„Verschwundene“ Menschen in Mexiko: Nur wenige Leichen werden gefunden
Über 26.000 Menschen sind in den letzten Jahren in Mexiko verschwunden. Ermittelt wird nur selten und die Behörden versagen total, kritisiert Amnesty.
BERLIN taz | Das Verschwindenlassen von Menschen ist in Mexiko alltäglich geworden, weil die Behörden diese Verbrechen tolerieren und sich weigern, entschieden durchzugreifen. Das erklärte der Amnesty International-Sprecher Rupert Knox am Mittwoch in Mexiko-Stadt. Seit Beginn des Krieges gegen die Mafia 2006 seien 26.131 Menschen verschwunden.
„Diese schockierende Wirklichkeit kann nicht länger ignoriert werden“, kritisierte der für das Land zuständige Amnesty-Mitarbeiter und forderte die Regierung auf, „die Opfer ausfindig zu machen und die Verantwortlichen zur Rechenschaft zu ziehen – unabhängig davon, ob es sich um Kriminelle oder Beamte handelt“. Erst am Montag wurden im Bundesstaat Guerrero die Leichen dreier Aktivisten gefunden, die zuvor zusammen mit weiteren fünf Personen verschwunden waren.
Mexikanische Menschenrechtsverteidiger haben regelmäßig darauf aufmerksam gemacht, dass immer mehr Personen verschwinden und in vielen Fällen Polizisten oder Soldaten in die Verbrechen involviert sind. Der ehemalige Präsidenten Felipe Calderón hat das Phänomen weitgehend ignoriert und die Opfer pauschal dem kriminellen Milieu zugeordnet. „Sie werden stigmatisiert“, bestätigt Knox. Häufig haben deshalb Angehörige unter hohem Risiko versucht, selbst für Aufklärung zu sorgen. Mehrere wurden auf der Suche nach verschwundenen Verwandten ermordet.
In 40 Prozent aller Fälle, klagt Amnesty, sei nicht einmal ermittelt worden. Dass die Regierung des neuen Präsidenten Enrique Peña Nieto eine Spezialeinheit zur Auffindung der Opfer geschaffen habe, sei „zu begrüßen, aber nicht genug“, sagte Knox. Die Maßnahmen reichten nicht, um das systematische Versagen der Behörden und die Beteiligung von Beamten aufzuklären.
Düngemittel und soziale Maßnahmen
Vor einer Woche verschwanden in Guerrero acht Mitglieder der linken Bewegung Unidad Popular (FUP), nachdem sie in der von der Mafia kontrollierten Stadt Iguala vom Bürgermeister José Luis Abarca Velásquez Düngemittel und soziale Maßnahmen gefordert hatten. Drei von ihnen wurden am Montag ermordet aufgefunden, vier konnten aus der Gefangenschaft ihrer Entführer fliehen. Die FUP macht den Bürgermeister für die Verbrechen verantwortlich.
Schon seit Langem leiden die Menschen in Guerrero unter dem Terror krimineller Banden und korrupter Politiker. Zudem berichten Menschenrechtsorganisationen von zahlreichen Übergriffen des Militärs auf die Zivilbevölkerung. Seit Anfang des Jahres haben sich Einwohner in vielen Gemeinden in bewaffneten Bürgerwehren organisiert, um sich gegen die Mafia zu wehren.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!