Völkische Siedler in Niedersachsen: Die Rechtsradikalen vom Immenhof
Ein Anwesen in Niedersachsen wird wohl versteigert. Die Interessenten für den Kauf sind zwischen Reichsideologie und Anastasia-Bewegung zu verorten.
An der Zufahrt warnen Schilder: „Privatgelände! Unbefugten ist das Betreten verboten! Widerrechtliches betreten wird zur Anzeige gebracht“. Am kommenden Mittwoch ist vor dem Amtsgericht Soltau ein Versteigerungstermin für das Anwesen anberaumt. Und Hemmerle ist besorgt, weil sich jetzt offenbar Rechte für das Gelände interessieren.
Am Samstag der vergangenen Woche ist der Schlagbaum zur Hintereinfahrt geöffnet, um Interessierte aus einem esoterisch geprägten Milieu zwischen Reichsideologie und Anastasia-Bewegung durchzulassen. Über 60 Menschen reisen nach einer Anmeldung im geschlossenen „Immenhofkanal“ beim Messengerdienst Telegram an. Sie alle treibt die Sehnsucht nach einem neuen Lebensmodell.
Ihr Habitus und die bunten Öko-Outfits legen nahe, dass die Ankommenden nach einem Leben im Einklang mit sich selbst, der Gemeinschaft und der Natur streben. Viele kommen aus Hamburg und Nordrhein-Westfalen. „Geist formt Materie – freie Energietechnologie, Coaching, Geomantie, Radiästhesie“ steht auf einem Fahrzeug aus Wien.
Eng mit Corona-Verschwörungskanälen verbunden
Im großen Kreis versammelt sich die Gruppe in einem Innenhof nahe der Deutschlandfahne und singt gemeinsam: „Lasst uns auf die Reise gehen, Neuland zu finden“ und „einen Samen zu pflanzen, der zum Leben gedeiht in Freude, in Liebe, in Freiheit“. Einige schaukeln beseelt mit. Doch Feindseligkeit schwingt auch mit, als ein österreichischer Sprecher klarstellt, dass „die da draußen gegen uns sind“.
Es steckt mehr hinter der bunten Fröhlichkeit – das hat die Antifaschistische Recherche Oberberg (Arob) recherchiert. Bereits in der internen Einladung fiel auf, dass die Hauptdrahtzieher des Siedlungsprojektes eng mit Corona-Verschwörungskanälen wie „Oberberg bewegt!“ und „DasSindWIROberberg“ verbunden sind.
Um auf der „echten Oase mit wirklich unbegrenzten Möglichkeiten“ ab Juli ein Dorfleben zu beginnen, schreiben Myriam, Christoph und Helmut, haben sie „die Möglichkeit, hier etwas zu entwickeln, was es in dieser Form noch nicht gegeben hat und jeder ist eingeladen, sich einzubringen mit Tatkraft, Inspiration und anderen Ressourcen“. Sie bitten darum, mit „nur wirklich engen Trauten über das Wochenende zu sprechen und ggf dann den Kanallink zu teilen“. Eine geschlossene Gemeinschaft.
Einer der Einladenden, Christoph Schäl, hat Erfahrung mit Siedlungsideen fernab von staatlichen Strukturen und Kontrollen. Der frühere Berufssoldat hat mehrere Solidarische Landwirtschaften im Oberbergischen Kreis mitgegründet. Im „Immenhofkanal“ wirkt er eng mit Peter Kittl zusammen. Der Wiener betreibt mehrere Telegram-Kanäle und hat jüngst von einem Treffen mit dem Allgäuer „Anastasia-Guru“ und Betreiber des „Mutterhofs“, Robert Briechle, berichtet.
Noch ist unklar, wie es mit dem „Immenhof“ weitergeht
Schwärmerei für die Anastasia-Bewegung und die sogenannte russische „Landsitzbewegung“ prägt das ganze Netzwerk um den „Immenhofkanal“. In Niedersachsen hat der Verfassungsschutz „Anastasia“ im Jahresbericht unter „Völkische Personenzusammenschlüsse“ aufgelistet.
Schäl meidet offene Provokation. Kittl weniger. Auf seinem Wohnmobil prangt ein SHAEF-Aufkleber. Das Kürzel stammt von der Bezeichnung der Alliierten für das 1943 entstandene „Oberkommando/Oberste Hauptquartier der Alliierten Expeditionsstreitkräfte“, das diese 1945 nach der Kapitulation der Wehrmacht allerdings schnell wieder auflösten. Reichsideologen glauben, das SHAEF bestehe weiter und sei die einzige Rechtsautorität auf deutschem Boden, dessen Grenzen nicht den Grenzen der von ihnen sogenannten „BRD-GmbH“ entsprechen.
Beim Wochenendprogramm geht es um die „Vision Immenhof“, österreichisches Vereinsgesetz, freies Lernen und ein alternatives Genossenschaftsmodell. Am Samstag werden die Dorfgründer, die sich ihrer Sache sehr sicher scheinen, von einem Helfer des Eigentümers herumgeführt.
Doch noch ist unklar, wie es mit den Besitzverhältnissen des Immenhofs weitergeht. Das Gelände, das 1927 der AWO als Reformprojekt für Mädchen und junge Frauen und ab 1933 von der Hitler-Jugend zur Schulung und Wehrertüchtigung genutzt wurde, könnte für 320.000 Euro unter den Hammer kommen. „Oder der Eigentümer treibt vorher Geld auf. Woher auch immer“, warnt Wulf Hemmerle. „Jetzt hilft nur noch öffentlicher Protest“, sagt der Grünen-Politiker. Er ruft zur Demo am Dienstagabend nach Bispingen auf.
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