■ Verkauf der Leuna-Raffinerie: Jetzt sind auch noch die Akten aus dem Kanzleramt spurlos verschwunden. Es kann nur die CDU nach der verlorenen Wahl gewesen sein. Ex-Kanzleramtsminister Bohl weist die Schuld natürlich empört und mit aller Entschiedenheit von sich: Wieder will es keiner gewesen sein
Der ehemalige Chef des Bundeskanzleramtes, Friedrich Bohl, steht unter einem bösen Verdacht: Während seiner Amtszeit sind brisante Unterlagen auf mysteriöse Weise aus der Behörde verschwunden. „Die Akten sind weg – jetzt müssen wir herausbekommen, wer sie hat verschwinden lassen“, sagte Frank Hofmann, SPD-Obmann im Untersuchungsausschuss „Parteispenden“ zur taz.
Er geht davon aus, dass Ex-Kanzleramtschef Friedrich Bohl oder einer seiner Untergebenen brisantes Material, das die Bestechlichkeit der ehemaligen CDU-Regierung beweisen würde, vernichtet haben. Seit Wochen suchen Mitarbeiter des Kanzleramtes nach fehlenden Akten zur Privatisierung der ostdeutschen Leuna-Raffinierie.
Hofmann hält es für „völlig unwahrscheinlich“, dass die Papiere erst beim Regierungsumzug nach Berlin verloren gegangen sind. „Die politische Verantwortung für das Verschwinden der Unterlagen“, so Hofmann, „trägt Friedrich Bohl“. Doch der mimt den Unschuldigen: Er schließe „praktisch aus“, dass in seiner Amtszeit bis 1998 Akten über die Leuna-Privatisierung vernichtet worden seien. Er habe so etwas nie angeordnet und könne sich nicht erklären, wo die Papiere hingeraten sein könnten. Außerdem: Das Vernichten der Unterlagen hätte keinen Sinn gemacht, weil Kopien dem früheren Untersuchungsausschuss „DDR-Vermögen“ vorliegen.
Genau das aber bestreiten die SPD-Abgeordneten, die im damaligen Ausschuss saßen: Friedhelm Julius Beucher hatte die Unterlagen damals angefordert und angeblich nicht komplett bekommen: „Die Regierung hat uns ganz gezielt wesentliche Akten vorenthalten. Deshalb konnten wir nicht alles aufklären.“
Bei der Privatisierung der Leuna-Raffinerie seien möglicherweise Bestechung und Subventionsbetrug im Spiel gewesen. In einem vertraulichen Vermerk über ein Gespräch zwischen Vertretern der an der Privatisierung beteiligten Firmen Thyssen und Elf Aquitaine werde zum Beispiel „eine abgestimmte Vorgehensweise bezüglich der Bearbeitung der politischen Seite in Bonn“ erwähnt.
Die Chance, dass die fehlenden Akten wieder auftauchen, ist gering. Damals, so Beucher, seien sie nicht weitergeleitet worden und hätten im Kanzleramt „Aktenprüfungs-Ehrenrunden“ gedreht. Inzwischen sind sie vermutlich im Reißwolf gelandet. Nach der Bundestagswahl seien im Kanzleramt „massenhaft Akten und Festplatten“ vernichtet worden.
Der Vorsitzende des neu eingerichteten Untersuchungsausschusses, Volker Neumann, SPD, ergänzte, wer Akten verschwinden lasse, mache sich strafbar. Und Christian Ströbele, Obmann der Grünen im Untersuchungsausschuss, erinnerte daran, „dass bei der französischen Justiz, die sich auch mit dem Fall Elf Aquitaine befasste, eingebrochen worden ist und Akten gestohlen wurden.“
Gegenüber der taz sagte der Rechtsanwalt, er könne sich durchaus vorstellen, dass so etwas auch in Deutschland geschehe. Er hoffe, dass die Staatsanwaltschaft Augsburg, die zur Zeit im Besitz der wichtigsten Unterlagen sei, Vorsorge getroffen habe.
Unterdessen hat die Augsburger Behörde Ermittlungen wegen der angeblichen Schmiergelder des Elf-Konzerns beim Kauf von Leuna aufgenommen. Auch die Schweizer Justiz versucht aufzuklären, welche Summen an wen geflossen sind. Seit Jahren wird darüber spekuliert, ob die Firma auch die damals regierende CDU bestochen hat, um an das lukrative Minol-Tankstellennetz in der Ex-DDR und die üppigen Staatssubventionen zu kommen. Es ist die Rede von Schmiergeldern in Höhe von 85 Millionen Mark.
Der damals zuständige Verkehrsminister Günther Krause (CDU) sagte, der Unterhändler von Elf Aquitaine, Dieter Holzer, habe den Verkauf der Leuna-Raffinerie arrangiert und dafür eine Provision von 50 Millionen Mark bekommen. Holzer habe außergewöhlich gute Kontakte zu höchsten politischen Stellen gehabt.
CDU-Chef Wolfgang Schäuble und Altkanzler Kohl versicherten dennoch, beim Leuna Geschäft seien keine unrechtmäßigen Zahlungen geflossen. Schäuble sagte: „Ich habe überhaupt keine Anhaltspunkte, dass die CDU da etwas zu befürchten hat. Aber ich weiß natürlich nicht, was da sonst alles gewesen ist. Das soll der Untersuchungsausschuss prüfen.“
Ex-Kanzleramtschef Bohl beteuerte: „Ich kann definitiv ausschließen, dass die Entscheidung der Bundesregierung käuflich war.“ Es sei keine „Geldzuwendung erfolgt, die uns in unserer Entscheidung beeinflusst hat.“ Diesen Satz könnte man allerdings auch so verstehen, dass die CDU Geld bekommen hat, obwohl sich die Regierung sowieso für Elf Aquitaine entschieden hätte.
Einer, der es wissen könnte, ist Ex-Treuhandchef Klaus Schucht. Der SPD-Politiker hat über die ganze Transaktion akribisch Tagebuch geführt. Bislang weigert sich Schucht allerdings, die Aufzeichnungen herauszurücken: „Sie könnten mir zwei Millionen bieten und ich würde sie nicht rausholen.“ Tina Stadlmayer, Berlin
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