Vietnamkrieg-Serie „The Sympathizer“: Drama, Kriegsfilm, Satire
Die gelungene Serienadaption des preisgekrönten Romans „The Sympathizer“ erzählt die Geschichte des Vietnamkriegs aus vietnamesischer Sicht.
Als der kommunistische Doppelagent mit dem Namen Hauptmann (Hoa Xuande) erfährt, dass er beim Fall Saigons 1975 nicht mit seinen Genossen den Sieg feiern kann, sondern in die USA fliehen muss, ist er entsetzt. Dort soll er undercover arbeiten und südvietnamesische Migranten ausspähen. Befehl ist Befehl.
Die Hauptperson in der HBO-Serie „The Sympathizer“ der südkoreanischen Regie-Legende Park Chan-wook hat als CIA-Stipendiat in den USA studiert, dann in Saigon beim Geheimdienst gearbeitet. Doch eigentlich ist er Kommunist mit Leib und Seele und würde lieber seine vom Krieg zerstörte Heimat aufbauen.
Jetzt flieht er im überfüllten Flugzeug zusammen mit seinem General (Toan Le) und anderen südvietnamesischen Militärs in die USA. Der siebenteiligen Serie liegt der 2015 erschienene und mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnete Roman „Der Sympathisant“ von Viet Thanh Nguyen zugrunde. Er bietet eine vietnamesische Perspektive auf diesen für die US-Popkultur so wichtigen Krieg, die im US-Kulturbetrieb völlig fehlt.
Selbst sozialkritische Filme wie „Die durch die Hölle gehen“ (1978) bleiben einer US-Sichtweise verhaftet und dämonisieren den vietnamesischen Gegner. „The Sympathizer“ erzählt als bitterböse Komödie ungeschminkt vom Rassismus gegen vietnamesische Geflüchtete und der Hybris der Amerikaner gegenüber Vietnamesen.
Das beginnt beim Bürojob am Orientalistik-Fachbereich einer Uni in L.A., wo der Hauptmann auf einen ehemaligen Professor trifft, der ihn paternalistisch über seine „asiatischen Qualitäten“ aufklärt. Drastischer wird es, als der Hauptmann Authentizitäts-Berater eines Vietnam-Films wird, den ein durchgeknallter Star-Regisseur dreht, der Züge von Francis Ford Coppola und Oliver Stone (Anm. der Red.: Beide haben ikonische Vietnamkriegsfilme gedreht) trägt.
Adaption wird Roman gerecht
Sollten die vietnamesischen Darsteller im Film nicht auch ein bisschen Text bekommen, anstatt nur in die Luft gesprengt zu werden?, fragt der Hauptmann und zieht sich den Zorn des Regisseurs zu.
Nguyens brillanten, ziegelsteingroßen Roman zu verfilmen, ist eine Herausforderung. Park Chan-wook wird ihr gerecht. Die Rahmenhandlung spielt in einem kommunistischen Umerziehungslager in Vietnam, wo der Hauptmann schließlich landet, nachdem er als Maulwurf mit südvietnamesischen Söldnern bei einem Himmelfahrtskommando im Dschungel gefangen genommen wird.
Es ist die Lebensbeichte dieses zwischen allen Stühlen sitzenden Mannes mit französischem Vater und vietnamesischer Mutter, der sich von der US-Popkultur ebenso angezogen fühlt wie vom Kommunismus. Er steht oft kurz davor, als Doppelagent enttarnt zu werden.
Satire mit viel Popmusik unterlegt
Die Serie fächert ein Panorama der vietnamesischen Exilgemeinde in Kalifornien auf: Lana (Vy Le), die Tochter des Generals, beginnt eine Karriere als Popmusikerin, der junge Journalist Sonny (Alan Trong) berichtet kritisch über die rechten Umtriebe der Militärs, die sich eine Kommandoaktion von einem reaktionären US-Politiker finanzieren lassen, unterstützt von der CIA. Der Hauptmann hat diverse Affären, unter anderem mit der japanischen Sekretärin Sofia (Sandra Oh) am Orientalistik-Fachbereich.
„The Sympathizer“, ab 15. 4. auf Sky, wöchentlich neue Folgen
Die verschiedenen impertinenten US-Charaktere des CIA-Agenten Claude, der den Hauptmann führt, des widerlichen Regisseurs, des arroganten Uni-Professors und des reaktionären Politikers, der das Himmelfahrtskommando im Nachkriegs-Vietnam finanziert, spielt allesamt Robert Downey Jr. Unter Maske und Schminke ist er oft kaum zu erkennen.
Die wilde Mischung aus Agentengeschichte, Kriegsfilm, Sozialdrama und rassismuskritischer Satire ist mit viel Popmusik unterlegt und bietet eine neue Perspektive auf die Geschichte des Vietnamkrieges.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom
SPD-Linker Sebastian Roloff
„Die Debatte über die Kanzlerkandidatur kommt zur Unzeit“
BSW stimmt in Sachsen für AfD-Antrag
Es wächst zusammen, was zusammengehört
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus