Referendum in Dänemark: Lieber nicht EU erwähnen
Das Verhältnis der DänInnen bleibt trotz der Zustimmung zu gemeinsamer Verteidigungspolitik zwiespältig. Über anderes entscheidet man gern allein.
D änemarks Ministerpräsidentin Mette Frederiksen hat geschafft, was noch keinem ihrer Vorgänger im Amt gelungen ist. Sie hat die DänInnen tatsächlich dazu gebracht, „Ja“ zu mehr Europa zu sagen. Mit dem klaren Votum für die Teilnahme an der gemeinsamen Verteidigungspolitik der Union kann das Land nun auf eine seiner vier Ausnahmen von der Zusammenarbeit in der Europäischen Union verzichten, die die Voraussetzung dafür waren, dass Dänemark überhaupt noch EU-Mitglied ist.
Von einem solchen Schritt konnte eine Mehrheit der Bevölkerung trotz jeweils deutlicher Mehrheiten im Parlament weder im Jahr 2000 überzeugt werden, als die seinerzeit amtierende Regierung von der Bevölkerung ein Ja dafür haben wollte, doch die Gemeinschaftswährung Euro auch in Dänemark einzuführen, noch 2015 beim Referendum über die Teilnahme des Landes an der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit der EU.
Aber diesmal ging es auch nicht darum, direkt Souveränität abzugeben: Die Entscheidung, ob man sich auch an einer konkreten EU-Militärmission beteiligen will, bleibt bei Regierung und Parlament in Kopenhagen.
Trotzdem: Wurde am 1. Juni also Geschichte geschrieben und sind die DänInnen auf dem Weg, „richtige“ EU-BürgerInnen werden zu wollen? Darauf wollte sich nicht einmal Frederiksen mit ihren Sozialdemokraten verlassen. Und auch nicht die übrigen Ja-Parteien.
Es war sicherlich kein Zufall, dass auf dem Stimmzettel des Referendums das Wort EU überhaupt nicht vorkam. Dort war nur von „europäischer Zusammenarbeit“ die Rede. Und obwohl es beim Referendum um die EU-Verteidigungspolitik ging, suchte man auf den Plakaten der Ja-Seite eines vergeblich: Eine auch nur klitzekleine Europafahne. Wenn da etwas wehte, dann der rot-weiße Dannebrog. Je größer, desto besser.
Und wenn Mette Frederiksens Hauptargument für ein Verabschieden vom „Verteidigungsvorbehalt“ die Notwendigkeit einer europäischen Zusammenarbeit war, stellt sich natürlich sofort die Frage, welches Gewicht Dänemark denn ansonsten auf die Zusammenarbeit in der EU legt? Vor allem mit Blick auf den Solo-Kurs in der Flüchtlingspolitik.
Was haben die nun angeblich kurz vor der Realisierung stehenden Pläne, die Asylverfahren in ein Flüchtlingslager in Ruanda outzusourcen, mit EU-Zusammenarbeit zu tun? Die EU-Flüchtlingskommissarin kritisiert das jedenfalls als „kontraproduktiv“ und „egoistisch“. Von seiner Sonderrolle in der EU hat sich Dänemark nicht verabschiedet, solange es sich nur die Rosinen herauspickt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“