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Verlängerung des NSU-ProzessesZurück zu den Mühen der Ebene

Der Weg der Mordwaffe zum untergetauchten Trio steht zur Debatte. Ankläger sehen sich bestätigt, Verteidiger erkennen „Spekulation“.

Alles wie gehabt: Frau Zschäpe interessiert sich nicht besonders – ihre Anwälte etwas steif. Foto: dpa

MÜNCHEN taz | Es ist alles wie früher. Konzentriert befragt Richter Manfred Götzl am Dienstag im NSU-Prozess den einzigen Zeugen, einen Schweizer Ermittler. Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe hört zu, lehnt sich entspannt auf den Tisch. Und ihr Verteidiger Wolfgang Stahl hakt bei dem Polizisten nach, blickt streng.

Wie anders war das Bild noch zuletzt. Bockig attackierte Zschäpe ihre Anwälte, die zogen sich genervt zurück. Ein normales Prozessprogramm – unmöglich. Nun haben sich die Eskapaden gelegt, vorerst. Dennoch haben sie Zeit gekostet. Die Richter verlängern am Dienstag nun ihre geplanten Prozesstermine – bis September 2016. Bisher endeten diese Mitte Januar. Ein Urteil bis dahin ist also nicht mehr wahrscheinlich. Eine „sichere Aussage“, dass das Verfahren aber tatsächlich bis zum Herbst 2016 dauert, sei dies auch nicht, betont eine Gerichtssprecherin.

Die Prozessbeteiligten beunruhigt die Verlängerung nicht. „Trotz aller Show von Beate Zschäpe läuft alles auf eine sehr lange Haftstrafe hinaus“, zeigt sich Nebenklage-Anwalt Mehmet Daimagüler zufrieden. Er vertritt Angehörige der Nürnberger NSU-Opfer Abdurrahim Özüdoğru und Ismail Yaşar. Auch Bundesanwalt Herbert Diemer betont, dass die lange Dauer aufgrund der vielen, über mehrere Jahre verteilten Straftaten „nicht so ungewöhnlich“ sei. Und: „Bisher haben sich unsere Ermittlungen bestätigt.“

Diemers Anklage wirft Zschäpe die Mittäterschaft bei den 10 Morden, 3 Anschlägen und 15 Überfällen des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) vor – als gleichwertiges Mitglied der Terrortruppe. Verteidiger Wolfgang Heer weist auch nach zweieinhalb Jahren Verhandlung die „Maximalanklage“ zurück. Bis heute, sagt er, gebe es keine validen Nachweise, dass Zschäpe tatsächlich von den Taten wusste.

Es wird alles abgestritten

Im Prozess verwiesen dagegen geladene Ermittler auf Fingerabdrücke von Zschäpe auf Zeitungsartikeln zu den NSU-Morden oder auf einem Bekennervideo. In der Wohnung lagen Waffen und Stadtpläne zu ausgespähten Anschlagszielen. Das alles heiße noch nichts, so Heer. „Es kommt am Ende nicht auf Spekulationen an, sondern auf strenge Beweise.“

Am Dienstag zeigen sich im Prozess noch einmal die Mühen des Restprogramms. Das Gericht geht noch einmal dem Weg der Mordwaffe des NSU, einer Ceska-83-Pistole, nach – von der Schweiz bis nach Jena. Ein Schweizer Ermittler berichtet von den Vernehmungen von Peter G. Der soll die Pistole im April 1996 von einer Schweizer Waffenfirma gekauft haben. In Vernehmungen bestritt er dies aber, seine Waffenscheine seien ihm „abhanden gekommen“. Dann behauptete Peter G., die Scheine an einen Bekannten verkauft zu haben – der damit wohl die Ceska erwarb.

Dies, sagt der Schweizer Ermittler, habe auch G.s Frau als „die Wahrheit“ bestätigt. Über zwei Mittelsmänner soll die Waffe nach Jena gelangt sein, in ein Geschäft für rechte Szenekleidung. Allerdings: Auch diese beiden Männer bestreiten, etwas mit dem Waffendeal zu tun gehabt zu haben. Alle Beteiligten eint wohl die Angst, für eine Beihilfe an den Morden verfolgt zu werden.

Klar scheint nur, dass der ebenso angeklagte Carsten S. die Ceska auf Wunsch von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt Ende 1999 im Madley kaufte. S. soll lange Zeit den Kontakt zu den Untergetauchten gehalten haben. Das Geld für die Waffe, 2.500 DM, habe er vom ebenfalls angeklagten Ralf Wohlleben bekommen. Die Ceska übergab S. dann in einem Chemnitzer Abbruchhaus an Mundlos und Böhnhardt. Die starteten damit wenige Monate später ihre Mordserie. Das Gericht wird der Frage der Ceska erneut nachgehen müssen. Zunächst aber ging der Prozess in eine vierwöchige Sommerpause.

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8 Kommentare

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  • So, sehr egehrter Herr Litschko. Nun nochmal die Fragen:

    Woher nehmen Sie die Gewissheit das die übergebene CZ83 die Tatwaffe war?

    Wer hat zwischendurch die gewiss nicht unauffällige Maipulation des (unprofessionell ausgeführten) Nummernausschleifens auf dem Verschluss der Tatwaffe umgesetzt?

    Warum findet sin an der TAtwaffe zwar DNA vom TLKA-Personal, aber nicht von den dringend Tatverdächtigen? Dagegen welchen von "unbekannten Personen"?

    Ich hab die Aktenlage zusammengefasst, Sie reichen bisher Spekualtionen weiter, warum?

  • Teil 4:

     

    CZ83 WaffenNr war unkenntlich, konnte als: 034678 sichtbar gemacht werden.

     

    Tschechischer Beschussstempel von 1993.

     

    Dazu S&B Rundkopfgeschosspatronen LosNr210. Der Schalldämpfer war bei 10 Messschüssen mit funktionsfähiger Waffe noch funktionsfähig.

    Für einen Teil der Delikte wurde allerdings Munition eines brasilianischen Herstellers verwendet.

     

    Merke: DNA-Antrag an den Tatmitteln von mindestens einer unbekannten Person die auf Vermerk nicht weiter bearbeitet werden sollten. Keine DNA oder daktly. Spuren der Tatverdächtigen. AZ: KT31-2011/6242/1

  • Teil 3:

     

    Zur Auffindesituation der CZ83. Mit der Lichtbildvorlage Nr. 978 in der Dokumentaion zur Auffindung wird eine Kurzwaffe (KW) beschrieben: "Pistole...CZ83 mit verm. DNA-fähigem Material, daktyloskop. Spuren." Keine Waffennr und KEIN Auffinder, wie sonst üblich. Lediglich Verweis auf "BePo"!

     

    Im § 256 Gutachten kommt KT31 (BKA) zu dem Resultat: Radom -ein Ermittler + 1 unbekannte Person; CZ83 eine unbek. Person; TT33 meherer unbekannte Personen- Diese Spuren Unbekannter wurden nicht weiter verfolgt. Nach Vermerk durch KT31 solen diese Suren nur recherchiert, aber nichtim Pool erfasst werden! AZ: ZD22- 2011-11638402.

     

    DNA der Tatverdächtigen: Nicht nachweisbar!

  • Teil 2:

     

    Was die angebliche Beschaffungskette angeht, da geht es um eine CZ83 aus einer ganzen Serie die extra mit Schalldämpfern für eine Behörde gefertigt worden waren und weiter veräußert wurden. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kann die an die Uwes durchgereichte CZ83 also aus dieser Serie stammen.

    Ob diese CZ83 allerdings mit dem Tatmittel identisch ist, ist bisher nicht nachweisbar.

     

    Es bleibt auch unklar warum angeblich dieser seltsame Weg voller Mitwisser gewählt worden sein soll. Pläne für Einwegschalldämpfer grassieren in der Szene und solche Kurzwaffen sind -leider- nach wie vor in Osteuropa für einen Bruchteil des angeblichen Kaufpreises erwerbbar.

     

    Wie RA Daimagüler angesichts der Beweislage von "bestätigten Ermittlungen" sprechen kann, bleibt unerfindlich. Weder Kontakt der Geschädigten noch der mutmaßlichen Täter zum Tatmittel ist beweisbar. Fingerabdrücke auf allgemein zugänglichen Drucksachen in der Wohg sind beweisen bestenfalls ein Interesse an den Delikten durch die Z. Warum ist ungeklärt.

     

    Zu den SW-Gutachten mit Nummernproblematik, teilweise unzuordnbaren Projektilfragementen und der unklaren Rolle des sichergestellten Schalldämpfers später.

    • 6G
      65572 (Profil gelöscht)
      @KarlM:

      Jetzt weiß ich was Rainer B. gestern um 14:01 gemeint hat mit:

       

      @KarlM Sie könnten aber auch anders, gell.

       

      Danke für diesen informativen, nachvollziehbaren Kommentar und für die gestrige Literaturliste.

      • @65572 (Profil gelöscht):

        Teil 3:

         

        Welche Waffen wurden sichergestellt:

         

        W01 RADOM VIS Mod. 35 Pat. Nr. 15567

        W02 Pistole ERMA-WERKE Mod. EGP 88 Kal. 8 mm

        W03 Pistole WALTHER Mod. PP, Nr. 322813 P

        W04 Pistole, Made in Czechoslowakia, mit Schalldämpfer, Kal. 7,65 mm, Modell 83

        W05 Pistole ERMA-WERKE Modell EP552S Kal. .22

        W06 Revolver ME FLOBERT COUNT, Kai. 6 mm

        W07 Pistole Nr. 082839

        W08 Pistole ohne Griffschalen, Magazin eingeführt, erkennbare Jahreszahl 1945 Eine TT33

        W09 Revolver Smith & Wesson Combat, 9 mm K, Nr. R 7469470 mit PTB-Kennzeichen

        W10 Repetiergewehr mit abgeschnittendem Schaft

        W11 Maschinenpistole, sne 1952, ohne Magazin, angeklappter Klappschaft, Nr. K 31698

         

        Was sich daran fand, oder nicht kommt noch.

      • @65572 (Profil gelöscht):

        Will mich weiterhin um verständliche Sachverhaltsdarlegung bemühen.

        Das Thema is zu brisant um es naiven Artikeln zu überlassen, bei denen man sich schmerzlich an die bürgerliche Presse zu Zeiten der "RAF"-Verfahren erinnert fühlt!

  • Teil 1:

    Tja, wieder einmal ein Artikel zum Verfahren der einen nur mit Kopfschütteln zurück lassen kann. Mal abgesehen von der im Artikel durchscheinenden Vorverurteilung mag es doch zweckmäßig erscheinen die Faktenlage beim Sachbeweis und die Problematiken beim Sachbeweis zu erläutern.

     

    Da nimmt sich der Verweis auf die geforderten Strengbeweise i.S. der StPO durch den RA Heer geradezu ungewohnt sachlich aus.

     

    Aber der Reihe nach:

     

    Aus den Gutachten im Schusswaffenerkennungsdienst (SW-ED) geht hervor ob ein Projktil oder eine Waffe aufgrund bestimmter Spuren (System, Individualspuren & Schmauchantrag) bei einem Delikt als Tatmittel verwendet wurde.

     

    In diesem Tatkomplex läßt sich so nachweisen das eine bestimmte Kurzwaffe mit großer Sicherheit in den meisten Delikten benutzt wurde. Systemspuren weisen auf eine CZ83, die Individualspuren auf eine bestimmte Waffe hin.

     

    Handeslt es sich bei der Tatausführung zudem um Nah- oder extreme Nahschüsse so sind auf der Waffenoberfläche, im System und an den beschossenen Hülsen zudem Anhaftungen vom Täter, vom Geschädigten sowie Partikel (Sporen, Pollen, mineralische Part.) vorhanden.

     

    In diesem Fall waren in keinem Einzelgutachten Fingerabdrücke, DNA-Spuren oder TO-Spuren an oder in dem Tatmittel oder dem zugeordneten Schalldämpfer nachweisbar. Auch die schwer entfernbaren Ätzspuren durch sauren Schweiß waren nicht vorhanden.

     

    Das läßt derzeit nur die Schlussfolgerung zu dass das Tatmittel an allen Tatorten war, mehr aber nicht.

     

    Was die angebliche Beschaffungskette angeht, da geht es um eine CZ83 aus einer ganzen Serie die extra mit Schalldämpfern für eine Behörde gefertigt worden waren und weiter veräußert wurden. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit kann die an die Uwes durchgereichte CZ83 also aus dieser Serie stammen.

    Ob diese CZ83 allerdings mit dem Tatmittel identisch ist, ist bisher nicht nahweisbar.