piwik no script img

Verschwundene DatensätzeAmerikanische Zugeständnisse an Putin

Die US-Regierung schränkt ihre Untersuchung russischer Kriegsverbrechen weiter ein. Nun wurden Mittel für eine Datenbank zur Beweissicherung gestrichen.

Eine Gedenkfeier für getötete Zivilisten anlässlich des dritten Jahrestages der russischen Invasion in der Ukraine in Butscha Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Washington taz | Die US-Regierung um Präsident Donald Trump beendet nach und nach alle Engagements, die zur Untersuchung und Aufklärung möglicher russischer Kriegsverbrechen in der Ukraine beitragen könnten. Für Experten ist es ein Signal, dass die USA gewillt sind, für ein Friedensabkommen in der Ukraine, den russischen Präsidenten Wladimir Putin für den von ihm veranlassten Angriffskrieg auf die Ukraine nicht zur Verantwortung zu ziehen.

Die US-Regierung hat während der vergangenen Wochen ihre Zusammenarbeit an einem multinationalen Projekt zur Untersuchung von russischen Kriegsverbrechen in der Ukraine beendet, die finanziellen Mittel für eine Datenbank zur Beweissammlung gestrichen und innerhalb des Außenministeriums die Abteilung zur Untersuchung von Kriegsverbrechen verkleinert.

Für diejenigen, die Putin und andere russische Regierungsmitglieder für ihre Verbrechen zur Verantwortung ziehen wollen, sei dies ein „katastrophaler“ Rückschlag, sagte der verantwortliche Direktor eines der betroffenen Projekte in der vergangenen Woche.

„Der Verlust unserer Arbeit ist ein weiterer Gewinn für diejenigen, die die Wahrheit verschleiern und die Verantwortung verhindern wollen“, sagte Nathaniel Raymond, Leiter des Humanitarian Research Lab (HRL) an der Yale University, gegenüber Radio Free Europe/Radio Liberty.

Beweise aus drei Jahren Krieg

Raymond und sein Team hatten innerhalb der vergangenen drei Jahre Beweise für russische Kriegsverbrechen gesammelt und diese in einer Datenbank hinterlegt. Darunter auch der Aufenthaltsort von 35.000 ukrainischen Kindern, die während des Kriegs von der Ukraine nach Russland verschleppt wurden. Die Entführung von Kindern ist ein Kriegsverbrechen. Der internationale Strafgerichtshof hatte bereits im März 2023 einen Haftbefehl gegen Putin wegen genau dieses Tatbestandes erlassen.

Die finanzielle Unterstützung für das Projekt läuft offiziell am 28. März aus. Raymond erklärte jedoch, dass er und sein Team bereits jetzt keinen Zugriff mehr auf die gesammelten Daten haben. Das Außenministerium habe ihnen den Zugang entzogen. Ob die komplette Datensammlung gelöscht wurde oder der Zugang nur beschränkt wurde, ist nicht klar. Ein Pressesprecher der Yale University erklärte gegenüber TAZ, dass man die Entscheidung des Außenministeriums, die Fördermittel zu streichen, nicht kommentieren würde.

Doch die jüngsten Aktionen der Regierung haben auch unter US-Kongressabgeordneten für Alarm gesorgt. „Unsere Regierung bietet einen wesentlichen Dienst an – einen, der nicht den Transfer von Waffen oder Bargeld in die Ukraine erfordert – im Streben nach dem edlen Ziel, diese Kinder zu retten. Wir müssen unsere Arbeit unverzüglich wieder aufnehmen, um der Ukraine zu helfen, diese Kinder nach Hause zu bringen“, hieß es in einem Schreiben Außenminister Marco Rubio und Finanzminister Scott Bessent, welches von 17 Kongressabgeordneten unterzeichnet wurde.

Nur Tage nach dem Aus des Yale HRL, zog sich die US-Regierung auch aus dem von der europäischen Behörde Eurojust geleiteten Projekt zur Strafverfolgung von Kriegsverbrechen (ICPA) zurück. Dies bestätigte die Behörde laut New York Times in einem internen Schreiben.

Vor allem politische Folgen

„Ich bin entsetzt über die Entscheidung des Justizministeriums, die Vereinigten Staaten aus dem Internationalen Zentrum zur Verfolgung von Verbrechen der Aggression gegen die Ukraine zurückzuziehen. […] Die Entscheidung wird es Russland nur leichter machen, sich der Verantwortung für seine abscheulichen Verbrechen an der Ukraine zu entziehen,“ erklärte der demokratische Abgeordnete Steve Cohen.

Für Juraprofessor Robert Goldman passen all diese Vorgänge in das bisherige Narrativ der Trump-Regierung. „Es ist enttäuschend, aber die Trump-Regierung hat, insbesondere im Zusammenhang mit dem ukrainisch-russischen Krieg, deutlich gemacht, auf wessen Seite sie steht,“ sagte Goldman im Gespräch mit TAZ.

Goldman lehrt an der American University in Washington und ist Dekan des dort ansässigen Forschungszentrums für Kriegsverbrechen. Er ist allerdings der Ansicht, dass die Beendigung der amerikanischen Zusammenarbeit am ICAP und die verschwundenen Datensätze vor allem politische Folgen hätte. Für mögliche spätere Anklagen schätzt er den amerikanischen Rückzug als weniger gravierend ein.

„Der Abbruch der Zusammenarbeit ist, bedauerlich, aber ich sehe darin keine Beeinträchtigung der Möglichkeiten der Ukrainer selbst, eines Drittstaates wie Deutschland, der unter das Weltrechtsprinzip fällt, oder des Internationalen Strafgerichtshofs“, sagte Goldman.

Es gäbe laut ihm nur wenige Konflikte, über die so genau berichtet würde und wo so viele verschiedene Organisationen mögliche Kriegsverbrechen dokumentieren wie das beim Krieg in der Ukraine der Fall sein. Am Ende könnte vor allem die Position der USA Schaden nehmen. „Die Politik der Trump-Regierung beruht nicht auf Multilateralismus, sondern auf einseitigem Handeln mit einer sehr engen Definition dessen, was als amerikanische Außenpolitik gilt. Und ich denke, das schadet unserem Ansehen in der Welt sehr.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Wer soll sich noch über die Regierung Trump wundern? Regiert wird nur noch mit finanzieller Erpressung.

    Die USA vertuscht ihre eigenen Kriegsverbrechen seit Jahrzehnten. In dieser Beziehung darf man nicht auf Unrechtsbewusstsein hoffen.

    Wer sensible Daten in einer einzigen Datenbank sammelt kann getrost als naiv bezeichnet werden.

  • Der Ukrainekrieg wird der spanische Bürgerkrieg des 21. Jahrhunderts. Schon damals hat sich die zögerliche Haltung der demokratischen Länder Europas im Nachhinein bitter gerächt.

    • @Platanebanane:

      Leider ja, es ist so...

  • Die US haben eine Tradition darin Kriegsverbrechen zu "übersehen". Der Leutnant, der das Massaker von My Lai in Vietnam zu verantworten hatte, wurde zwar zu einer Haftstrafe verurteilt, doch bald wieder auf freien Fuß gesetzt. Und auch Agent Organge mit all den Folgen wurde nie geahndet. Da ist es kaum verwunderlich, dass sie das auch bei den Russen übersehen - wenn man sich etwas davon verspricht - und die Trump-Junta hat große Pläne....

    • @Perkele:

      Das hätte ich fast vergessen: die Trump-Junta hat alle !! Zurückhaltung bei Kämpfen aufgegeben, die nach internationalem Recht und Abmachungen geboten sind. Der Verteidigungs(?)Minister wurde angewiesen, auf nichts mehr Rücksicht zu nehmen. So viel zu zivilisierten Gesellschaften....

  • "Für Experten ist es ein Signal, dass die USA gewillt sind, für ein Friedensabkommen in der Ukraine, den russischen Präsidenten Wladimir Putin für den von ihm veranlassten Angriffskrieg auf die Ukraine nicht zur Verantwortung zu ziehen."

    Gibt es immer noch Leute, die glauben, das wäre praktisch möglich?

    Dazu kommt, abgesehen von Trumps eigenen territorialen Ambitionen, die USA immer dafür gesorgt haben, dass niemand Amerikaner zur Verantwortung ziehen kann. Diese Position wird jetzt scheinbar auf Russen ausgedehnt.

  • "Und ich denke, das schadet unserem Ansehen in der Welt sehr."



    Und ich denke, da gibt es, wenn überhaupt, nur noch was zu verbessern.