Verkehrsstudie für Baden-Württemberg: Kretschmann in der Klima-Bredouille
Eine Untersuchung fordert radikale Schritte zur CO2-Reduzierung. Busse und Autos sollten hauptsächlich Elektromotoren haben.
Tatsächlich kam die Veröffentlichung durch die Stuttgarter Zeitung Kretschmann höchst ungelegen. Konterkariert die Studie unter Federführung des BUND doch seine Bemühungen der letzten Monate, die Automobilindustrie in der Dieselkrise zu stabilisieren und den „sauberen Diesel“ als Übergangstechnologie anzupreisen. Die Zahlen lassen wenig Raum für Kompromisse, wie sie Kretschmann zwischen Klima und Mobilität sucht. Danach kann das Land seine Klimaziele bis 2050 nur erreichen, wenn Elektromobilität sowohl beim Individualverkehr als auch bei Bussen und Bahnen die beherrschende Technik wird.
Gleichzeitig muss der Anteil der fossil betriebenen Fahrzeuge drastisch sinken: der von Carsharing und privatem Pkw-Verkehr von heute 57 Prozent des Gesamtverkehrs auf nur noch 19 Prozent. Den Hauptanteil des Verkehrs würden dann mit 60 Prozent Fußgänger oder Fahrradfahrer ausmachen.
Erreichbar sei das nur durch „restriktive Maßnahmen“ wie eine „intelligente, von der Fahrleistung und ökologischen Kriterien abhängige Maut“, höhere Bußgelder, flächendeckendes Tempo 30, die Umwidmung von öffentlichem Parkraum und eine Reform der Dienstwagenbesteuerung, heißt es in der Studie.
85 Prozent weniger Autos
Das würde für Baden-Württemberg einen radikalen Umbruch bedeuten. Die Zahl der Pkws müsste sich bis 2050 um 85 Prozent verringern, mit entsprechende Folgen für Industrie und Arbeitsplätze. Diese könnten in vergleichbarer Zahl nur erhalten bleiben, wenn die Industrie rund um Stuttgart durch Forschung und entsprechende Fertigungstiefe gesichert werde. Die Studie legte noch einmal offen, wie stark das Leben im Südwesten heute vom Automobil geprägt ist. So ist der Autobestand mit 580 Pkws auf 1.000 Einwohner deutlich höher als im Bundesschnitt (532 Autos).
Es dürfte der Regierung schwerfallen, die Studie als Einzelmeinung eines Naturschutzverbandes abzutun. Auftraggeber ist die Landesstiftung Baden-Württemberg. Deren Vorsitzender heißt Winfried Kretschmann.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Nach Absage für Albanese
Die Falsche im Visier
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Treibhausgasbilanz von Tieren
Möchtegern-Agrarminister der CSU verbreitet Klimalegende
Ägyptens Pläne für Gaza
Ägyptische Firmen bauen – Golfstaaten und EU bezahlen