Verhandlungen zur Ukraine: Die Planänderung
Verhandler der USA und Europas, darunter Ukrainer, arbeiten in Genf daran, den „Friedensplan“ umzuschreiben. Der amerikanische Außenminister spielt den Wert des Dokuments herunter.
Am Montag haben Verhandler der USA und der Ukraine in Genf den zweiten Tag über einen sogenannten Friedensplan gesprochen. In einer gemeinsamen Erklärung zeigten sich die USA und die Ukraine zuversichtlich über die Fortschritte der Verhandlungen. Demnach haben sich beide Länder darauf geeinigt, dass ein künftiges Abkommen mit Russland die Souveränität der Ukraine bewahren und einen „nachhaltigen und gerechten Frieden“ liefern müsse. In den kommenden Tagen soll die Arbeit an dem Plan weitergehen.
Was derzeit in Genf stattfindet, ist im Grunde eine US-ukrainische Revision jenes 28-Punkte-Dokuments, das am vergangenen Mittwoch geleakt, und dann von US-Unterhändlern vorgestellt worden war. Der Plan, der vom US-Sondergesandten Steve Witkoff und seinem russischen Gegenpart ausgehandelt worden sein soll, wäre Kritikern zufolge einer Kapitulation der Ukraine gleichgekommen.
So sollte die Ukraine unter anderem die Gebiete Donezk und Luhansk in Gänze an Russland abtreten, woraufhin sie international als de facto russisch anerkannt worden wären. Mit der Rede von „Nazi-Aktivitäten“ in der Ukraine wiederholte der Plan russische Propagandapunkte, zudem sollte dem Land vorgeschrieben werden, innerhalb von 100 Tagen Neuwahlen abzuhalten.
Bundeskanzler Merz
Wie der US-Journalist Michael Weiss schreibt, könnte der russische Verhandler Kirill Dmitriev hinter der Vorabveröffentlichung des Plans stecken.
Verhandlungserfolge in Genf
US-Präsident Trump setzte der Ukraine eine Frist, dem Plan bis Donnerstag zuzustimmen. Erneut warf er dem ukrainischen Präsidenten Selenskyj Undankbarkeit vor. US-Außenminister Marco Rubio wiederum spielte die Bedeutung des Dokuments herunter. Es handele sich dabei zwar um ein US-Dokument, allerdings nur um einen Vorschlag – über den jetzt verhandelt werde, wenn nötig auch über den Donnerstag hinaus.
In Genf sprach Rubio von „enormen Fortschritten“, wobei die offenen Punkte „nicht unüberwindbar“ seien. Was die Themen „Nato“ und „EU“ betrifft, sicherte Rubio den verbündeten Staaten zu, man werde ihre Meinung dazu einholen. Bundesaußenminister Johann Wadephul sagte am Morgen im Deutschlandfunk, alle Nato- und EU-Fragen seien mittlerweile aus dem ursprünglichen Plan gestrichen worden.
Währenddessen versuchen auch die europäischen Staats- und Regierungschefs, ihre gemeinsame Haltung zu stärken. Am Montag berieten sie sich am Rande des EU-Afrika-Gipfels in der angolanischen Hauptstadt Luanda dazu. Bundeskanzler Friedrich Merz zeigte sich erfreut über die Modifizierungen des russlandfreundlichen Plans. Gleichzeitig rechnete er nicht mit einem schnellen Ergebnis. „Frieden in der Ukraine gibt es nicht über Nacht“, sagte Merz in Luanda. Der nächste Schritt müsse sein, dass Russland mit an den Tisch komme, damit ein richtiger Verhandlungsprozess beginnen kann.
Es bleibt jedoch unklar, ob Russland auf der Grundlage eines Kompromissvorschlags überhaupt zu ernsthaften Verhandlungen bereit sein wird, oder ob Putin, wenn er nicht seine Wunschliste bekommt, den Krieg lieber weiterführen willl.
Souverän und unversehrt
Am Montag sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow, der russischen Regierung lägen noch keine Informationen zu den Gesprächen in Genf vor. Auch seien für diese Woche keine Gespräche russischer und US-amerikanischer Unterhändler geplant.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen betonte in Luanda, dass die territoriale Unversehrtheit und die Souveränität der Ukraine respektiert werden müssten. Nur die Ukraine selbst könne über ihre Armee entscheiden. Sie kündigte an, dass die Ukraine-Unterstützergruppe sich am Dienstag in einer Videokonferenz zu Gesprächen treffen will. Zu der sogenannten Koalition der Willigen gehören neben Deutschland und Frankreich auch Nicht-EU-Staaten wie Norwegen oder Großbritannien.
Die ukrainische Delegation kehrte nach Angaben Selenskyjs am Montag aus Genf zurück nach Kyjiw, wo sie dem Präsidenten am Abend Bericht erstatten soll. Danach wolle man über die weiteren Schritte entscheiden. Der ukrainische Parlamentspräsident Ruslan Stefantschuk – selbst Mitglied von Selenskyjs Regierungspartei – äußerte sich bei einem Besuch in Schweden zu den Verhandlungen. Die Ukraine würde eine formale Anerkennung besetzter Gebiete, eine Begrenzung ihrer Verteidigungskräfte und Einschränkungen für künftige Bündnisse nicht akzeptieren, sagte Stefantschuk.
In der Nacht von Sonntag auf Montag griff Russland die Ukraine erneut mit Drohnen an. In Wohngegenden der zweitgrößten ukrainischen Stadt Charkiw wurden laut Behörden vier Menschen getötet. Zwei Kinder und elf weitere Menschen wurden demnach bei den Angriffen verletzt. Laut dem Leiter der regionalen Militärverwaltung, Oleh Synjehubow, wurden acht Wohngebäude, eine Bildungseinrichtung und Stromverbindungen beschädigt.
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