bleiben unberührt. Bei einem Referendum im Jahr 2000 votierte das Wahlvolk gegen den Euro, 15 Jahre später für die Beibehaltung des dänischen Sonderwegs in Justizangelegenheiten und der Innenpolitik.

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