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Verstoß gegen Umweltauflagen bei A 26Der frühe Vogel baut schon mal

Bei Arbeiten für die A26 in Hamburg hat die Baufirma gegen Auflagen zum Schutz des Bergpiepers verstoßen. Das nährt Misstrauen gegen das Projekt.

Der Bergpieper braucht in seinem Winterquartier in Hamburg Ruhe. Eine Baufirma arbeitet trotzdem nachts Foto: Francesco Veronesi/CC Wikimedia

Bremen taz | Komischer Vogel, der Bergpieper: Zum Überwintern kommt er von seinen Bergen in Mitteleuropa herab und fliegt, ausgerechnet, nach Hamburg-Moorburg. Hat ihm vielleicht keiner erzählt, dass dort der Winter mies und grau ist, knapp über null Grad im Durchschnitt? Und dass es auch mit der Ruhe in Moorburg nicht mehr so weit her ist, seit dort der Bau der A26 vorangetrieben wird?

Offenbar hat nämlich die Deges, eine Gesellschaft des Bundes für Straßenbau, bei den Arbeiten dort gegen Umweltauflagen verstoßen und zu Ruhezeiten des Vogels gebaut. Zuerst berichtete das Hamburger Abendblatt.

Das letzte Teilstück der neuen A26 soll A7 und A1 schon in Hamburg verbinden. Die Hamburger Wirtschaftsbehörde verweist auf die Entlastung für andere Straßen „im gesamten Hamburger Süden und Osten“ und auf eine höhere Zuverlässigkeit für den Betrieb im Hafen.

Für Naturschützer hingegen spricht Diverses gegen die rund zehn Autobahnkilometer: Da sind der Pieper und andere schützenswerte Tiere, die das Gebiet rund um Moorburg als Lebensraum auserkoren haben. Neue Autobahnen lassen sich zudem schwer mit Klimazielen von Bund und Land in Einklang bringen. Und schließlich ist bei begrenzten finanziellen Mitteln die Frage, ob Hamburg und Bund sich den Ostteil der A26 für 2,3 Milliarden Euro überhaupt leisten sollten.

Arbeiten fallen durch Zufall auf

Gegen den Bau des Autobahnabschnitts läuft deshalb ab nächsten Mai noch ein Gerichtsverfahren, aber die vorbereitenden Arbeiten haben schon begonnen – unter Auflagen, die auch die Umweltverbände erkämpft haben. Die Nacht ist tabu, zumindest in einem kleinen Gebiet: Die Bergpieper haben hier ihren Schlafplatz und brauchen ihre Ruhe; ansonsten ist ihr Energiebedarf zu hoch, es wird schwer für sie, am Tag zu fressen, was sie über 24 Stunden verbrauchen.

Die Auflagen des Planfeststellungsbeschlusses zum Schutz der Vögel sind klar: Zwischen Oktober und April darf es „keine Bauarbeiten in einem Umkreis von 200 Metern zum Schlafplatz […] zwischen einer Stunde vor Sonnenuntergang und einer Stunde nach Sonnenaufgang“ geben.

Dass trotzdem gearbeitet wurde, morgens vor Sonnenaufgang, das ist nicht durch die Kontrolle einer Behörde, sondern nur durch Zufall aufgefallen: In Moorburg leben viele, die die geplante neue Autobahn eher kritisch sehen; aufmerksame Spaziergänger hatten sich mit einer Frage und einem Foto von Bauarbeiten im künstlichen Licht an den BUND gewandt.

Für Malte Siegert, erster Vorsitzender des Nabu Hamburg, steckt hinter dem Verstoß eine typische Haltung: „Ich unterstelle den Unternehmen, dass sie Grenzen austesten“, sagt er. Erfahrungsgemäß, so Siegert, werde wenig kontrolliert. „Aber wenn es keine Instanz gibt, die die Einhaltung prüft, dann wird auch nichts eingehalten.“

Gegen den Bau des Autobahnabschnitts läuft ab kommenden Mai noch ein Gerichtsverfahren

So werde etwa laut einer Studie des Naturschutzrats Hamburg nur ein Drittel aller verabredeten Kompensationsmaßnahmen umgesetzt – es fehle, so Siegert, an Behörden, die darauf pochen.

Die Deges beteuert dagegen, man habe alles getan, um die Auflagen einzuhalten; für die betroffenen Arbeiten war ein Subunternehmen zuständig. Schon in der Ausschreibung sei auf die umweltrelevanten Auflagen hingewiesen worden, man habe mehrfach und auf allen Ebenen „mündlich und schriftlich klar kommuniziert“. Und: „Sehr intensiv“ sei der Einsatz der Umweltbaubegleitung bei dieser Maßnahme gewesen, heißt es weiter.

Bauauflagen für Artenschutz sind komplex

Passiert ist der Verstoß dennoch. Vorsatz unterstellt Gisela Bertram, stellvertretende Vorsitzende des BUND Hamburg, der Deges nicht. „Aber wenn das ein Fehler war, macht mir das nicht weniger Sorge“, betont sie. Sollte die Klage im Mai scheitern, sollte die A26 Ost also gebaut werden, „dann wird es noch um Potenzen komplexer“.

Schließlich gebe es viele Arten, für die es Auflagen gibt: Der Moorfrosch, der Kleinspecht, andere Brutvögel, alle haben je spezifische Bedarfe. „Artenschutz funktioniert nur, wenn man ihn penibel beachtet“, so Bertram. „Wenn man sich nicht mal an eine simple Uhrzeit halten kann, fehlt mir das Vertrauen, dass die das gebacken bekommen. Das macht mir wirklich Sorge.“

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3 Kommentare

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  • Es ist leicht, in der Großstadt mit passablem bis gutem öffentlichen und privaten Nah- und Fernverkehr zu leben und woanders Naturschutz einzufordern. Wenn man weiter auf dem Lande lebt und de facto nur schlechten Nah- und Fernverkehr hat, sieht die Welt auf einmal ganz anders aus. In eine solche Region hinein führt die A 26, deren letzten Stück sich jetzt also weiter verzögert und nach Meinung einiger wohl auch noch weiter verzögern oder am besten gar nicht kommen soll. Vielen Dank.

  • Ein schönes Beispiel dafür, dass hier nichts mehr so richtig und verlässlich funktioniert. Eine Subfirma verstößt gegen eine winzige Vorschrift und die gesamte Umwelt Empörung dreht sofort und verlässlich durch. Das Gesamtprojekt wird wieder in Frage gestellt, man ist empört und will am liebsten alles sofort beenden. So wird das in einer total veränderten Welt wie jetzt gerade um uns herum nichts werden mit unserem System. Auch dieses Beispiel wird dazu führen, dass sich noch mehr Menschen fragen, ob wir so richtig davor sind, wenn es hier irgendwie geordnet weiter gehen soll.

  • Es ist ja nicht mal nur der eine Vogel - der zeigt an, was da sonst noch verloren gehen könnte.



    Und wer heute noch Autobahnen neu baut, sollte sich ins Museum einweisen lassen. Das Geld brauchen wir zudem woanders.