Verkehrsbetriebe in der Krise: BVG macht massiv Miese
Die landeseigene BVG hat 2024 einen Verlust von fast 56 Millionen Euro eingefahren. Auch für das laufende Jahr sehen die Prognosen düster aus.
Das geht aus einem nicht-öffentlichen Bericht der Senatsfinanzverwaltung an das Abgeordnetenhaus hervor, der der taz vorliegt. Und demnach läuft bei den BVG-Finanzen fast nichts mehr nach Plan.
Deutlich wird das etwa bei den Ausgleichszahlungen für das Deutschlandticket und die Berliner ÖPNV-Extrawurst 29-Euro-Ticket. Hatte der Konzern ursprünglich mit 296 Millionen Euro von Land und Bund für 2024 gerechnet, flossen am Ende nur 194 Millionen Euro in die BVG-Kassen.
Auch sonst zeichnet das Dokument, über das zuerst das Portal Business Insider berichtet hatte, ein düsteres Bild von der Lage bei der BVG. Nicht zuletzt im Bereich der U-Bahn wird noch mal aufgelistet, was nicht funktioniert: von der überalterten Fahrzeugflotte über Verzögerungen bei der Beschaffung von Ersatzteilen bis zu den Lieferproblemen bei neuen U-Bahnen.
Im Ergebnis führe die Fahrzeugmisere zusammen mit dem Personalmangel und dem hohen Krankenstand im Fahrdienst „zu überfüllten Zügen, langen Wartezeiten und Anpassungen bei den Fahrplänen“ und damit zur „Unzufriedenheit der Fahrgäste“, bilanziert der Bericht das für BVG-Kund:innen seit Langem Offensichtliche.
Weg? Welcher Weg?
Die Bestandsaufnahme widerlegt letztlich auf eindrückliche Weise die jüngsten Einlassungen von Verkehrssenatorin Ute Bonde (CDU) zur BVG-Krise. „Krise? Welche Krise?“, hatte Bonde Mitte Februar gesagt. 95 Prozent aller Berliner:innen erreichten in fünf Minuten eine Haltestelle, neue Busse und Bahnen würden geliefert.
Das alles sei, so Bonde vor gut einem Monat, der schwarz-roten Landesregierung zu verdanken: „Endlich gibt es einen Senat, der den richtigen Weg einschlägt. Es gibt nichts zu meckern.“
Weg? Welcher Weg? Angesichts des Berichts sieht die verkehrspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion, Antje Kapek, bei der Senatorin „einen besorgniserregenden Realitätsverlust“. Das Dokument bestätige die „alarmierenden Risiken“ für die BVG. Der Senat müsse jetzt „die geplanten Haushalts- und Investitionskürzungen zurücknehmen“ und „sich klar zu höheren Finanzmitteln im Verkehrsvertrag bekennen“, fordert Kapek.
Kristian Ronneburg, der Verkehrsexperte der Linksfraktion, mahnt zugleich an, dass Schwarz-Rot endlich anfängt, bei Investitionen „intelligent“ zu priorisieren. Dazu gehöre zum Beispiel preiswerteren und schneller zu realisierenden Straßenbahnplanungen den Vorrang einzuräumen vor neuen U-Bahnstrecken. „Aber genau das macht der Senat ja nicht“, sagt Ronneburg zur taz.
Revision des Verkehrsvertrags
Die Verkehrsbetriebe selbst richten ihren Blick erst mal auf die anstehende Revision des besagten Verkehrsvertrags mit dem Land Berlin. Aktuell geht der Konzern noch davon aus, dass für ihn nach der Neuverhandlung mehr Geld herausspringt als bisher. Konkret plant man für 2026 und die Folgejahre mit jeweils über 630 Millionen Euro aus dem Verkehrsvertrag – ein Plus von mehr als 130 Millionen gegenüber dem laufenden Jahr.
Ob es zu dem gewünschten Zuschlag kommt, steht freilich in den Sternen. Schon im Sommer 2024 hatte der SPD-Chefhaushälter Torsten Schneider erklärt, in den Verkehrsverträgen stecke vor allem „grüne Fantasiepolitik“ drin, „lauter Fata Morganas“. Das werde sich Schwarz-Rot bei Gelegenheit „ansehen“.
Die BVG warnt denn auch schon vor den Konsequenzen möglicher Kürzungen: „Sollten die geplanten Ausgleichsbeträge in der Höhe durch das Land Berlin aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht gezahlt werden, besteht für die BVG ein erhebliches Finanzierungsrisiko.“
Das ist freundlich formuliert. Antje Kapek von den Grünen sieht bereits „die gesamte BVG in Gefahr – bis hin zur Pleite“.
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