Vertreibung in Hamburg: Blumen statt Obdachlose
Vor der Haspa-Filliale im Stadtteil Ottensen stehen nun Blumenkübel, damit Obdachlose sich dort nicht mehr aufhalten können. Es ist eine perfide Methode.
S eitdem am Jungfernstieg biedere, hellhölzige – und nebenbei: ziemlich teure – Blumenkübel stehen, sind diese Dekorationselemente zu einem erstaunlich großen Diskussionsthema unter Hobby-Stadtgestalter:innen in ganz Hamburg geworden. Seit Donnerstag haben die City-Kübel in Sachen Streitpotenzial allerdings beachtliche Konkurrenz aus Ottensen enthalten.
Das ist kaum verwunderlich: Denn die dortigen Kübel unterbieten die Holzbehälter vom Jungfernstieg nicht nur ästhetisch um Meilen – sondern übertreffen sie vor allem in der Perfidität ihres Zwecks. Denn Blumenkübel sind ja nie nur Kübel für Blumen. Am Jungfernstieg dienen sie als Fahrbahntrenner. In Ottensen ist ihre undankbare Aufgabe: Obdachlose zu verscheuchen.
Vor der Haspa-Filliale am Spritzenplatz campieren seit längerer Zeit Obdachlose. Das werde, so die Haspa, für Vorbeigehende und Geldabhebende, die um ein paar Groschen gefragt würden, nicht als angenehm empfunden.
Und dann der Drogenkonsum! Und kooperativ verhielten sich die bereits getadelten Obdachlosen dann auch nicht! Drum konnte die Haspa dem Drama (also dem der Kundschaft, nicht dem der Wohnungslosen) kaum mehr tatenlos zusehen – und ließ schmucklose sperrige Betonfässer herankarren, hübsch bepflanzt mit grünem Gewächs.
Herzlos sei die Bank darum aber nicht. Im Gegenteil: „Die Haspa setzt sich seit vielen Jahren für das Wohlergehen von Obdachlosen in unserer Stadt ein“, verteidigt sie sich in der Mopo. Auch habe man gar nicht eigenmächtig vertrieben, nee, nee! Ist ja schließlich öffentlicher Grund, da braucht es die Zustimmung des Bezirks Altona. Das Aufstellen der Kübel sei, es klingt so gruselig, „Ergebnis eines Dialogprozesses“ mit dem Bezirksamt.
Dort hat bekanntlich eine Grüne das Sagen: Stefanie von Berg. Es sei ein „schmaler Grat“ gewesen, auf dem sich ihr Amt in diesem Fall befand, sagt sie. Aber es habe halt etwas unternommen werden müssen.
Dann wird es sicher nur wenige Tage dauern, ehe auch auf der anderen Straßenseite vorm Telekom-Laden Kübel aufgestellt werden: Dorthin sind die Betroffenen nämlich weitergezogen. Bis es so weit ist, lässt sich weiterhin wundervoll über grüne Positionen in sozialpolitischen Fragen nachdenken.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Stockender Absatz von E-Autos
Woran liegt es?
Erfolg gegen Eigenbedarfskündigungen
Gericht ebnet neue Wege für Mieter, sich zu wehren
Wahlprogramm der FDP
Alles lässt sich ändern – außer der Schuldenbremse
Tod des Fahrradaktivisten Natenom
Öffentliche Verhandlung vor Gericht entfällt
Grüne über das Gezerre um Paragraf 218
„Absolut unüblich und respektlos“
Migration auf dem Ärmelkanal
Effizienz mit Todesfolge