piwik no script img

Verwandtenaffäre in BayernLast-Minute-Liste vorgelegt

Bis zum Jahr 2000 durften bayerische Parlamentarier Verwandte einstellen. Eine Liste legt offen, wer schnell noch Arbeitsverträge abschloss. Auch SPD-Abgeordnete sind betroffen.

Vor dem Rücktritt: Harald Güller, Parlamentsgeschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion. Bild: dpa

MÜNCHEN afp | In der Verwandtenaffäre des bayerischen Landtags hat Landtagspräsidentin Barbara Stamm (CSU) eine Liste mit Abgeordneten vorgelegt, die kurz vor einem gesetzlichen Verbot Ende 2000 noch Arbeitsverträge mit engen Verwandten abgeschlossen haben. Im Jahr 2000 beschäftigten 16 Abgeordnete erstmalig Ehepartner oder Kinder, wie Stamm am Dienstag in München mitteilte. Darunter waren zwölf CSU-Politiker, drei SPD-Abgeordnete sowie ein verstorbener Parlamentarier, über den keine Angaben gemacht wurden.

Seit Dezember 2000 verbietet ein Gesetz die Beschäftigung von Ehepartnern sowie von Verwandten ersten Grades wie Kindern. Ausgenommen waren allerdings bis dahin bestehende Verträge. Deshalb wurde immer wieder darüber diskutiert, ob und wie viele Abgeordnete kurz vor Inkrafttreten des Gesetzes neue Verträge abgeschlossen hatten.

Bislang wurde vermutet, im Jahr 2000 hätten noch 34 Abgeordnete neue Verträge abgeschlossen. Diese Vermutung ergab sich daraus, dass von insgesamt 79 Altfällen 45 im Jahr 1999 bekannt waren. Landtagspräsidentin Stamm verwies dazu darauf, dass der Landtag 1999 nur Auskunft über die bereits 1998 bestehenden Beschäftigungsverhältnisse geben konnte. Zudem sei eine genaue Aussage über den erstmaligen Abschluss eines Vertrags aus den beim Landtagsamt befindlichen Akten nicht möglich.

Sie habe nun aufgeklärt, welche Abgeordnete im Jahr 2000 neue Arbeitsverhältnisse begründet hätten, erklärte Stamm. Sie habe dazu alle in Frage kommenden Parlamentarier kontaktiert. Damit werde nun Transparenz geschaffen.

Der Parlamentsgeschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Harald Güller, will wegen der Affäre zurücktreten, auch als schwäbischer SPD-Vorsitzender. Um den Wahlkampf seiner Partei nicht zu belasten, wäre er zu einem Verzicht bereit, „wenn es rechtlich ermöglicht wird“, sagte er der Augsburger Allgemeinen. Güller hatte seinen Stiefsohn im Jahr 2009 für zwei Monate auf Staatskosten beschäftigt, dabei aber nach eigener Aussage nicht gewusst, dass es sich rechtlich um einen Schwager ersten Grades handelt.

CSU bleibt in Wahlumfragen vorne

Die CSU muss rund dreieinhalb Monate vor der Landtagswahl in Bayern nicht damit rechnen, wegen der Affäre vom Wähler abgestraft zu werden. Nach einer am Dienstag veröffentlichten Stern-Umfrage zufolge würden 46 Prozent die Partei derzeit dennoch wählen. Das wären etwa drei Prozentpunkte mehr als bei der Landtagswahl vor fünf Jahren.

Die SPD käme der Befragung zufolge auf 20 Prozent, was ebenfalls ein leichtes Plus bedeuten würde. Auch die Grünen könnten gegenüber 2008 zulegen – und zwar um mehr als 2,5 Prozentpunkte auf 12 Prozent. Die Freien Wähler würden 9,4 Prozent erreichen und damit unter ihr Ergebnis von 10,2 Prozent bei der vergangenen Wahl fallen.

FDP und Linke würden den Einzug in den Landtag verpassen, in dem Vier-Parteienparlament hätte die CSU laut der Umfrage dann mit 46 Prozent die absolute Mehrheit. SPD, Grüne und Freie Wähler kämen zusammen auf etwas mehr als 41 Prozent. Für die Erhebung befragte das Forsa-Institut zwischen dem 8. und 23. Mai 1102 repräsentativ ausgesuchte Wahlberechtigte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • N
    noevil

    Wenn es zu der Zeit geltendes Recht war, dann verstehe ich nicht, weshalb das mehr als zehn Jahre später nicht mehr Recht und daher heute anrüchig ist.

     

    Natürlich schadet es dem Steuerzahler! Aber um daraus Vorwürfe zu basteln, hätte man diesen Zustand doch von der rechtlichen Seite durch das bayerische Parlament von Vornherein sauber und gänzlich beenden müssen und nicht sich Jahre später zum Richter aufspielen über Politiker, die davon ausgehen konnten, nichts Unrechtes getan zu haben.

     

    Was sind wir doch für eine selbstgefällige Gesellschaft!

     

    Dann müssen wir uns als Schnäppchenjäger-Gesellschaft konsequenterweise auch vorhalten lassen, dass wir noch am 31.12. einen Bausparvertrag nach alten Regeln abgeschlossen haben und die Grenzen des guten Geschmacks überschritten haben mit der Ausnutzung noch bestehender Vorschriften bis zur letzten Möglichkeit. Wie rennen wir doch, wenn etwa eine Mehrwertsteuer-Erhöhung ansteht...

     

    Ihr könnt ruhig nach Luft schnappen. Aber ich finde, dass neue Regeln klar ab dem neuen Geltungsdatum anzuwenden sind.

     

    Natürlich bin ich auch nicht begeistert, wenn ich zudem davon ausgehe, dass Parlamentarier nicht eben am Hungertuche nagen. Aber mir geht es gewaltig auf den Geist, wenn ich von Leuten mit der zurzeit allgemein trendigen "Geiz-ist-geil"-Mentalität derartig selbstgefällige Scharfmachertöne höre, während sie gleichzeitig in Geschäfte rennen, die Wäsche aus ausbeuterischer Herstellung anbieten, ohne auszusieben, welcher Hersteller dies eben nicht tut.

     

    Der Schaden ist entschieden größer - nur dafür übernimmt keiner aus der Masse der Nutznießer die Verantwortung. Und die haben durch Nachfrage solche Zustände erst möglich gemacht.

     

    Wie im Großen so im Kleinen - seht es wie ihr wollt!