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VfB StuttgartEiner geht, Bruschdring bleibt

Beim VfB feiern die Fans das 100-jährige Jubiläum des roten Brustrings und den 1:0-Sieg über Borussia Mönchengladbach.

Kick ohne Nick: Stuttgarts Chema Andres (l.) köpft das Siegtor für den VfB Foto: Murat/dpa

Vor dem glücklichen 1:0-Sieg ihrer Mannschaft gegen Borussia Mönchengladbach widmete sich die Stuttgarter Fangemeinde den bleibenden Werten rund um ihren Herzensclub. Zum 100-jährigen Jubiläum des „Bruschdrings“, also der roten Querung auf dem im Idealfall weißen Trikot, gab es eine aufwändige Choreografie über alle vier Tribünenseiten zu sehen, die die alten Recken von Ottmar Hitzfeld über Hansi Müller bis Cacau zeigte. Nick Woltemade hatten die VfB-Fans natürlich nicht auf Stoff verewigt. Um Legendenstatus zu erlangen, braucht es schon etwas mehr als 29 Bundesligaspiele. Viel mehr, wie das Beispiel von Guido Buchwald zeigt, der am Samstag auf der Tribüne saß, aber trotz satten elf Jahren beim VfB ebenfalls nicht verewigt worden war.

Dass Woltemade anderweitig beschäftigt sein würde, hatte der VfB offiziell erst am Samstagmittag bestätigt. Dass er schon wenige Stunden später so gar kein Thema mehr sein würde, war dann durchaus überraschend. Kein Spruchband war zu sehen, das sich dem nach Newcastle Entfleuchten gewidmet hätte, kein Spieler zu hören, der dem Ex-Kollegen noch mal öffentlich gehuldigt hätte.

Im Spiel, das kurz zuvor zu Ende gegangen war, hatte man allerdings durchaus gemerkt, welche Lücke die Abgänge von Woltemade und Enzo Millot in der Offensive hinterlassen haben. Nach guter Stuttgarter Anfangsphase war Gladbach bis zur Pause die bessere und torgefährlichere Mannschaft. Und das eben auch, weil die wenigen Bälle, die beim VfB vorne ankamen, danach schnell wieder an einem Gladbacher Fuß waren. Den in den eigenen Reihen halten zu können, ist bekanntlich eine der ganz großen Stärken Woltemades.

Für den Jungen ist es hart, das ist nicht schön.

Sebastian Hoeneß, Stuttgart-Trainer, begründet die Ein- (14.) und Auswechslung (64.) von Stürmer Chris Führich

Gladbachs Sportgeschäftsführer Roland Virkus sah beim VfB in dieser Phase „keine Kreativität“ und hatte damit recht. Zu allem Unglück musste dann auch noch Deniz Undav früh ausgewechselt werden. Falls seine Knieblessur gravierender ausfällt, hätte der VfB endgültig ein echtes Personalproblem im Offensivbereich, in dem Chris Führich derzeit keine zuverlässige Alternative ist. Am Samstag wurde er in der 14. Minute ein- und in der 64. ausgewechselt. Und auch wenn Hoeneß („für den Jungen ist es hart, das ist nicht schön“) betonte, dass das nichts mit dessen Leistung zu tun gehabt habe – überzeugend war die nicht gewesen.

Auch defensiv wirkte Stuttgart gegen eine konzentriert und zielstrebig vorgehende Gladbacher Mannschaft zuweilen anfällig. Dass man vier Tage zuvor 120 Minuten und Elfmeterschießen beim DFB-Pokalspiel in Braunschweig gebraucht hatte, war durchaus zu merken. Die besten Torgelegenheiten hatte jedenfalls der Gast, doch Lukas Ulrich (22.), Franck Honorat (25.) Joseph Scally (36.) und Kevin Stöger (50.) machten nichts daraus. Und da der eingewechselte Chema dann doch den Stuttgarter Siegtreffer köpfte (79.), weil der Gladbacher Defensivverbund bei der schnell ausgeführten Ecke zuvor nicht auf der Höhe war, zeigte sich Sportgeschäftsführer Virkus entsprechend angefressen: „Das Schlimmste ist, dass es nicht einmal ein herausgespieltes Tor war. Das ist gegen eine spielstarke Mannschaft wie den VfB immer drin. Aber Standards heißen so, weil man sie standardmäßig verteidigt.“

Derweil gingen sie beim VfB in vergleichsweise harmonischer Stimmung auseinander – zumindest wenn man das mit den vergangenen Tagen vergleicht. Nachdem er eine „toughe Woche“ und „toughe Tage“ erlebt hatte, konnte sich Hoeneß immerhin darüber freuen, dass sich sein Team im zweiten Durchgang ins Spiel zurückgeackert hatte. Am Vortag hatte er nur sehr notdürftig seine Enttäuschung darüber verbergen können, dass er soeben seines prominentesten Stürmers verlustig gegangen war. Dass er zudem offenbar erst sehr verzögert über den sich konkretisierenden Wechsel informiert wurde, dürfte seine Laune ebenfalls beeinträchtigt haben. Am Samstag, besänftigt vom dreifachen Punktgewinn, beließ Hoeneß es hingegen bei dem dezenten Hinweis, dass ein Ersatz für Woltemade eine schöne Sache sei. „Wir wollen eine schlagkräftige Mannschaft haben. Das werden jetzt sicher intensive zwei Tage.“

Und Woltemade? Dürfte sich am Sonntag die Spiele von Dynamo Dresden (gegen Schalke 04) und Rot Weiss Essen (gegen Alemannia Aachen) angeschaut haben, und sich ansonsten mit seinem künftigen Arbeitsplatz zu befasst haben. Denn der liegt in einer Liga, in der er sich nach eigener Aussage nicht sonderlich gut auskennt, wie er erst im März im Pod­cast „Copa TS“ erzählt hatte: „Ich gucke nur deutschen Fußball. Null Premier League oder null La Liga. Dafür aber fast jedes Spiel in der dritten Liga, das ich gucken kann. Wenn ich wählen müsste zwischen Dresden gegen Essen und Liverpool gegen Chelsea, würde ich Dresden gegen Essen gucken.“

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