Verzicht auf Pädagogen in Bremer Kitas: Der Gärtner und die Yogalehrerin sollen einspringen
Gegen den Kitaplatzmangel in Bremen setzt die Bildungssenatorin auf unqualifizierte Betreuer: Sie schlägt Zeiten ganz ohne pädagogisches Personal vor.
Das Grundproblem ist lange bekannt: Es fehlt an Kita-Plätzen; auch die neu gebauten Kitas der letzten Jahre können das nicht ändern, es mangelt vor allem an Personal, um die Räume zu bespielen. Zwar gab es in den letzten Jahren eine immense Aus- und Fortbildungsoffensive, 2.400 zusätzliche Kinder können seit 2021 betreut werden; doch das Tempo des Kita-Platz-Aufbaus hält nicht mit den Kinderzahlen mit – nirgendwo in Deutschland steigen die so schnell, wie in in Bremen.
Etwa 770 Kinder warten derzeit auf einen Kita-Platz. Zwar sind über 1.000 Erzieher*innen in Ausbildung – doch bis sie fertig sind, vergeht Zeit. „Eine Lösung in fünf Jahren nützt diesen Kindern nichts“, schrieb Bildungssenatorin Aulepp an die Beschäftigten von Kita Bremen.
„Die Senatorin ist in einer schwierigen Lage“, konstatiert Sozialwissenschaftler René Böhme, der für das Land mehrere Studien zur Betreuungssituation gemacht hat. „Sie muss sich jetzt aussuchen, gegen welche Bundesvorgabe Bremen verstößt – gegen den Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz oder gegen das Fachkräftegebot. Sie muss abwägen zwischen Quantität und Qualität.“
Abstriche bei der Qualität
Bremen könnte weiterhin akzeptieren, dass nicht alle Kinder einen Platz bekommen – oder die Betreuungszeiten für alle einschränken, etwa auf vier Stunden am Tag. Die Senatorin will einen anderen Weg gehen, mit zwei Prämissen: Alle Kinder müssen versorgt werden und es muss schnell gehen. Das Bildungsressort greift daher zu Absenkungen bei der Qualität. Die Gruppengrößen erhöhen, so wie es Niedersachsen vormacht, will Bremen nicht. Das, so die Befürchtung, könnte die Erzieher*innen weiter überlasten.
Stattdessen greift das Land das Fachkräftegebot an: Ein Kita-Tag hat nach dem Gesetzentwurf künftig drei Phasen: Eine Kernförderzeit von mindestens vier Stunden täglich, bei denen Gruppen wie bisher von zwei Fachkräften betreut werden müssen, davon mindestens ein*e Erzieher*in oder Sozialpädagog*in. Daneben soll es eine Randförderzeit von weiteren zwei Stunden am Tag geben, in der es auch reicht, wenn etwa ein Kinderpfleger gemeinsam mit einer nicht qualifizierten Person die Gruppe betreut.
Bei allen Zeiten darüber hinaus könnte künftig praktisch jede:r eine Gruppe leiten: Eine Fachkraft muss „in Hörweite“ sein, alle einzelnen Kita-Gruppen mit bis zu 20 Kindern aber könnten von je zwei „geeigneten Personen“ betreut werden – Menschen ohne pädagogische Qualifikation kommen infrage. Nicht einmal ein weiches „Erfahrung im Umgang mit Kindern“, wie es für Kindertagespflegepersonen gefordert ist, steht in den Anforderungen. Ein erweitertes Führungszeugnis reicht.
Auch eine Qualifizierung parallel zum Quereinstieg soll es nur als Angebot, nicht als Pflicht geben. Die Öffnung für alle soll zeitlich begrenzt bis 2028 gelten. Ein Vorbild für die Maßnahme sei Niedersachsen, heißt es, aber das stimmt nur sehr bedingt: Das Land teilt den Tag zwar auch in Kern- und Randzeiten, doch zu keiner Zeit verzichtet man auf eine Fachkräftequote.
Die Elternschaft ist uneinig
Die Initiative „Kitastrophe“ schlägt gegen die Pläne Alarm und sieht das Kindeswohl in Gefahr. „Es ist nicht schlimm, dass Kinder zeitweise ‚nur‘ betreut werden“, so Sprecherin Claudia Bollmann. „Aber dass Leute ohne jede pädagogische Vorbildung alleine Kinder betreuen dürfen sollen, das ist unvorstellbar.“
Auch Menschen aus anderen Berufen könnten den Kindern etwas mitgeben, hatte die Senatorin zuletzt ihr Konzept verteidigt – und beispielhaft Gärtner oder Yogalehrer genannt. „Diese romantische Vorstellung, dass Tomaten gezogen werden, geht am Alltag in einer Kita komplett vorbei“, sagt Bollmann. „Die Leute sind ja nicht da, um ihre tollen Zusatzangebote zu machen, sondern um die Personalnot auszubaden.“ Die fachfremden Personen müssten also trösten, schlichten, wickeln – und das mit Kindern mit unterschiedlichen Sprachkenntnissen und Förderbedarfen.
Rückendeckung von der Elternvertretung
Auch Sozialwissenschaftler Böhme sieht das Konzept in seiner jetzigen Form kritisch. „Wir gehen hier bei der Qualität der Betreuung einen sehr großen Schritt nach unten“, sagt er. Eine Abkehr von der Fachkräftequote dürfe allenfalls als Ausnahmegenehmigung möglich sein. „Sonst sehe ich die Gefahr, dass es der neue Standard wird.“
Rückendeckung bekommt die Senatorin hingegen von der Zentralen Elternvertretung (ZEV), die offiziell alle Eltern von Kindern im Kita-Alter in Bremen vertritt. „Natürlich will das keiner – aber was ist die Alternative? Und wer zahlt den Preis dafür?“ Die Alternative, so erinnert sie, sei eben gar kein Platz für ein Kind. Einzelne Kommunen in Niedersachsen würden statt der Bremer Lösung einfach die Kosten anheben. „So kann man das Problem mit der zu hohen Nachfrage eben auch lösen.“
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