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Video Assistant RefereeEin ganzes Leben für das Regelwerk

Er ist viel mehr als nur ein Keller. Denn hinter dem VAR-Keller steckt eine geheime DFB-Operation gegen das ständige Gemecker von Fans und Trainer.

Fehlpfiff? Schiedsrichter Florian Lechner im Kontakt mit dem VAR-Keller Foto: IMAGO / Oliver Ruhnke

D och, das war ein guter Spieltagssamstag für den VAR-Keller gewesen, fanden jedenfalls die Video-Schiris. Der Schiedsrichter des Spiels Hoffenheim – Bayern hatte ein klares Foulspiel übersehen, erst die Korrektur durch VAR führte zum Elfmeter.

Der Ausdruck Keller war als bewusstes Understatement eingeführt worden, obgleich tatsächlich fensterlos hatte das Regelwächter-Domizil nichts von einem Verlies. Vielmehr ähnelte es einem Luxusressort mit Einzelsuiten, Fitness- und Fernsehräumen und einer von einem Spitzenkoch geführten Kantine, die jeden Wunsch inklusive Bratwurst wie auf Schalke erfüllte.

Denn, was die Öffentlichkeit nicht ahnte, war, dass die Videoschiedsrichter mitnichten nach Abpfiff nach Hause gingen, sondern dort lebten.

Im Rahmen einer Geheimoperation hatte der DFB neue Konzepte zum Thema „Wie können wir die verdammten Fehlentscheidungen und das ständige Gemecker von Fans und Trainern minimieren?“ gesammelt und in beiläufigen Einzelgesprächen mit Schiedsrichtern die Idee „Sperren wir halt welche in einen Keller ein“ geprüft.

Schnell stellte sich heraus: Es gab eine Menge Regelkundiger, die bereit waren, ihr Leben im von Fußball-Ignoranten und Hobby-Schiris nur so wimmelnden Draußen gegen einen Ort einzutauschen, an dem man unter sich war. Und sich auf die knallharten Regeln einzulassen, die auch darin bestanden, dass man bis ans Lebensende über den Keller schweigen musste.

Was tun nach dem Keller-Leben?

Einfach so aus dem Keller herauszuspazieren, wenn man genug hatte, ging nicht. Nur am Saisonende gab es die Chance, freizukommen. Dann wurde mittels eines komplizierten Punktesystems analysiert, wie sich die nichts von den VAR-Bedingungen ahnenden Trainer und Experten während der Spielzeit über Schiri­leistungen und Kellerentscheidungen geäußert hatten. Minuspunkte brachten Wutausbrüche und das Verhauen von Eckfahnen, Pluspunkte gab es dagegen für lobende Worte.

Die Eingesperrten führten zwar penible Strichlisten, aber die Saisonauswertung führte immer wieder zu Überraschungen. Dafür war nämlich die KI zuständig, die ursprünglich dazu programmiert war, Abseitssituationen zu erkennen, mittlerweile aber auch Trainer-Launen analysieren konnte, wenn ihr danach war.

Was aus denen wurde, die den Keller verlassen durften, wusste niemand, obwohl die individuellen Wünsche für ein etwaiges Leben danach immer wieder Gesprächsstoff gewesen waren. Sie reichten von „Irgendwo hinziehen, wo kein Fußball gespielt wird“ bis zu „Vom vielen Geld einen eigenen Verein gründen“. Gerüchteweise machten die meisten aber Fußballkneipen mit Namen wie „Zum Abseits“ oder „Drei Ecken, ein Elfer“ auf, wo sie Spieltag für Spieltag Strichlisten über die Schiri-Entscheidungen führten.

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Elke Wittich
Journalistin
Schreibt nicht nur über Sport, sondern auch über Verschwörungsideologien, skandinavische Politik und Königshäuser. *** Die ersten Artikel für den taz-Sport gestalteten sich allerdings etwas schwierig: Mit den Worten "Wie, die schicken uns heute eine Frau?" wurde ich beispielsweise vor Jahren von einem völlig entsetzten Vorsitzenden eines Westberliner Fünftligavereins begrüßt. Da war er also, der große Tag, an dem über seinen Club in der taz berichtet werden würde, und dann das: Eine Frau! Ich antwortete ja, ich sei die Strafe und sofort war die Stimmung super. *** Und eines Tages werde ich über diesen Tag und andere, sagen wir: interessante Begegnungen mal ein Buch schreiben.
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