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Verkehrsplanung in AltonaRadfahrer unerwünscht

Die Polizei will den Radverkehr am Bahnhof Altona verbieten, weil sich Fußgänger beklagen. Bezirkspolitiker und ADFC fordern eine andere Lösung.

Radfahrer sollen vorläufig südlich um den Bahnhof Altona herum fahren - damit es keinen Ärger mit den Fußgängern gibt Bild: dpa

Am Bahnhof Altona tummeln sich täglich zahlreiche Fußgänger, Bahnreisende und Radfahrer. Weil die Radfahrer am Bahnhof Altona aus der Sicht der Polizei die Fußgänger dabei gefährden, greift sie zu einer schlichten Lösung und will den Radverkehr dort kurzerhand verbieten. Der Vorschlag stößt auf harschen Gegenwind bei Radfahrern und Politik.

Konkret geht es um den Gehwegbereich um den Bahnhof herum. Das Areal gilt schon seit Langem als Problemzone, weil sich hier nicht nur Fußgänger und Radfahrer in die Quere kommen. Auch zwischen Bahnhof, Busbahnhof und den Taxiständen fehlt eine Übersicht für die vielen Passanten.

Bereits Anfang Februar gab die Straßenverkehrsbehörde die Anordnung, das Gebiet für Radfahrer zu sperren. Doch umgesetzt wurde das bisher nicht – die Radweg-Schilder wurden noch nicht abgehängt.

Ob das wirklich passiert, ist unklar. Denn es gibt Kritik an der geplanten Maßnahme: Dirk Lau, der Sprecher des ADFC Hamburg wirft der Polizei unbedachten Aktionismus vor, es handele sich um eine „Schnellschusslösung“.

Wie es zu Unfällen kommt

So häufig waren folgende Vergehen die Ursache für Verkehrsunfälle im Jahr 2013:

Fehler beim Abbiegen, Wenden, Rückwärtsfahren: 26 Prozent

Falscher Sicherheitsabstand: 8,9 Prozent

Zu hohe Geschwindigkeit: 7,5 Prozent

Vorfahrt missachtet: 3,9 Prozent

Fahren auf falscher Fahrbahn: 1,6 Prozent

Alkoholeinfluss: 1,2 Prozent

Rote Ampel ignoriert: 1,1 Prozent

Fußgänger nicht beachtet: 1 Prozent

Der Verkehrsausschuss der Bezirksversammlung Altona forderte die Verwaltung am Montag auf, einen Vorschlag für die Radwegführung rund um die Ottenser Hauptstraße zu erarbeiten. Bis dahin wird mit einem vom Bezirksamt vorgeschlagenen Provisorium Vorlieb genommen, das eine Radführung südlich des Bahnhofs Altona vorsieht.

In dem Gremium gab es keine Begeisterung für das Vorhaben der Polizei: Ein Verbot sei vollkommen unverständlich, meint Eva Botzenhart von der Grünen-Fraktion. Es gebe schlicht keinen Anlass und bei einem solchen Vorhaben „muss schon eine Alternative geliefert werden. Man kann nicht einfach ignorieren, dass es den Radverkehr nun mal gibt“. Ute Naujokat (SPD) mahnte, das Thema nicht zu einem Konflikt „Fußgänger gegen Radfahrer“ verkommen zu lassen.

Die Polizei beruft sich auf eine Online-Befragung des Bezirksamts Altona. In der klagten 64 Prozent der Radfahrer über Konflikte mit Fußgängern. Laut Polizei geht es bei diesen Fällen vorrangig um Kollisionen von Passanten mit Radfahrern. In der Anordnung selbst steht, dass die Unfalllage unauffällig sei.

Das Gebiet sei nun mal Verkehrsknotenpunkt in Altona, sagt hingegen ADFC-Sprecher Lau. Es müsse jetzt eigentlich darum gehen, Lösungen für eine bessere Situation für alle zu suchen, statt mit einem Verbot zu reagieren und die Radfahrer dabei schlicht unter den Tisch fallen zu lassen. „Hamburgs Polizei ist in großen Teilen leider immer noch sehr autofixiert und versteht unter Verkehr immer noch Autoverkehr“, so Lau.

Der ADFC beklagt, von der Verkehrsbehörde keine konkreten Angaben zu Unfällen im Bereich des Bahnhofs zu erhalten, außer der, dass an 60 Prozent der Unfällen Radfahrer beteiligt sind. „Genaue Unfallzahlen liegen der Polizei offenbar nicht vor – es wurden entweder keine Erhebungen gemacht oder sie rückt nicht mit den Zahlen raus.“ Die Verkehrsbehörde weist in einem Schreiben darauf hin, dass die Dunkelziffer nicht bekannt sei, da Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern von den Beteiligten oft nicht als Verkehrsunfall wahrgenommen werden.

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6 Kommentare

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  • Schade, aber (in-)menschlich verständlich, dass Radfahrer sich häufig in diesem Bereich und sogar im Bahnhofsdurchgang wie Autofahrer als "überlegene" und bevorrechtigte Verkehrsteilnehmer fühlen. Sehr oft sind sie überaus rücksichtslos. Dazu sollte auch der ADFC sich vielleicht einmal eine Kampagne ausdenken, es stünde ihm gut an.

    • @Nikolausi:

      Radfahrer werden dort, wie auch an vielen aderen Stellen in Hamburg aber auch einfach genötigt sich "überaus rücksichtslos" zu verhalten. Was in Hamburg oft vergessen wird, ist, dass das Fahrrad ein sehr weit verbreitetes Verkehrsmittel ist dem auch angemessen Platz geschaffen werden muss. Es kann nicht sein, dass man als Radfahrer ständig sich aberwitzigen Radwegführungen hingeben muss (siehe etwa Dammtor oder Jungfernstieg) und dann gleichzeitig als Rüpel gegenüber Fußgängern dargestellt wird.

       

      Wird dann eben ein Bereich wie in Altona am Bahnhof auch für Radfahrer geöffnet, haben sie auch ein Recht dort längszufahren. Dass Füßgänger dann auch aufpassen müssen, sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Das wird aber oft leider vergessen. In erster Linie wäre es aber Aufgabe der Stadtplanung ein praktikables Radwegsystem zu errichten. (In Kopenhagen klappt das doch auch.)

       

      Wenn die Polizei nun den Weg dort sperren will (Hallo Gefahrengebiet?), wird es wirklich abenteuerlich am Bahnhof vorbeizukommen. Vielleicht sollte Hamburg sonst generell Fahrräder verbieten. Dann wird es keine Probleme mehr zwischen Füßgängern und Radfahrern geben und auf der Straße können die freien Bürger frei fahren.

      • @Martin Sonnewald:

        @GAST : Genötigt wird kein einziger Radfahrer. Auch die Autofahrer werden reihenweise genötigt "Umwege" zu fahren, weil aufgrund der Stadtbebauung einfach mehr nicht drin ist.

        Der übliche Vergleich mit Kopenhagen hinkt wie immer, da Kopenhagen ca. 6.607 Einwohner/km2 hat, Hamburg aber nur 2.312 Einwohner/km2. Sprich: Die Hamburger müssen viel weitere Wege zurücklegen. Und denke dabei nicht nur an die Leute, die innerhalb des Ring 2 wohnen (wie Du wahrscheinlich auch), sondern denke an die Mehrheit, die in den äußeren Bezirken und darüber hinauswohnen. Von Rahlstedt zum Jungfernstieg sind es nämlich ca. 15 km, die wohl auch Du kaum täglich mit dem Rad fahren würdest.

        • @CR43:

          Wer sagt denn auch, dass alle Teile Hamburgs die gleiche Art von Fahradwegenetz benötigt? Die Struktur der Fahrradwege sollte sich an Zentren und Nebenzentren orientieren und eben nicht pauschal schlecht sein.

          Die Bevölkerungsdichte von ganz Hamburg nennen, dann aber doch mit Innenstadt und Randbezirken argumentieren ist etwas unpassend. Eimsbüttel 17.530 Einwohner/km², Poppenbüttel 2761 Einwohner/km².

          • @Martin Sonnewald:

            Hallo Gast 1, die Argumentation ist sehr passend, da Deine Zahlen genau meine Argumentation unterlegen. In einer dicht bebauten Stadt funktionieren solche Radkonzepte tatsächlich, nur muss man eben aufpassen, dass die Leute, die von "außerhalb" kommen nicht abgeschnitten werden. Und in der von mir angesprochenen Region (Ring 2) leben eben insgesamt weniger Menschen als in der Flächen drum herum. Und genau diese Mehrheit würde dadurch deutlich benachteiligt, wenn Vorteile für eine relativ kleine Gruppe geschaffen wird (Radfahrer machen im Moment weniger als 20% des Verkehrs aus - bei Regen noch weniger). Mal abgesehen davon, dass das Einzugsgebiet der Innenstadt weit über die Stadtgrenzen hinaus geht.

            Aber die von Dir vorgeschlagene "Zentrierung" ist zweifelsohne eine gute Idee, nur sollte diese nicht immer zu Lasten der Autofahrer gehen.

            • @CR43:

              Tut mir leid, wenn ich jetzt so hereinschneie, aber die Bevölkerungsdichte ist hier wirklich unbrauchbar. Gerade wenn man Hamburg mit Kopenhagen vergleicht, da es hier nur um Wohnorte gibt. Nach der Argumentation dürfte man in der Innenstadt längere Wege haben, weil dort kaum jemand statistisch wohnt. Gleichzeitig nimmt man selbst den Hafen, die Vier- und Marschlande sowie das Wattmeer um Neuwerk mit hinzu. Und da wundert man sich nicht einmal, dass Stadtteile wie Niendorf eine höhere Dichte haben als Hamburg im Schnitt, obwohl sie überwiegend von Einfamilienhäusern geprägt sind und viele Grünflächen besitzen (in diesem Falle das Gehege und ein paar Acker für Pferdezucht).

               

              Gleichzeitig nimmt man eine Stadt wie Kopenhagen, deren Agglomeration mehr als doppelt so groß ist, weil nur der innere Bereich administrativ als Kopenhagen zählt. Das wäre in der Tat so, als würde man Hamburg auf den Ring 2 reduzieren und alle anderen Stadtteile zu Gemeinden von Niedersachsen und Schleswig-Holstein machen. Schwupps, Hamburgs Dichte schießt in die Höhe, aber am täglichen Verkehr ändert sich rein gar nichts.