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Verhandlungen um Griechenland-HilfeDie Zeit wird knapp und knapper

Die EU-Kommission schafft es nicht, sich mit Griechenland zu einigen. Athener Regierungskreise nennen die Forderungen „absurd“.

Tsipras und Varoufakis in Athen. Foto: dpa

Brüssel afp | Bei den Verhandlungen im Schuldenstreit zwischen Griechenland und den internationalen Geldgebern rückt eine Pleite des Landes in greifbare Nähe. Am Sonntagabend ging in Brüssel nach Angaben der Europäischen Kommission eine weitere Verhandlungsrunde ohne Einigung zu Ende. Es bestünden weiterhin „bedeutende Meinungsverschiedenheiten“ zwischen beiden Seiten, sagte ein Kommissionssprecher. Ende des Monats läuft das internationale Rettungsprogramm für Griechenland aus.

Kommissionschef Jean-Claude Juncker habe am Wochenende einen „letzten Versuch“ gestartet, eine Einigung zwischen Athen und seinen Gläubigern herbeizuführen, sagte der Sprecher der EU-Kommission. Doch trotz einiger Fortschritte lägen die Strategie der griechischen Regierung und die Forderungen der Geldgeber zu weit auseinander. „Die griechischen Vorschläge bleiben unvollständig“, bemängelte der Sprecher. Juncker sei aber weiterhin „überzeugt“, dass eine Einigung bis Monatsende möglich sei.

Laut EU-Kommission muss Athen jährlich noch „bis zu zwei Milliarden Euro“ zusätzlich einsparen. Auf dieser Grundlage würden die Diskussionen nun innerhalb der Eurogruppe fortgesetzt, sagte der Kommissionssprecher. Deren Finanzminister treffen sich am Donnerstag in Luxemburg, auch die Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, ist dabei.

Griechenland droht die Pleite. Ende Juni läuft das derzeitige Hilfsprogramm aus, zudem muss Athen 1,6 Milliarden Euro an den IWF zurückzahlen.

„Absurde“ Forderungen

Die Gläubiger hatten Athen in der vergangenen Woche Bedingungen für die Auszahlung zurückgehaltener Hilfsgelder in Höhe von 7,2 Milliarden Euro genannt. Aus griechischen Regierungskreisen hieß es am Sonntag erneut, die Forderungen seien „absurd“. Ein Regierungsvertreter sagte der Nachrichtenagentur AFP, die Verhandlungen hätten nur 45 Minuten gedauert.

Insbesondere der IWF sei für die Lage verantwortlich. Dessen Haltung sei „kompromisslos und hart“, weil er weiter auf neuen Einschnitten bei den Renten und Löhnen und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer bestehe. Am Donnerstag waren die IWF-Vertreter aus Verdruss über die anhaltenden Differenzen aus Brüssel abgereist – am Wochenende saßen sie aber gemeinsam mit Vertretern von EU-Kommission und Europäischer Zentralbank (EZB) wieder mit am Tisch.

IWF-Chefökonom Olivier Blanchard schrieb in einem am Sonntag vom IWF veröffentlichten Blog, beide Seiten müssten „harte Entscheidungen treffen und schwierige Verpflichtungen eingehen“. Er bekräftigte die Forderung an Athen nach einer Erhöhung der Mehrwertsteuer und Rentenkürzungen. Von den Europäern verlangte er einen neuen Hilfsplan für Griechenland sowie entschiedene Schritte, um die Rückzahlung der griechischen Schulden zu erleichtern.

Der Wochenzeitung Realnews hatte der griechische Finanzminister Giannis Varoufakis bereits vor dem Scheitern von Junckers Bemühungen erklärt, er halte auch eine Einigung ohne den IWF für möglich, wenn dieser „inakzeptable Forderungen“ stelle, „um seinen Ausstieg aus den Verhandlungen zu rechtfertigen“.

Varoufakis will mehr Zeit

In der Bild-Zeitung vom Montag forderte Varoufakis für sein Land längere Laufzeiten zur Schuldentilgung und einen Schuldenerlass. Einen Grexit bezeichnete er als unwahrscheinlich. Der Schuldenstreit könne „in einer Nacht“ gelöst werden, wenn Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dabei sei.

Dagegen machte eine EU-Quelle die griechische Seite für die Blockade verantwortlich. Die Unterhändler seien mit „den Händen in den Taschen“ und nur „geringen Zusagen“ zu den Gesprächen erschienen.

Scharfe Kritik an der Regierung in Athen übte auch Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Gabriel schrieb in einem Beitrag für die Bild-Zeitung vom Montag: „Nicht nur die Zeit wird knapp, sondern überall in Europa auch die Geduld.“ Im ARD-“Bericht aus Berlin“ warnte Gabriel, Deutschland und die EU ließen sich nicht erpressen.

Wegen der festgefahrenen Situation hatten die Euroländer am Donnerstag erstmals offiziell über eine Pleite Athens beraten. Laut der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung kündigte EU-Kommissionspräsident Juncker Vorbereitungen für ein Ausscheiden Athens aus der Eurozone an, sollte es nicht rasch positive Signale geben.

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7 Kommentare

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  • Hier steht: "Insbesondere der IWF sei für die Lage verantwortlich. Dessen Haltung sei „kompromisslos und hart“, weil er weiter auf neuen Einschnitten bei den Renten und Löhnen und einer Erhöhung der Mehrwertsteuer bestehe."

     

    Hier haben Tsipras und Varoufakis recht, denn der IWF hat John Maynard Keynes und den Grund vergessen warum der Internationale Währungsfond (IWF) im Juli 1944 in Bretton Woods geschaffen wurde.

    Zitat: "Wie Argentinien in den 1990 'er Jahren und Europa nach dem Crash 2008 feststellte, dass in einer Währungsunion Handels- und Kapitalflüsse über Jahrzehnte unausgeglichen bleiben können." Daran hatte Dominique Strauss-Kahn (IWF) erinnert und zu Keynes' ursprünglicher Idee zurückzukehren, weil das die einzige Lösung für die Turbulenzen in der Weltwirtschaft nach 2008 sei.

    Wenn der IWF diese seine Aufgabe des Überschussausgleichs nicht wahrnimmt, ist eine Währungsunion stark gefährdet bis die Union zerbricht. Siehe John Maynard Keynes "Allgemeine Theorie der Beschäftigung, des Zinses und des Geldes.

    Aber unbändige Gier macht halt dumm!

  • Was solls? SYRIZA versucht eigentlich nur, das von Armut gebeutelte griechische Volk .. aus dem Sumpf zu ziehen.. Das Problem sind die Banken und die geldreiche griechische Elite, die sich abgesetzt hat..

    Die Töne aus Berlin und Brüssel, gegen die Wünsche von SYRIZA ..

    ..sind einfach `uneuropäisch´ .. gegen den Geist der "Europäischen Familie von Nationen" gerichtet!

    Im Sinne von `Familie´: Hellas ist ein EU Problemkind (oder ein Opfer der neoliberalen EU/EURO Euphorie ?)

    ..wie auch immer: HELLAS muss (!) die EU familiäre Solidarität und Hilfe geniessen um die Krise zu überwinden!

    ..der gesamte EU ideologisch/ästhetische Unterbau.. mit Schillers Ode an die Freude als Leitmelodie...

    (die Hoffnung der EU...)

    würde durch einen Schock des Grexit..

    zu einem möglichen Zerfall der EU führen!

  • An der Stelle von Schäuble Juncker und tagesschau wäre ich so dumm und würde es auf Neuwahlen ankommen lassen. Mit der KKE verhandelt es sicher noch besser.

  • Herr Juncker könnte doch Luxemburg auffordern die den Griechen gestohlenen Steuern zurückzuzahlen. Auch griechische Firmen haben vom Steuerparadies LUX, für das Juncker mehr als 17 Jahre verantwortlich war, profitiert.

  • Die Pleite Griechenlands rückt näher und die gesitig träge Mehrheit kan sich das erst vorstellen, wenn es schon so weit ist.

     

    Wir müssen uns derweil keine Sorgen machen um die deutschen Gläubiger. Für sie sorgt der deutsche Steuerzahler selbst dann, wenn zum Beispiel die Waffengeschäfte mit Griechenland durch Korruption eingeleitet wurden und ein unvorstellbares und unverantwortbares Maß hatten: Die Griechen wurden zu einem der Hauptabnehmer deutscher Waffen!

     

    Und auch um korrupte Politiker beider Seiten müssen wir uns keine Sorgen machen. Die durften ihr Geld behalten und blieben alle straffrei. Oder wurde jemand bestraft, während die Medien über die Korruption berichteten?

     

    Einzig und allein müssen wir uns um uns selber Sorgen machen.

  • Alles nur Kino, alles halb so schlimm.

  • Was für eine absurde Situation:

    Griechenland redet über einen grundlegenden Systemwechsel

    EU/EZB und IWF um eine Anpassungsprozess in einem bestehenden System.

     

    Und alle sagen dass der andere sich bewegen muss und behauptet es ginge um Details.

     

    Fazit: Wird es einen Systemwechsel geben?

    Bei den politisch positionierten Akteuren: Ausgeschlossen!

     

    Meine Meinung: Gut so!

    Ein erfolgreicher Systemwechsel aus diesem Zeitdruck und aus diesen Zwängen heraus; aus diesem "gar nicht wissen was richtig ist" heraus; mit dogmatischen Parolen und Extrempositionen: Risiko schlägt Chance!

    Sorry, Griechenland!