Verlegung der Sommerspiele in Tokio: Das Märchen vom olympischen Dorf
Wegen der Verlegung der Sommerspiele in Tokio hätten die Sportler dort 2021 ein Unterkunftsproblem, behauptet das IOC. Die Fakten sehen anders aus.
Auf Anfrage der taz erklärte das Immobilienunternehmen Mitsui Fudosan Residential, welches das Olympiadorf vermarktet, man habe bisher 940 der 4.145 Wohnungen in den 21 Gebäuden des Neubauviertels auf der künstlichen Insel Harumi verkauft. Jedoch werden die Käufer keineswegs im Herbst dort einziehen. Denn nach der Nutzung durch die Sportler sollten die Apartments zunächst aufwendig umgebaut werden. Die 15.000 Klimaanlagen zum Beispiel werden ausgebaut und für die Tsunamigebiete im Nordosten von Japan gespendet.
Bereits nach der ursprünglichen Planung wären die Olympiawohnungen erst ab 2023 bezugsfertig geworden. Ein weiterer Grund für diese große Verzögerung: Zwischen den jetzigen Gebäuden sind in der Mitte der künstlichen Insel zwei Hochhaustürme mit jeweils 50 Stockwerken und weiteren 1.500 Wohnungen geplant. Sie sollen erst nach den Spielen in den Himmel wachsen. Aber die Käufer der umliegenden Premiumwohnungen mit einem durchschnittlichen Quadratmeterpreis von 7.800 Euro würden jahrelangen Baulärm wohl kaum akzeptieren.
Finanziell verkraftbar
Gegenüber der taz wollte sich ein Sprecher von Mitsui Fudosan nicht dazu äußern, wie sich die Verschiebung der Spiele auf Verkauf und Vermarktung der Wohnungen auswirken wird. Aber alles spricht dafür, dass die Umsetzung des Projekts sich genauso wie die Spiele um bis zu einem Jahr verzögern wird.
Denn die Stadtregierung von Tokio hat ein großes Mitspracherecht. Sie verkaufte das 13 Hektar große Gelände für das Olympiadorf vor vier Jahren zu einem Spottpreis von 108 Millionen Euro an ein Konsortium aus elf Immobilienentwicklern. Der Kaufpreis war sechsmal niedriger als der Marktwert. Der Megarabatt diente als finanzieller Ausgleich dafür, dass die Wohnungen zuerst bei den Spielen genutzt werden dürfen und danach teuer umgebaut werden müssen.
Die Bauherren, darunter alle Top-Firmen der Branche einschließlich Marktführer Mitsubishi Estate, dürften die Verschiebung finanziell verkraften können. „Dadurch erleiden sie lediglich einen Liquiditätsverlust, weil das Geld etwas später hereinkommt“, kommentierte ein ausländischer Immobilienexperte. Nur einige frühe Käufer werden sich betrogen fühlen, weil sie ihre Olympiawohnung nun erst 2024 nutzen können. „Wir müssen akzeptieren, dass wir verspätet einziehen, und erhalten nicht einmal einen finanziellen Ausgleich“, beschwerte sich ein Eigentümer in der Nikkei-Zeitung. Aber die Sportler können sich erst einmal auf ihr olympisches Dorf freuen.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!