Verurteilung von Evan Gershkovich: Ein Mensch, keine Tauschware

Nach der Verurteilung von Evan Gershkovich ist viel vom Gefangenenaustausch die Rede. Das normalisiert die Verbrechen des russischen Staates.

Der Wall-Street-Journal-Reporter Evan Geshkovich in einem Glaskäfig, aus dem heraus er sein Urteil anhören musste

Evan Geshkovich ist Spielball von Russlands Staatsterror Foto: Dmitri Lovetsky/AP/dpa

Ein kurzes Lächeln huscht Evan Gershkovich übers Gesicht, als er im Glaskäfig im Gericht von Jekaterinburg steht. In diesen Minuten hört er sein Urteil: 16 Jahre strenge Lagerhaft. 16 Lebensjahre, weil er seiner Arbeit als Auslandskorrespondent nachging, weil er mit Menschen sprach, Material sammelte, recherchierte, wie alle Jour­na­lis­t*in­nen recherchieren, um zu zeigen, was in einem Land passiert. Evan Gershkovich, der Erfahrene, Joviale, stets Neugierige auf Russland, wollte zeigen, was in einem Kriegsland geschieht, das den Krieg negiert und doch täglich seine Söhne zu Grabe trägt.

Für den russischen Staat ist der 32-Jährige ein Spion. Ein Amerikaner, der sich offenbar bestens eignet, um aus westlichen Ländern russische Verbrecher freizupressen. Das ist der heutige Staatszynismus Russlands. Menschen sind lediglich Material, um gewisse Ziele zu erreichen. Das gilt letztlich für alle, die in Russland leben, seien sie In­län­de­r*in­nen oder Ausländer*innen. In Putins Regime ist niemand sicher, den meisten ist das bewusst.

Kriegskritische Gedichte als Terrorismus

Selbst Gershkovichs Freunde atmeten nach dem Urteil ein wenig auf. Verständlich. Endlich bewegt sich etwas in der Sache, vielleicht komme er bald frei, so ihre Hoffnung. Das Betonen eines möglichen baldigen Gefangenenaustauschs aber normalisiert das Verbrechen, das der russische Staat an Evan Gershkovich – und nicht nur an ihm – begeht. Es ist nicht normal, dass einer, der gewissenhaft seiner Arbeit nachgeht, aus einem Restaurant gezerrt wird und für mehrere Jahre in einer Strafkolonie verschwinden soll.

Selbst wenn er eine vage Chance auf Freiheit hat. Es ist nicht normal, wenn Theaterregisseurinnen, weil sie kriegskritische Gedichte verfassen, für Jahre ins Gefängnis gesperrt werden. Wegen Terrorismus. Genauso nicht normal ist es, wenn schwerkranke Politiker oder über 70-jährige Menschenrechtler, weil sie Krieg als das bezeichnen, was er ist, zu Staatsverrätern erklärt und hinter Gittern ihrem Schicksal überlassen werden. Es vergeht keine Woche, in der nicht ein russischer Bürger oder eine russische Bürgerin vor russischen Gerichten landen, weil sie ihre Bürgerrechte wahrnehmen und nicht schweigen. Aber auch Aus­län­de­r*in­nen sind nicht davor gefeit.

Evan Gershkovich und all die russischen wie ausländischen politischen Gefangenen sind Menschen, sie sind keine Tauschware, dessen sich ein Präsident nach Gutdünken bedienen kann. Doch er spielt seine menschenverachtenden Spiele und lässt die Welt hilflos daneben stehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bilder zur Pressefreiheit 2024 Illustration von Lucia Žatkuliaková 6976051 6008040 g6008040

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.