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Versteigerung von Benkos EigentumVom Palast zur Ramschbude

Die protzige Villa des insolventen Immobilienkönigs René Benko am Gardasee wird versteigert. Eine Tour durch das Denkmal des Größenwahns.

Nummer eins ist das goldene Türschild „Familie Benko“ Foto: Auktionshaus Aurena/dpa
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Sirmione taz | An einem für ihn selbst geschaffenen Brettspiel lässt sich gut ablesen, welches Bild der Mega-Pleitier René Benko von sich selbst hatte. „Signa-Monopoly“ steht groß auf dem Quadrat, benannt nach Benkos untergegangener Signa-Unternehmensgruppe.

Statt Badstraße oder Schlossallee sind aber auf den Feldern viele jener Projekte benannt und abgebildet, die der einstige Immobilienentwickler und in höchsten Tönen als „Wunderwuzzi“ Gelobte an die Wand gefahren hat – oder die verkauft werden mussten: so der vollständig gezeigte Elbtower, der tatsächlich ein unvollendeter Torso ist, die Alte Akademie in München, das Berliner KaDeWe oder das New Yorker Chrysler-Building.

Präsentiert werden das Spiel sowie 1.824 weitere Auktionsgegenstände – mehr als 100 Weine sind auch dabei – in Benkos Ferienvilla Ansaldi am Südufer des Gardasees in Italien. Dort, auf der langgestreckten Landzunge von Sirmione, besaß der heute 48-jährige Österreicher das Domizil aus der Jahrhundertwende.

Die völlig verschachtelte Signa mit ihren 1.000 Einzelunternehmen ist pleite, der Firmenpatriarch selbst hat Privatinsolvenz angemeldet und sitzt seit Januar im Gefängnis in der Wiener Josefstadt in U-Haft.

Alles muss nun raus aus Benkos Haus. Alles, was nicht niet- und nagelfest ist. Der Insolvenz­verwalter soll möglichst viel eintreiben, um Benkos einstige Geldgeber wenigstens zu einem kleinen Teil zu entschädigen. Dafür hat er die Profis von der österreichischen Aurena-Group beauftragt, die im großen Stil Onlineversteigerungen macht.

Aurena schafft daraus ein Ereignis, ein Event. Der Auktio_nator lädt an diesem Tag Interessierte ein nach Sirmio­ne, um sich die Villa selbst anzuschauen, den parkgroßen Garten und natürlich die ganzen Versteigerungspositionen, wie das fachlich korrekt heißt. Diese stehen und liegen überall im Haus. Nummer eins ist das goldene Türschild „Familie Benko“, die letzte, 1825, ein „Posten diverse Outdoor-Textilien“, das sind ein paar ziemlich verschmutzte Plastikplanen.

Alle werden geduzt

Höhepunkt der Versteigerungstouren: Das prunkvolle Erdgeschoss Foto: Patrick Guyton

Die Aurena-Leute sind jung, einheitlich in Blau gekleidet und treten recht kumpelhaft-burschikos auf. Der Besichtigungs-„Slot“ für eine Handvoll Interessierter beginnt um 13 Uhr, insgesamt wird dieser Teil des untergegangenen Imperiums 300 Menschen gezeigt. Der Aurena-Mann, der sich Hansi nennt, sagt, man habe etwa 20 Minuten Zeit. Er duzt alle.

Zuerst geht es in den Keller des Benko-Anwesens. Es gab einen Wasserschaden, sagt Hansi, einiges ist verschimmelt. Man sieht es an den Wänden. Unten sind der Spa-Bereich, Sauna, Fitness-Gym. Massenhaft liegen Hanteln herum, aufgestellt sind Ergometer, Bauchmuskeltrainer, Faszienrollen.

Das Erdgeschoss spart Hansi als Höhepunkt für den Schluss auf, weiter geht es erst einmal in den ersten Stock. Ein langer Gang führt zu den vielen Schlafzimmern und Bädern. Bei der Anzahl verliert man den Überblick. Wer das wie genutzt hat, weiß auch Aurena nicht, Benko und sein Clan geben keine Auskunft. Wahrscheinlich waren es Gäste- und Kinderschlafzimmer.

Alles ist überladen, soll prunkvoll wirken, meist in Beige. In einem Bad führen noch zwei Stufen zur offen im Raum stehenden Wanne. Sessel im „Barockstil“ stehen da, wie es in der Auktionsbeschreibung heißt, überall goldene Figuren und an den Wänden Spiegel mit verschnörkelten Silberrahmen. Ist das antik oder sind es billige Duplikate? Unmengen an Kissen werden ebenso versteigert wie Kruzifixe.

Sich daran ergötzen oder auch erschaudern, wie der einst Superreiche privat lebte

Im zweiten Stock befindet sich standesgemäß der „Master-Bedroom“. Das Schlafzimmer des Oberhauptes, also Benkos. An der Wand ein großer Monitor, ein riesiger Plüsch-Osterhase von Lindt sticht hervor. Der große steinerne Balkon ist direkt auf den See gerichtet, der Blick frei. Ein Master-Bedroom hat natürlich auch ein Master-Bad mit gläserner Trennscheibe. Benkos Produkte für die Zahnpflege sind in einem Posten gebündelt: zwei Zahnbürsten, Sensodyne-Zahncreme, zwei Gläser, Oral-B-Zahnseide.

Selbst ist die Toilette kann ersteigert werden Foto: Patrick Guyton

Größte Pleite in Österreichs Geschichte

Hansi macht kein Hehl daraus, dass hier auch Voyeurismus bedient wird. Dass die Besucher sich daran ergötzen oder auch erschaudern, wie der einst Superreiche, der die größte Pleite in Österreichs Geschichte hingelegt hat, privat lebte.

Stolpergefahr: Treppenstufen in einem der Badezimmer in Benkos Villa Foto: Patrick Guyton

„Des soll ma scho mal sehen“, sagt Hansi in Ösi-Dialekt. Die Villa sei schon verkauft – „und wir machen sie besenrein“. Benko selbst muss im Gefängnis zuschauen, wie nun sein einstiges Privatleben in jedem Detail ausgestellt wird.

In München am Holzzaun an der Alten Akademie in der Nähe des Stachus hatte jemand gesprayt: „Benko war es nicht allein.“ Auch dort sind die Bagger und Baufahrzeuge längst weg, das historische Ensemble liegt brach, händeringend sucht der Freistaat Bayern nach einem neuen Immo-Projektierer.

Benko hat geblendet, und die Geldgeber haben sich blenden lassen. Banken, Versicherungen, das „alte Geld“, wie der Innsbrucker Wirtschaftsprofessor Leon­hard Dobusch den zurückgezogenen Geldadel nennt. Die Renditen von sechs oder acht Prozent nahmen sie gern, auch wenn sie den Emporkömmling Benko aus einfachen Verhältnissen verachtet haben.

Zu Benkos Financiers zählte etwa der Hamburger Logistikunternehmer und Milliardär Klaus-Michael Kühne. Als er sich abwandte, brach das Konstrukt zusammen. Als seriös auftretende Institute waren etwa die bayerische Landesbank Bayern-LB (im Besitz des Freistaats) mit dabei, die Landesbank Baden-Württemberg (im Besitz des Landes) oder die Union-Investment, die vom genossenschaftlichen Raiffeisenverbund getragen wird.

Keine der Banken gibt Auskunft darüber, wie viel Geld wegen Benko durch den Schornstein gejagt wurde. Steuergeheimnis und so.

Benkos „Signa-Monopoly“ Foto: Patrick Guyton

Seine Luxusprojekte hatte Benko hoch bewertet und dafür immer mehr Darlehen bekommen. Die Zinsen waren damals äußerst niedrig, Geld war billig. Dann kam die Krise, der Bau wurde teurer, es herrschte Materialknappheit, die Zinsen stiegen, zugleich sanken die Nachfrage und die Immobilienpreise.

Haus weg, Familie auch

Seit der Signa-Pleite Ende 2023 gibt es kaum ohne Woche ohne weitere Benko-Neuigkeiten. Dass die Ermittler viel Bargeld und Schmuck in einem Geheimversteck bei einem Vertrauten gefunden haben. Dass wohl bald eine erste Anklage erhoben wird von der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft WKSta in Wien.

Diese gilt in Österreich für viele als die einzige furchtlose, hartnäckige Ermittlungsbehörde. Ein Sprecher bestätigt, dass sie Benko so lange in U-Haft halten will, bis ein Prozess beginnt. Benkos Frau hat die Scheidung eingereicht und ist mit den drei kleinen Kindern weg.

Laut Staatsanwaltschaft und Gericht bestehen bei ihm Flucht- und Verdunkelungsgefahr. Viel Geld dürfte er weiterhin in Privatstiftungen gebunkert haben, auch in Liechtenstein. Als er noch frei war, unternahm Benko mutmaßlich vieles, um Vermögen beiseitezuschaffen.

Letzte Station der Tour durch die Villa ist das Erdgeschoss, die Gesellschaftsräume und die angrenzende Profi-Küche. Im Wohnzimmer mit Polsterlandschaft ist ein Mega-Bildschirm in den Kamin eingebaut. Im Speisezimmer mit Platz für zwölf Personen liegt das Besteck, das versteigert wird, auf dem Esstisch.

Im ganzen Haus hängen riesige Lampen an den Decken, extravagant und erlesen. Ein Höhepunkt ist die schwarze Toilette mit eingelassenen Verzierungen aus Gold. In der Küche mit allen erdenklichen Utensilien dürfte Benko kaum je selbst am Kochtopf gestanden haben.

Alles in der Villa in der Via XXV Aprile 68 ist protzig und geschmacklos. Hansi sagt: „Manches hier ist teuer, und anderes ist billig und soll teuer aussehen.“ Bücher gibt es fast gar nicht in dem Haus. Und an den Wänden hängt keine Kunst, sondern Deko.

Die Außenanlage verströmt Morbidität. Der Hubschrauberlandeplatz, der große Pool mit trüb-grünem Wasser. Verlassen ist das kleine Haus für die Security, die beiden Yacht-Anlegestellen verwaist, in einem Schuppen lagern Ferrari-Sammlerstücke, auch die kann man kaufen. Das einstige Reich ist versunken.

Schnäppchen dürften bei der Versteigerung keine gemacht werden, die Menschen geben für diese Devotionalien viel Geld aus. Das Türschild lag am Sonntagmittag bei 800 Euro, das Monopoly bei 600 und das Gold-WC bei 1.400. Die Zuschläge werden am 14. Juli erteilt, bis dahin kann man online alles anschauen und mitbieten unter www.aurena.at.

Verschickt wird allerdings gar nichts, alles Ersteigerte muss wenige Tage später vor Ort abgeholt und abmontiert werden. Wer etwa den fünf Meter langen Steintisch im Garten möchte, muss diesen wohl mit einem größeren Boot vom See aus holen.

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1 Kommentar

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  • Das mit aurora.at überleg' ich mir!

    Sollt' mein Gebot zweitausend heißen,



    dann könnt' ich wie der Benko, na Sie wissen schon.