Verschärfung der Ersatzfreiheitsstrafe: Gefangene müssen länger schuften
Der Bund hat Ersatzfreiheitsstrafen erst kürzlich halbiert. Nun reagiert der Berliner Senat mit einer Verschärfung der Regeln für gemeinnützige Arbeit.
![Wachturm, hohe Mauern und Scheinwerfer hinter Maschendraht und Stacheldrahtzaun Wachturm, hohe Mauern und Scheinwerfer hinter Maschendraht und Stacheldrahtzaun](https://taz.de/picture/6855464/14/34716182-1.jpeg)
Grundsätzlich richtet sich die Dauer einer Ersatzfreiheitsstrafe nach der Anzahl der Tagessätze, zu denen Betroffene verurteilt werden. Bis Januar galt: pro Tagessatz ein Tag in Haft. Seit Februar ist es nur noch die Hälfte. Betroffene können die Zeit im Knast weiter verkürzen, indem sie arbeiten – etwa durch Gärtnern oder Reinigungs- und Hausmeisterdienste.
Vier Stunden solcher Arbeit entsprachen in Berlin bislang einem Hafttag. Erst 2021 hatte sich die damals rot-rot-grüne Koalition auf diese Stundenzahl geeinigt, weil die Betroffenen wegen psychischer oder Suchterkrankungen oft nicht in der Lage sind, länger zu arbeiten. Diese Erleichterung will die Justizsenatorin nun kassieren und die Stunden wieder auf sechs erhöhen.
Linke und Grüne im Abgeordnetenhaus sind entsetzt. Der rechtspolitische Sprecher der Linksfraktion, Sebastian Schlüsselburg, warf Badenberg am Dienstag „Ignoranz und Voreingenommenheit“ vor. Er befürchtet, dass mehr Menschen das Programm „Arbeit statt Strafe“ abbrechen könnten und sich so deren Haftdauer erhöht.
„Diese Menschen brauchen soziale Hilfe“
Petra Vandrey, Rechtsexpertin der Grünen-Fraktion, erinnerte an die „multiplen Problemlagen“ der Betroffenen, die ihre Strafe nicht bezahlen können: „Diese Menschen brauchen soziale Hilfe und keine Gefängnisstrafen. Schon gar nicht brauchen sie eine Disziplinierung durch erhöhte Arbeitszeiten.“
Die Justizverwaltung erklärte, sowohl die Verkürzung der Stundenzahl als auch die Halbierung der Haftzeiten hätten das Ziel, den Justizvollzug zu entlasten. Durch beide Maßnahmen zusammen käme es zu einer „doppelten Begünstigung der Verurteilten“. Das müsse „im Hinblick auf die materielle Gerechtigkeit“ vermieden werden. Eine „unnötige Belastung des Vollzuges und des Haushaltes“ sehe man nicht.
Dabei übersteigen die Haftkosten die verhängten Geldstrafen bei weitem: Im Jahr 2022 kostete ein Tag im Berliner Knast den Staat im Schnitt 230 Euro. Gleichzeitig beträgt eine übliche Strafe für wiederholtes Fahren ohne Fahrschein 30 Tagessätze à 15 Euro – also 450 Euro, die Betroffene durch 15 teure Tage im Gefängnis absitzen müssen. In Berlin befanden sich Mitte Februar 348 Menschen zur Verbüßung einer Ersatzfreiheitsstrafe im Gefängnis, viele davon wegen Schwarzfahrens.
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