Vier Jahre Haft für illegale Links: Dem Detektiv ins Netz gegangen
Der Brite Anton Vickerman wurde zu vier Jahren Haft verurteilt. Seine Seite Surfthechannel.com hatte urheberrechtlich geschützte Videos im großen Stil verlinkt.
BERLIN taz | Der Betreiber der britischen Website Surfthechannel.com, die auf zum Teil illegale Videos anderer Seiten verlinkte, ist zu einer Haftstrafe verurteilt worden. Das berichten britische Medien, darunter der Guardian und die BBC. Der Seitenbetreiber, Anton Vickerman, wurde am Dienstag wegen Beihilfe zum Betrug verurteilt und muss nun vier Jahre ins Gefängnis.
Vickermans Seite war mit 400.000 Benutzern und jährlichen Werbeeinnahmen von 250.000 britischen Pfund eine der größten. Zwar wurden die Videos nicht selbst auf Surfthechannel.com eingestellt, dennoch sei die Seite im Gegensatz zu etwa Google „keine passive Suchmaschine“, sondern wurde „speziell zu dem Zweck betrieben, Geld aus krimineller Aktivität zu generieren“, sagte Kieron Sharp, Direktor der Lobbygruppe „Federation Against Copyright Theft“ (Fact), die die Ermittlungen gegen Vickerman maßgeblich vorangebracht hatte.
Die britische Staatsanwaltschaft hatte die Ermittlungen gegen den bereits 2008 festgenommenen 38-jährigen Briten zunächst einstellen wollen, da kein strafrechtlich verfolgbares Urheberrechtsdelikt festgestellt werden konnte. Die Fact strengte jedoch zum Teil umstrittene zivile Ermittlungen an, die letztendlich zur Verurteilung führten.
So wurde unter anderem ein Privatdetektiv engagiert, der vorgab, ein Kaufinteresse an Vickermans Wohnung zu haben und während einer angeblichen Besichtigung Beweise sammelte. Zudem wurden Informationen zu Vickermans Autos, Bankkonten und Telefonverbindungen zusammengetragen. Außerdem wurden von der Fact beschlagnahmte Computer und Datensätze einbehalten, die nach Beendigung der strafrechtlichen Ermittlung eigentlich hätten an Vickerman zurückgehen sollen.
Die Fact-Mitarbeiter hatten die Daten von der Polizei zu Auswertungszwecken erhalten. Ein Gericht verurteilte das Einbehalten der Daten zunächst als unangemessen und verfügte, sie zurückzugeben. Dieses Urteil wurde jedoch später in höherer Instanz revidiert.
Britische Piratenpartei kritisiert Ermittlungen
Kritiker bezeichneten die private Ermittlungsarbeit der Fact gegenüber dem Guardian als übertrieben und unangemessen. Laut Laurence Kaye, dem Vorsitzenden der britischen Piratenpartei, hätte es niemals zur Anklage kommen dürfen, da diese von privaten Interessen angetrieben worden sei. Vickermans Verteidiger erklärte, sein Mandant sei finanziell ruiniert, darüber hinaus sei seine Ehe an dem Prozess zerbrochen. Auch Vickermans Frau war zunächst verhaftet, dann aber freigesprochen worden.
Zudem wurde Vickerman nach einem umstrittenen Gesetz verurteilt, das die Beihilfe zum Betrug unter Strafe stellt. Es stammt ursprünglich aus den 70er-Jahren und sollte das illegale anfertigen physischer Kopien von Videokasseten eindämmen, was die Frage danach aufwirft, ob es heute noch zeitgemäß ist. Das maximale Strafmaß, das Vickerman gedroht hätte, lag bei 10 Jahren Haft.
Seit dem Prozessauftakt ist Surfthechannel.com nicht mehr online. Das Urteil könnte nun auch Auswirkungen auf ähnliche Fälle, etwa den Betreiber der Seite TVshack.net, Richard O'Dwyer haben. Fact-Direktor Sharp zeigte sich mit dem Ergebnis der Verhandlung zufrieden: „Der Fall zeigt, dass das Betreiben einer Website, die User direkt zu illegalen Kopien von Filmen und Fernsehsendungen leitet, eine strafrechtliche Verfolgung und lange Gefängnisstrafen nach sich ziehen wird.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Prozess zu Polizeigewalt in Dortmund
Freisprüche für die Polizei im Fall Mouhamed Dramé
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Leben ohne Smartphone und Computer
Recht auf analoge Teilhabe
Fake News liegen im Trend
Lügen mutiert zur Machtstrategie Nummer eins
Fall Mouhamed Dramé
Psychische Krisen lassen sich nicht mit der Waffe lösen
Ex-Mitglied über Strukturen des BSW
„Man hat zu gehorchen“