Verrohung der Sprache in Australien: Senator fordert „Endlösung“
Fraser Anning sprach in seiner ersten Rede im Parlament von einer „Endlösung des Immigrationsproblems“. Dafür erhält er jetzt Kritik – und Zuspruch.
„Migrationsproblem“, „Transnationale Parasiten“, „falsche Flüchtlinge“ – das Vokabular des australischen Senators Fraser Anning war schon vor seiner ersten Rede im Parlament eindeutig. Nun konnte der 68-jährige es aber um einen weiteren, besonders schwierigen Begriff erweitern: Er forderte eine „Endlösung des Immigrationsproblems“ – insbesondere für Muslime.
Als „Endlösung der Judenfrage“ hatten die Nationalsozialisten im Dritten Reich seit 1941 die Vernichtung allen jüdischen Lebens bezeichnet. In Deutschland wird der Begriff „Endlösung“ nur noch in Bezug auf den Holocaust genutzt und auch im Ausland ist die „Final Solution“ ein eindeutig nationalsozialistisch besetzter Ausdruck.
Dennoch beteuerte Anning im Nachhinein, ihm sei der Hintergrund des Nazi-Jargons nicht bekannt gewesen. Entschuldigen oder revidieren wollte er seine Aussage aber nicht. Sein Wunsch habe sich auf eine Abstimmung der AustralierInnen über ein Einreiseverbot für MuslimInnen bezogen.
Anning, der sich öffentlich gegen die Ehe für Alle und Abtreibungen ausspricht, zog im November 2017 für die rechtspopulistische One Nation Party in den Senat ein. Er überwarf sich jedoch mit seiner Partei und wechselte im Juni 2018 zu der extrem rechten Katter's Australian Party – und wurde damit deren erster Senator. Im Mai sorgte er mit einem Tweet für Aufruhr, in dem er muslimische EinwanderInnen als „transnationale Parasiten“ bezeichnete.
Grundstein für Ausgrenzung
Rassismus und geschlossene Grenzen haben in Australien Tradition. Gegründet als Sträflingskolonie auf dem Boden der Aboriginal People, erließ die Regierung mit dem Zusammenschluss zum Australischen Bund 1901 ein Gesetz, in dessen Folge 7500 EinwanderInnen aus der Südsee deportiert wurden. Es war das erste Gesetz in einer langen Reihe von Erlässen unter der sogenannten „White Australia Policy“, die dafür sorgen sollte, die Einwanderung von Nicht-Weißen zu verhindern.
Während des zweiten Weltkriegs bekräftigte der damalige Premierminister John Curtin – den Fraser Anning in seiner Rede übrigens als Vorbild nannte – diese Politik und Australiens Status als „Außenposten der britischen Rasse“.
Schon zuvor legte der Umgang der britischen KolonialistInnen mit den indigenen BewohnerInnen des fünften Kontinents den Grundstein für die spätere Politik der Abweisung und Ausgrenzung: Aboriginal People und Torres-Strait-Insulanern wurde Land geraubt, sie wurden gewaltsam zur Assimilation gezwungen und getötet. Die Aufarbeitung der Verbrechen an indigenen AustralierInnen ist immer noch nicht abgeschlossen. Erst 1965 erhielten sie auch im letzten Bundesstaat, Queensland, das Wahlrecht.
Die „White Australia Policy“ wurde über die Jahre immer weiter gelockert und offiziell 1973 mit dem „Racial Discrimination Act“ beendet. Ihr Vermächtnis aber lebt weiter.
Es hagelt Kritik
In den Neunzigern sperrte man Geflüchtete in abgelegene Internierungslager. Seit 2001 wurde es – mit Unterbrechungen – zur allgemeinen Praxis, asylsuchende Boatpeople auf umliegenden, Australien unterstehenden Inseln oder in ausländischen Lagern unterzubringen, um die Einleitung von Asylverfahren zu umgehen. Menschenrechtsorganisationen kritisieren die australischen Regierungen schon lange dafür.
Für Senator Anning, der seine erste Rede vor dem Parlament dazu nutzte, nostalgisch von den Zeiten der „White Australia Policy“ zu schwärmen und zu erklären, dass „zwar nicht alle Muslime Terroristen, aber sicherlich alle Terroristen Muslime“ seien, hagelte es innerhalb kürzester Zeit Kritik.
Premierminister Malcolm Turnbull und Oppositionsführer Bill Shorten verurteilten die Aussagen des Senators und reichten sich in einer historischen Geste die Hände als Zeichen gegen Rassismus. Turnbull nannte die Wortwahl Annings „eine schockierende Beleidigung an die Erinnerung der sechs Millionen Juden, die im Holocaust starben“.
Sogar die Vorsitzende der rechtspopulistischen One Nation Party, Pauline Hanson, wies jegliche Verbindung zwischen Annings Aussagen und ihrer Partei, der der Senator immerhin viele Jahre angehört hatte, zurück. Die Rede stamme „direkt aus Goebbels Handbuch“, sagte sie. Dabei hatte Hanson selbst schon 2016 davor gewarnt, Australien werde von MuslimInnen überschwemmt. Weitläufig kritisiert wurde sie auch für einen Auftritt im Parlament in Burka, um für ein Verbot zu werben.
Ein heikler Zeitpunkt
Nur einer reagierte begeistert: Annings Parteivorsitzender Bob Katter nannte die Rede „solides Gold“ und sagte, er unterstütze seinen Kollegen zu 1000 Prozent.
Die Worte des Senators kamen zu einem besonders heiklen Zeitpunkt: Nicht mal 24 Stunden später wurde Mehreen Faruqi Australiens erste muslimische Senatorin. „Ich bin mehr als sauer“, schrieb sie auf Twitter. Die Migrantin aus Pakistan nannte Annings Rede gegenüber dem Australian Guardian einen „verzweifelten Versuch, relevant zu bleiben und eine lang vergangene, rassistische Politik wieder aufleben zu lassen“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste