piwik no script img

Verlegerin über den Buchmarkt„Wir sind schon seit 20 Jahren pleite“

In Hamburg laden kleine Buchverlage zum zweiten Mal zu einer eigenen Buchmesse. Es fehle an Sichtbarkeit, sagt die Verlegerin Nora Sdun.

Ebenso schwer zu halten wie die unabhängigen Verlage sind unabhängige Buchhandlungen wie diese in Leipzig Foto: dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas
Interview von Amira Klute

taz: Frau Sdun, wie kommt man auf die Idee, einen eigenen Verlag zu gründen?

Nora Sdun: Bei Textem ist das 20 Jahre her. Wenn man irgendwie zusammen rumlungert, gerade fertig mit’m Studium, sich überlegt, was man noch für Quatsch machen kann. Erst mal ging es um Künst­le­r*in­nen­bü­cher und -kataloge. Dann kamen Essays dazu, die um Kulturproduktion kreisen, im weiteren und engeren Sinne. Zusammengefasst: Einen Verlag gründet man nicht aus dem Kalkül, damit Geld zu verdienen, sondern das entsteht aus Netzwerkbegeisterung und einem Bewusstsein dafür, dass man Banden bilden muss.

taz: Viele kleine Verlage sehen sich heute in einer existenziellen Krise.

Sdun: Textem ist schon seit der Gründung vor 20 Jahren pleite und macht trotzdem immer weiter. Niemand, der hier arbeitet, kann davon leben. Das ist ein grundsätzliches Problem vieler unabhängiger Verlage.

taz: Welches Problem ist momentan das größte?

Bild: Suse Bauer
Im Interview: Nora Sdun

*1974, hat Freie Kunst studiert und den Hamburger Textem-Verlag mitgegründet.

Sdun: Eines, das alle haben, ist fehlende Sichtbarkeit. Das liegt an der verschobenen Aufmerksamkeitsökonomie, die auch viel mit Social Media zu tun hat. Viele unabhängige Verlage sind Ein-Mann- oder Zwei-Frau-Betriebe und können das andauernde Klappern und Trommeln auf allen Kanälen nicht leisten. Weniger Sichtbarkeit liegt auch an den schrumpfenden Feuilletons in den Medien: Es gibt immer weniger Rezensionen. Auch werden unabhängige Buchhandlungen weniger – wobei es da in Hamburg ja noch schöne Beispiele gibt.

taz: Was ist mit den steigenden Papierpreisen?

Sdun: Die spielen natürlich auch eine Rolle. Wenn man vor zehn Jahren noch Auflagen von 1.000 Stück gedruckt hat, sind es heute 300. Die Produktionskosten sind gestiegen und es werden weniger unserer Bücher gekauft. Um dem Preisdruck auszuweichen, drucken fast alle Verlage nicht mehr nur in Deutschland, sondern auch im europäischen Ausland, wo es billiger ist. Obendrein lauert Amazon an jeder Weggabelung: Online-Zwischenhändler verdienen Geld mit saftigen Vermittlungspauschalen, ihre Arbeit besteht aber nur darin, Bestellungen an uns weiterzuleiten. Trotzdem ist, glaube ich, kein einziger der Hamburger Verlage nicht auch darüber zu beziehen.

taz: Stichwort Sichtbarkeit: Die ist auch das Anliegen der unabhängigen Buchmesse.

Die Buchmesse

Unabhängige Buchmesse „Fish & Scripts“: Fr, 6. 12., ab 17 Uhr; Sa, 7. 12., 11–19 Uhr, Hamburg, Staats- und Universitäts­bibliothek/Lichthof, Eintritt frei.

Sdun: Daran nehmen 40 Verlage teil. Die meisten sind in der Liste unabhängiger Verlage Hamburg (LuV) organisiert, aber wir haben auch ein paar befreundete Verlage dabei, unter anderem aus Berlin, Weimar und Köln. Die Messe bietet Literatur, Krimis, Kinderbücher, Comics, plattdeutsche Literatur, Philosophie und aktuelle Theorie. Es ist ein grandioses Durcheinander, und es macht Spaß, die kon­trastierenden Programme direkt nebeneinander zu sehen.

taz: Und sonst noch?

Sdun: Die Messe startet am Freitag mit Kabarett von Lisa Politt. Dann stellen die Verlage sich je eine Minute vor und es gibt Gelegenheit, ins Gespräch zu kommen. Am Samstag wird es beim Vortrag über die Geschichte kleiner Verlage auch um die Tücken der Professionalisierung gehen. Die Messe feiert die kleinen Verlage für ihren Eigensinn, auch für ihre Sturheit, und den unverbrüchlichen Glauben ans Lesen als Kulturtechnik.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Naja, wenn ich von meinem "Hobby" Leben möchte dann wird das eng, dann muss ich entweder extrem besser sein oder ich brauche einen Gönner. Bei 40 Verlagen in HH wird das eng. Da die Leserschaft auch kleiner und älter wird und Geld halt nur einmal ausgegeben werden kann bedeutet das für viele Kleinunternehmer das aus.

  • 6G
    626348 (Profil gelöscht)

    Es gibt keine guten Verlage. Es gibt keinen guten Buchhandel. E-Books kosten so viel wie gedruckte Bücher. 50 % des Buchpreises geht an den Handel, der Rest an den Verlag, für Autor'innen bleibt kaum etwas. Habe mittlerweile schon ein schlechtes Gewissen, wenn ich ein Buch kaufe.

  • Die Verlage, und damit meine ich nicht unbedingt die kleinen, haben es über Jahrzehnte versäumt, Ihre gebundenen Ladenpreise an die allgemeine Preisentwicklung anzupassen. Wäre das erfolgt, könnten alle Branchenteilnehmer noch gut von den Büchern leben- Verlage könnten die Druckkosten und die Logistik bezahlen, Buchhandlungen ihre Mieten und Gehälter. Diese Versäumnisse lassen sich leider nicht auf einen Schluck nachholen, das machen die Leser nicht mit. Inzwischen gibt es bei den Preisen eine Tendenz nach oben, das gibt Hoffnung, gilt aber leider fast nur bei Neuerscheinungen.

    • 6G
      626348 (Profil gelöscht)
      @Fabiola:

      Ich empfinde die Preise aktuell als zu hoch. Wer soll sich so noch Bücher leisten können?