Verkehrswende und Corona: Kaffee trinken auf dem Parkplatz

Rund 300 vor allem gastronomische Betriebe in Friedrichshain-Kreuzberg wollen sich mit dem Segen des Bezirksamts auf die Straße ausdehnen.

Könnten bald „on the road“ zum Einsatz kommen: Cafétische Foto: dpa

„Parkplätze zu Restaurants“ – so heißt das jüngste Projekt des Straßen- und Grünflächenamts (SGA) von Friedrichshain-Kreuzberg nicht offiziell, man könnte es aber durchaus so nennen. Wie die taz jetzt erfuhr, haben rund 300 Gastronomiebetriebe, aber auch soziale Projekte beim Bezirksamt Interesse angemeldet, den Service auf die Parkspur vor ihren Lokalen auszudehnen. Am Sonntagabend endete dafür die Frist.

Mit der geplanten Maßnahme will der Bezirk im Zuge der Coronalockerungen sicherstellen, dass die Restaurants, Cafés oder Projektträger ihr Angebot nicht zu stark einschränken müssen, ohne dadurch die Abstandsregeln im Fußverkehr aufs Spiel zu setzen. Nach dem aktuellen Plan sollen die vorgelagerten Straßenparkplätze immer freitags bis sonntags von 11 bis 22 Uhr für Autos gesperrt werden. Die Betriebe können dann auf den frei werdenden Flächen weitere Tische aufstellen.

„Wir bereiten jetzt das Genehmigungsverfahren vor und schreiben die Interessenten dann an“, sagte SGA-Leiter Felix Weisbrich am Montag der taz, „ganz so schnell wird es aber auch nicht gehen.“ Dass das Kfz-Tabu schon am kommenden Wochenende in Kraft trete, sei „eher unwahrscheinlich“.

Es würden auch keine ganzen Straßen gesperrt, versicherte Weisbrich. Das war ursprünglich als Lösung für Gegenden angedacht worden, in denen sich ein Gastronomiebetrieb an den nächsten reiht. Betroffen hätte das Straßen, in denen sich bei den Meldungen nun tatsächlich Cluster gebildet haben: in Kreuzberg die Bergmannstraße und die Gegend rund um den Oranienplatz, in Friedrichshain die Simon-Dach-Straße und den Boxhagener Platz.

Schon Erfahrung gesammelt

Die Bezirksämter können solche Umnutzungen selber anordnen. Dabei spielen allerdings Sicherheitsbelange eine wichtige Rolle, bestätigt auch Weisbrich. Die Extrazonen auf dem Fahrbahnrand würden mit Warnbaken abgesperrt und markiert: „Da haben wir ja mit den temporären Radspuren schon viel Erfahrung gesammelt.“

In der Bergmannstraße könnte es nun dazu kommen, dass die stark umstrittenen und schließlich entfernten „Parklets“ der einstigen Begegnungszone in immaterieller Form wiedererstehen. Wichtig ist dem SGA-Leiter dabei: Die „Terrassen“, wie das Amt die temporären Schankflächen auf Parkplätzen auch nennt, behinderten nicht die Bewegungsfreiheit auf dem Gehweg, im Gegenteil: „Das Ziel ist ja gerade, dass der Fußverkehr mit ausreichendem Abstand gelebt werden kann.“ Auch aus Lärmschutzgründen sei für die „Terrassen“ um 22 Uhr Schluss, auch wenn die Öffnungszeiten der Betriebe weiter ausgedehnt werden sollten.

Die „Terrassen“ sind schon der dritte verkehrspolitische Vorstoß des SGA Friedrichshain-Kreuzberg in der Coronakrise. Seit Ende März wird auf Hauptstraßen „pandemieresiliente Radinfrastruktur“ markiert, damit Radfahrende Platz haben – andere Bezirke haben die „Pop-up-Bikelanes“ kopiert. Und seit zwei Wochen werden an den Sonntagen temporäre Spielstraßen geschaffen, um Kindern drängelfreie Bewegung zu ermöglichen.

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