Verhetzung und Strafrecht: Streit um Schutz für Muslime
Die neue Strafnorm gegen „verhetzende Beleidigung“ soll nach dem Willen der CDU/CSU nur Gruppen mit NS-Verfolgungsschicksal schützen.
Konkret geht es um verhetzende Emails oder Briefe, die an Einzelpersonen, Initiativen oder Verbände geschrieben werden. Da wird die erneute Vergasung von Juden propagiert, den Muslimen der Tod gewünscht und Homosexuelle werden als „Perverse“ geschmäht. Alles strafbar? Von wegen.
So können individuell zugesandte Nachrichten nicht als „Volksverhetzung“ bestraft werden. Denn eine Volksverhetzung liegt laut Strafgesetzbuch nur vor, wenn die Aussage „der Öffentlichkeit zugänglich“ gemacht wurde oder wenn sie geeignet ist, „den öffentlichen Frieden zu stören“.
Auch eine „Beleidigung“ ist in der Regel nicht gegeben, weil hier gegen Gruppen gehetzt wird und nicht gegen konkrete Personen. Eine Kollektivbeleidigung ist laut Bundesverfassungsgericht bisher nur strafbar, wenn der Adressatenkreis überschaubar ist.
Die Strafbarkeitslücke
Schon im Frühjahr 2020 hat Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, auf diese Strafbarkeitslücke zwischen Beleidigung und Volksverhetzung hingewiesen. Es gelang ihm, Thorsten Frei, Fraktions-Vize der CDU/CSU, und Eva-Högl, damaliges Pendant bei der SPD, zu überzeugen. Seitdem verhandeln die Regierungskoalitionen über einen neuen Strafparagrafen.
Offiziell wurde das Vorhaben erstmals im November 2020. Damals beschloss der Antifa-Kabinettsausschuss der Bundesregierung eine Liste mit 89 Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Mit dabei: „Erarbeitung von Regelungsvorschlägen zur Strafbarkeit von verhetzenden Beleidigungen“.
Diskutiert wird nun ein neuer Paragraph 192a im Strafgesetzbuch. Danach würde sich strafbar machen, wer die Menschenwürde anderer angreift, indem er bestimmte Gruppen verächtlich macht oder verleumdet. Die Koalition hat sich aber noch nicht auf einen gemeinsamen Entwurf geeinigt.
CDU will Schutz begrenzen
Hauptstreitpunkt ist die Frage, welche Gruppen und welche Personen hier vor Angriffen geschützt werden sollen. CDU-Mann Frei will den Anwendungsbereich der Norm eng halten. „Nicht jede Kollektivbeleidigung soll strafbar sein“, sagte er zur taz. Die Union will den Schutz der Norm daher auf die Mitglieder von Gruppen begrenzen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden.
Das hält die SPD jedoch für falsch. „Dann wären ja Muslime nicht erfasst“, warnt Johannes Fechner, rechtspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Nach den Morden von Hanau und der Anschlagsserie des NSU, die jeweils auf Muslime abzielten, sei es nicht vertretbar, ausgerechnet Muslime beim Schutz der neuen Norm auszunehmen.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags hat im Januar geprüft, ob die Beschränkung der Strafnorm auf Gruppen mit NS-Verfolgungs-Geschichte rechtlich möglich wäre und hat dies bejaht. Der Gesetzgeber habe einen weiten Gestaltungsspielraum. Die Annahme sei „nicht willkürlich“, dass Gruppen, die im Nationalsozialismus verfolgt wurden, auch heute noch besonders schutzwürdig sind, so das Kurz-Gutachten, das der taz vorliegt.
Zentralrat will keine Exklusivität
Politisch ist der bisher kaum bekannte Vorschlag der CDU/CSU aber konfliktträchtig. „Es ist brandgefährlich, die Strafbarkeit auf nur einige betroffene Gruppen zu beschränken und dadurch den Eindruck zu erwecken, der Staat würde zwischen Betroffenen der ersten und zweiten Klasse unterscheiden“, kritisiert Deniz Nergiz, Geschäftsführerin des Bundeszuwanderungs- und Integrationsrats (BZI).
Auch der Zentralrat der Juden will keinen Exklusivschutz für Jüdinnen und Juden. „Es ist selbstredend, dass ein solcher Straftatbestand nicht eine bestimmte Gruppe, sondern alle Opfer schützen soll.“
Thorsten Frei geht davon aus, dass eine Einigung noch in dieser Wahlperiode möglich ist. „Die CDU/CSU ist an der Realisierung der neuen Strafnorm genau so interessiert wie die SPD.“
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