Verkehrspolitik in Spaniens Hauptstadt: Madrider Umweltzone gekippt

Die Maßnahme verbesserte die Luft in Spaniens Hauptstadt spürbar – doch nun kassierte sie ein Gericht. Für den Bürgermeister ist das ein Problem.

Verkehr auf der Gran Via in Madrid

Juristisches Hickhack um den Verkehr: die viel befahrene Gran Via in Madrid Foto: imago

MADRID taz | Einen Schuss in den Fuß nennen die Spanier das, was Madrids Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida passiert ist. Auf Deutsch: Der Konservative hat sich mit seiner Umweltpolitik einen klassischen Schuss ins Knie eingefangen. Almeida klagte 2018, damals noch als Oppositionschef, gegen die Verkehrsberuhigung der Innenstadt durch seine linksalternative Vorgängerin Manuela Carmena. Nun lenkt er seit zwei Jahren dank eines Bündnisses mit den rechtsliberalen Cuidadanos (Cs) und der Unterstützung der rechtsextremen Vox die Geschicke der spanischen Hauptstadt.

Am Dienstag fällte die höchste Instanz, der Oberste Gerichtshof Spaniens, sein Urteil. Madrid Central – so der Name der 472 Hektar großen Umweltzone, in die nur Anwohner sowie Fahrzeuge von außerhalb ab Euro-3-Technik bei Benziner und Euro-4 bei Dieselfahrzeugen einfahren dürfen, wenn sie ins Parkhaus gehen, ist rechtswidrig.

Das Urteil fiel nicht etwa wegen der Verkehrsbeschränkungen, sondern weil die Ausgaben für Madrid Central nicht den strengen Sparauflagen durch das damalige Finanzministerium genügen würden. Die Kosten für Madrid Central beliefen sich auf 0,2 Prozent des städtischen Haushaltes. Außerdem hatte Madrid zum damaligen Zeitpunkt einen Haushaltsüberschuss und zahlte die Schulden, verursacht durch die frühere Rechtsregierung, ab. Gegen das Urteil ist kein Widerspruch mehr möglich. Nach einer Frist von zwei Monaten tritt es endgültig in Kraft.

Der Konservative Almeida hatte 2019 gegen Madrid Central Wahlkampf gemacht. Seine Vorgängerin Carmena verpasste knapp die Mehrheit. Das nun regierende Rechts-Rechts-Rechtsaußen-Bündnis hat seither drei Stadträte mehr als die einstige Koalition von Carmenas Más Madrid (Mehr Madrid) und den Sozialisten.

Drohung aus Brüssel

In einem ersten Schritt ließ Almeida im Sommer 2019 die Kameras an den Zufahrten zur Innenstadt abschalten. Damit konnten wieder alle Autos ohne Beschränkung in die Innenstadt fahren. Die Umweltorganisation Ecologistas en Acción erreichte allerdings eine einstweilige Verfügung dagegen, Madrid Central war wieder in Kraft. Das hatte Auswirkungen auf die Schadstoffe in der Luft. Die Stickoxidbelastung ging tatsächlich um 20 Prozent zurück. Die Umweltzone in Madrid ist damit eine der erfolgreichsten in Europa.

Die Drohung aus Brüssel, Spanien mit einem millionenschweren Bußgeld zu belegen, falls die Luftverschmutzung in den Städten nicht zurückgehe und einem Gesetz der spanischen Regierung, nach dem ab 2023 alle Gemeinden über 50.000 Einwohner eine Umweltzone brauchen, ließen Almeida umdenken. Auch sein Koalitionspartner Cs drängte auf eine Umweltzone. Die Stadtverwaltung arbeitet nun seit Monaten an einer neuen Norm. Diese entspricht in etwa Madrid Central, bis auf die drei kostenlosen Buslinien und ein paar Erleichterungen für Besitzer von Geschäften und Kneipen in der Innenstadt.

Bewohner der Innenstadt und Umweltverbände befürchten jetzt eine enorme Zunahme des Verkehrs. Denn während Bürgermeister Almeida erklärt, dass das Einfahrverbot in die City weiterhin gelte und weiter Bußgeldbescheide verschickt würden, bestehen Anwaltskanzleien, die von Widerspruchsverfahren gegen Knöllchen leben, darauf, dass die seit 2019 ausgestellten 1,4 Millionen Bußgeldbescheide illegal seien. Sollte das Rathaus diese tatsächlich zurückzahlen müssen, werden über 100 Millionen Euro fällig.

Almeida kündigte nach dem Urteil an, dass seine neue Norm im Juli in Kraft treten werde. Seine rechtsliberale Stellvertreterin Begoña Villacís fordert derweil die Bürger auf „so zu tun, als wäre Madrid Central weiterhin in Kraft“.

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