piwik no script img

VerwaltungsreformGrüne: Wegner muss jetzt liefern

Das Abgeordnetenhaus hat die jahrzehntelang diskutierte Reform beschlossen. Sie künftig mit Leben zu erfüllen, könnte noch schwieriger werden.

Zur Umsetzung der Verwaltungsreform liegen noch einige Schritte vor Kai Wegner und seiner zuständigen Staatssekretärin Klement Foto: Sebastian Christoph Gollnow/dpa

Berlin taz | Um 11.19 Uhr ist das beschlossen, was Kai Wegner, der Regierungschef von der CDU, mal als Jahrhundertwerk bezeichnet hat: Das Abgeordnetenhaus stimmt an diesem Donnerstagmorgen der Verwaltungsreform zu. In diesem Erfolgsmoment aber ist er zurückhaltender, auch wenn er nicht mit Lob spart – indirekt für sich selbst, direkt für seine Mitstreiter von SPD, Grünen und Linkspartei. Zusammen machen sie die Zweidrittelmehrheit möglich, die die Reform nun in der Verfassung verankert.

Für die Vergleiche auf literarisch-philosophischer Ebene sind an diesem Tag, der über zweieinhalb Jahrzehnte vielfacher Reformanläufe beendet, andere zuständig. CDU-Fraktionschef Dirk Stettner etwa. Der sieht in Berlin bislang einen durch bürokratische Vorschriften gefesselten Riesen, wie den am Boden liegenden Gulliver im Jugendbuchklassiker von Jonathan Swift. Allerdings war dieser Vergleich zuletzt, auf ganz Deutschland bezogen, schon schier in jeder Zeitung zu lesen. „Wir starten heute Berlin 2.0“, sagt Stettner. Für ihn dafür hauptverantwortlich: „unser Berlin-Macher Kai Wegner“.

Die Fraktionen von Grünen und Linkspartei mühen sich zu erklären, warum sie Wegners schwarz-roter Koalition zu diesem Beschluss verhelfen, den CDU und SPD absehbar als großen politischen Erfolg verkaufen werden. Beide sehen sich schlicht im Dienst von Land und Bürgern. Grünen-Fraktionschefin Bettina Jarasch vergisst aber nicht, daran zu erinnern, dass die Reform auf Vorarbeit der früheren rot-grün-roten Koalition aufbaut.

Schnell gehen die beiden Fraktionen dann aber auf Distanz zu Wegner, sehen Versäumnisse und nicht erfüllte Versprechen. Für alles Weitere soll der nun allein geradestehen, nachdem das Parlament mit seiner Zustimmung den Weg freigemacht hat. „Sie tragen die Verantwortung, liefern Sie!“, sagt Jarasch Richtung Wegner zu dem, was erst beginnt: auf Basis der jetzt beschlossenen Gesetzesänderungen die Verwaltung umzugestalten. Wegner mag das aber gar nicht allein erledigen: „Ich möchte diesen Weg gern mit Ihnen weiter gestalten“, wird er sagen, als er später am Rednerpult steht.

Kritik aus der SPD-Fraktion

Etwas schwieriger wird die Sache an diesem Morgen für SPD-Fraktionschef Raed Saleh. Der zieht zwar wie CDU-Mann Stettner große Vergleiche heran und setzt den Beschluss der Verwaltungsreform mit einem durchgeschlagenen Gordischen Knoten gleich. Saleh kann aber nicht ganz ignorieren, dass in seiner Fraktion nicht alle gleichermaßen davon begeistert sind. Tags zuvor hat sich der SPD-Abgeordnete Martin Matz wie folgt zitieren lassen: „Das ist keine Jahrhundertreform. Das sind nur ein paar kleinere Korrekturen, wie man Zuständigkeiten klärt.“ Die Reform werde hochgejazzt und gehe „an 80 Prozent der Probleme vorbei“.

„Es mag vereinzelte Stimmen geben, die fragen: Geht es nicht noch konsequenter?“, sagt Fraktionschef Saleh, ohne Matz’ Namen zu nennen. Der sitzt auf seinem Platz in der fünften Reihe der Fraktion und wird kurz darauf wie seine SPD-Kollegen der Reform zustimmen. Das passiert in zwei Schritten: Erst beschließt die Parlament Verfassungsänderungen, dann ein neues Landesorganisationsgesetz.

Auch Links-Fraktionschef Tobias Schulze greift die Matz-Kritik auf – und dreht sie um: Selbst wenn die Reform 80 Prozent nicht löst, hieße das, dass sie das mit 20 Prozent macht. Die aber sind für ihn die entscheidenden. Weil die Reform ohne die AfD-Fraktion zustande kommt, die von Wegner nicht zur Mitarbeit eingeladen wurde, belegt Schulze sie mit einem besonderen Etikett: „Das ist eine demokratische und antifaschistische Verwaltungsreform.“

Als AfD-Fraktionschefin Kristin Brinker es hingegen für undemokratisch hält, ihre Fraktion nicht zu beteiligen, kontert Regierungschef Kai Wegner unter Applaus von CDU bis Linkspartei, die AfD habe gar kein Interesse an einem funktionierenden Berlin: „Da wären Sie völlig fehl am Platz gewesen.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!