Verkehrspolitik in Madrid: Ein Parkplatz für saubere Luft
Tiefgarage an einem Park, Verkleinerung der Umweltzone: Wie der Bürgermeister von Madrid die Verkehrspolitik seiner Vorgängerin zurückdreht.
![Frau auf einem Roller vor Bäumen Frau auf einem Roller vor Bäumen](https://taz.de/picture/3990704/14/Retiro-1.jpeg)
Sein neuester Plan: Ein unterirdisches Parkhaus mit 1.000 Stellplätzen direkt neben dem größten innerstädtischen Park aus dem 17. Jahrhundert, dem Parque del Buen Retiro – „Park der guten Erholung“ – kurz Retiro. Das würde „den Verkehr mindern“ und somit „die Luftverschmutzung verringern“; es mache die Innenstadt „nachhaltiger“.
Anwohner, Umweltschützer und Opposition sehen das ganz anders. „Ein Parkhaus zieht zusätzlichen Verkehr an“, ist sich Felix Sánchez, Sprecher des Anwohnervereins, sicher. „Die Luftbelastung ist hier so hoch wie sonst nirgendwo in der Innenstadt. Sie liegt deutlich über den europäischen Grenzwerten“, beschwert sich der 51-Jährige. Die Grenzwertüberschreitung rief schon den Unmut der EU-Kommission in Brüssel hervor. Doch Drohungen millionenschwerer Bußgelder dürften Almeida wenig stören. Denn diese zahlen nicht die Gemeinden, sondern die spanische Regierung.
In dem betroffenen Gebiet in Madrid liegen drei Krankenhäuser, darunter die größte Kinderklinik Spaniens. Sánchez macht sich auch Sorgen um den 118 Hektar großen Park. „Ein Parkhaus stellt eine riesige unterirdische Staumauer dar. Der Grundwasserzufluss wird unterbrochen, die Jahrhunderte alten Bäume könnten Schaden nehmen“, fürchtet der Biologe. Fünf Karrees lang soll das Parkhaus werden.
Ein neuer Plan für die Umweltzone
Rita Maestre ist Sprecherin von Más Madrid, der Partei, die im vergangenen Jahr zwar erneut die Wahlen gewann, aber nicht genug Stadträte erzielte, um das Rechtsbündnis verhindern zu können. Sie wirft Almeida vor, „die Anwohner hinters Licht führen“ zu wollen. So spreche der Bürgermeister immer wieder von einer hohen Nachfrage nach Anwohnerstellplätzen. Tatsächlich stehen gerade einmal 156 Pkw-Besitzer auf einer Warteliste. „Über 800 Parkplätze bleiben für den Durchgangsverkehr“, rechnet Maestre vor.
Der Verkehr nimmt vor allem am Wochenende zu. Nicht nur die Parkbesucher kommen im eigenen Auto. Im Gebiet entlang des Retiros machen immer mehr gehobene Tapas-Bars und Restaurants auf. Maestre fürchtet außerdem um eines der Lieblingsprojekte der einstigen linksalternativen Stadtregierung, der sie als rechte Hand der Bürgermeisterin Manuela Carmena angehörte. Der Retiro und die nahe Museumsstraße Paseo del Prado sollen zum Unesco-Kulturerbe werden. Das Parkhaus könnte jetzt „diese Kandidatur endgültig zunichte machen“, beschwert sich Maestre.
Für Paco Segura, Sprecher der Umweltschutzorganisationen Ecologistas en Acción, ist das Parkhaus ein Beweis mehr, dass Almeida alles nur mögliche tut, um „zusätzliche Anreize für die Nutzung des Autos zu schaffen“. Kaum im Amt, wollte er das von den Linksalternativen erlassene weitgehende Fahrverbot in die Innenstadt aussetzen. Ecologistas en Acción erzielte eine einstweilige Verfügung dagegen.
Fahrzeuge ohne Umweltplakette dürfen in Innenstadt
Jetzt hat Almeida einen neuen Plan. „Madrid Central“, wie die bisherige Umweltzone heißt, soll „Madrid 360“ weichen. Fahrzeuge ohne Umweltplakette dürfen dann wieder in die Innenstadt, wenn sie mit zwei oder mehr Passagieren unterwegs sind. Umweltauflagen für Lkws und Lieferwagen werden zurückgenommen. „Sobald die neue Normen vom Stadtrat angenommen werden, ziehen wir erneut vor Gericht“, sagt Segura.
Almeida schwimmt gegen den Strom der Zeit. Die spanische Umweltministerin Teresa Ribera hat noch für dieses Frühjahr ein neues Umweltgesetz angekündigt. Darin sollen alle Gemeinden mit mehr als 50.000 Einwohnern verpflichtet werden, eine Umweltzone einzurichten. Vorbild ist ebenjenes „Madrid Central“, das Almeida abschaffen möchte.
Felix Sánchez, Sprecher des Anwohnervereins
Da sich Protest gegen sein Parkhaus rührt, hat Almeida mittlerweile neue Maßnahmen nachgeschoben, die die „Nachhaltigkeit“ seines Projekts unter Beweis stellen soll. So sollen über der Erde zwei Busspuren sowie ein Fahrradweg entstehen. Im Parkhaus selbst will er Ladestationen für E-Autos installieren.
Und um zu zeigen, dass die Anwohner ein Parkhaus brauchen, schickt er ein Umfrageteam von Tür zu Tür. Sie sollen mögliche Kunden suchen, die sich mit Namen und Adresse in eine Warteliste eintragen. Was dabei herauskommt, ist unklar. Nur so viel steht fest: Eine Onlinepetition gegen das „Makro-Parkhaus Retiro“ wurde mittlerweile von über 45.000 Anwohnern unterzeichnet.
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