piwik no script img

Verhandlungen um Geisel-Waffenruhe-DealHamas will US-Israeli freilassen

Zusätzlich sollen die Leichen von vier bisher unbenannten Doppelstaatlern nach Israel überführt werden. Israels Premier Netanjahu reagiert empört.

In Tel Aviv wird für seine Freilassung demonstriert: US-Israeli Idan Alexanders Gesicht als Plakat (ganz rechts) Foto: Oded Balilty/ap

Berlin taz | Die Hamas hat sich nach Angabe israelischer Medien bereiterklärt, Idan Alexander freizulassen. Der damals 19-Jährige US-israelische Doppelstaatler war am 7. Oktober von einer Armeeposition nahe des Gazastreifens entführt worden. Er absolvierte dort seinen Wehrdienst, seine Familie lebt in den USA. Außerdem sollen die Körper vier toter Geiseln, ebenfalls Doppelstaatler, nach Israel überführt werden. Nach Angaben von Haaretz lässt sich die Hamas damit auf einen Vorschlag der Mediatoren zwischen Israel und der Terrormiliz ein.

Die israelische Regierung reagierte prompt – und erbost: Wie Times of Israel berichtet, warf das Büro von Premier Benjamin Betanjahu der Hamas vor, einen umfassenderen Vorschlag des US-Sondergesandten Steve Witkoff abgelehnt zu haben. Weiter beschuldigte es die Terrormiliz der psychologischen Kriegsführung.

Es war die erste Bewegung in den festgefahrenen Geisel-Waffenruhe-Verhandlungen seit längerem. Bis Freitag befand sich ein israelisches Verhandlungsteam in der katarischen Kapitale Doha, die nun nach Hause beordert wurde. Am Samstagabend soll in Israel zu den Entwicklung getagt werden, so Netanjahus Büro. Auch der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff wohnte den Verhandlungen in dieser Woche bei.

Seit Beginn des Monats ist die erste Phase des Geisel-Waffenruhe-Abkommens offiziell beendet: In dieser Zeit wurden hunderte palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen im Gegenzug für insgesamt dreiunddreißig Geiseln – Frauen, Kinder, ältere Männer und sogenannte „humanitäre Fälle“ – freigelassen. Acht der Geiseln waren nicht mehr am Leben, darunter auch die getötete Shiri Bibas mit ihren beiden kleinen Kindern. Die Waffenruhe hält noch an – zumindest relativ. Jüngst häuften sich israelische Luftangriffe in Gaza, beinahe täglich finden sie mittlerweile statt. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte galten sie Militärzielen, unter anderem Militanten, die versuchten eine Sprengfalle zu platzieren. Nach palästinensischen Angaben sollen auch Zivilisten von den Angriffen betroffen sein.

Seitdem wird verhandelt: Wie soll es weitergehen?

Nach Berichten der Times of Israel steht derzeit ein Vorschlag des Gesandten Witkoff im Raum: Er sieht die sofortige Freilassung von zehn lebenden Geiseln, einen Waffenstillstand bis zum Ende des Pessach-Festes vor – sowie die Freilassung aller weiteren Geiseln, falls denn eine Einigung über ein Ende des Krieges erzielt wird. Während Israel den Witkoff-Vorschlag akzeptiert habe, bewege sich die Hamas mit ihrem Plan, nur einen Lebenden und vier Tote zu übergeben, keinen Millimeter, so das Büro Netanjahus.

Witkoffs Plan stimmt überein mit israelischen und US-amerikanischen Vorstellungen: Demnach soll die erste Phase der Waffenruhe verlängert werden, weitere Geiseln freigelassen. Die Hamas und die arabischen Vermittler bestehen auf den ursprünglichen Plan. Nach diesem soll sich an die erste Phase eine Zweite und Dritte anschließen, in denen unter anderem die Frage nach einer Kontrolle des Gazastreifens post-Krieg besprochen werden sollen. Hier sind die Graben zwischen Israel und Hamas logischerweise besonders groß.

Im Raum stehen außerdem der Vorschlag von US-Präsident Donald Trump, der vorsieht, dass der Gazastreifen wieder aufgebaut wird – ohne Palästinenser. Die sollen in arabische Staaten umsiedeln. Nach jüngsten Medienberichten sollen die USA sogar Gespräche mit afrikanischen Staaten dazu geführt haben. Am Freitag verneinte Somaliland solche Gespräche. Der unter Ägyptens Ägide und von den arabischen Staaten befürwortete Plan sieht wiederum vor, dass der Gazastreifen palästinensisch bleibt. Ägyptische Firmen sollen den Aufbau übernehmen, die Golfstaaten und der Westen finanziell beteiligt sein.

Derzeit befinden sich wohl noch 24 Geiseln in Gaza. Sie sind alle männliche, 22 sind Israelis, einer Nepali, einer Thai. Alle wurden am 7. Oktober 2023 entführt. In Israel macht das Forum der Geiselangehörigen weiter Druck auf die Regierung: Ihre Lieben sollten so bald wie möglich freikommen – im Rahmen einer Weiterführung des Deals.

Hinweis: Der Text wurde mit fortlaufendem Kenntnisstand aktualisiert.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • "Hamas will US-Israeli freilassen"

    Für mich sieht das so aus, als würde/könnte Herr Trump Möglichkeiten gegenüber der gazanischen Regierung und ihrer Kämpfer andeuten/ankündigen, über die die israelische Regierung nicht verfügt. Meiner Meinung nach ist es sehr bedauerlich, dass die us-amerikanische Regierung das nicht für alle Geiseln erreichen konnte.

  • Wie wäre es denn mal, wenn die Palästinenser "vor ihrer Haustür kehren" und einfach mal dafür auf die Straße gehen, dass die Hamas den Thai und den Nepali schon mal freilassen.

    Die beiden gefangen zu halten, ist besonders absurd, weil sie Netanjahu und seine Regierung nicht interessieren.

    Aber so viel Mitmenschlichkeit ist vermutlich zuvielverlangt.

    Voll links, solidarisch und progressiv.

    • @rero:

      "... dass die Hamas den Thai und den Nepali schon mal freilassen."

      Ich habe beim Lesen auch darüber nachgedacht, weshalb die gegnerische Kriegspartei diese beiden Männer nicht freilässt. Entsprechend deren dem Iran angelehnten Feindbild "müssten sie eigentlich" eher die US-amerikanischen Geiseln behalten, während die Freilassung der thailändischen und nepalesischen Geisel naheliegend ist.

      Ich würde gerne wissen, was sie für die Freilassung der us-amerikanischen Geiseln im Gegenzug erhalten, da dies ein eventueller Hinweis auf eine Schwäche der gazanischen Regierung und ihrer Kämpfer wäre ... und deren Schwächen interessieren mich sehr. (Nicht die moralischen Schwächen, die sind für mich entsprechend meines Wertegerüstes, das nicht mit denen anderer übereinstimmen muss, offensichtlich.)

  • "Golfstaaten und der Westen finanziell beteiligt sein."

    Warum soll der Westen und die Golfstaaten bezahlen?

    "Allein die weltweiten Firmenbeteiligungen der Terrorgruppe sollen einen Wert von mindestens 500 Millionen US-Dollar haben, so eine Schätzung des US-Finanzministeriums."

    www.zdf.de/nachric...en-israel-100.html

    Das wäre schon ein guter Anfang für den Wiederaufbau.

    • @Pawelko:

      Warum sollte nicht die Besatzungsmacht Israel mit ihrem Gesamtvermögen von



      1,4 Billionen $ (Quelle USB, 2022) dafür aufkommen? Würde ausreichen.



      Als Besatzungsmacht sind sie schließlich für die humanitäre Versorgung der Bevölkerung zuständig. Zudem haben sie den Gazastreifen inkl. der zivilen Infrastruktur dem Erdboden gleich gemacht.

      • @Timothee Güsten:

        Erstmal sollte das gesamte Vermögen der Hamas eingezogen werden und den Opfern vom 7. Oktober gezahlt werden

      • @Timothee Güsten:

        Kann man natürlich drüber reden. Aber ich frage mich was Leute wie Sie so aufbringt, wenn man eine radikalislamische Terrororganisation zur Kasse bitten möchte. Das die Hamas nachweislich Wasserleitungen, vom Westen finanziert, in Raketen umbaut ist für Sie irrelevant? Das die Hamas für die eigenen Eliten Millionen hat, scheinbar genug Geld für Waffen und Terrortunneln während die Zivilbevölkerung leidet auch?

        Es hat den Anschein, als wäre es wichtiger dass Israel in irgendeiner Form leider statt den Zivilisten in Palästina zu helfen.

    • @Pawelko:

      Während es im Artikel um Leben geht, geht es Ihnen um Geld?

      • @Buchfan:

        In dem Artikel geht es ebenfalls u.A. um Wiederaufbau. Erkennt man an dem kopierten Zitat ganz gut.



        Im übrigen ist Wiederaufbau gut für die Menschen. In Ihrer Betroffenheit können die Menschen nicht schlafen.

    • @Pawelko:

      Sehe ich genauso. Da das Versprechen eines Palästinenserstaates nicht erfüllt, Entschädigungen für Vertriebene und Flüchtlinge immer noch nicht geregelt, geschweige den gezahlt wurden, seit Jahrzehnten unter anderem aus europäischen Ländern bezahlte Infrastruktur zerstört und mehr und mehr Boden im Westjordanland ohne adäquate oder keine Entschädigung "verstaatlicht" wird, sollte Russland zahlen. Auch die Kollabitöre in den anderen Staaten wie u.a. Polen, Ukraine, Ungarn etc. sollten zahlen. Schließlich ist das Wort "Pogrom" aus ungesühnten russischen Gräueltaten in unseren Wortschatz gelangt und überhaupt.

      • @Buchfan:

        Kommentar entfernt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

        Die Moderation

        • @Pawelko:

          Progrom bedeutet was?

          Welchen "Witz" über "Progrome" meinerseits?

          Ist der Witz, Ihr Witz: "Progrome" statt "Pogrome" zu schreiben?

          Rechtschreibfehler kann jedem unterlaufen.

          Was Sie mir gegenüber behauptet haben, ist jedoch ein ganz anderes Niveau als ein Rechtschreibfehler:

          "Verleumdung bedeutet, dass eine Person wider besserem Wissen über eine andere Person bewusst falsche Tatsachen behauptet und in Umlauf bringt, welche diese Person in der öffentlichen Meinung herabwürdigt und verächtlich macht oder gar deren Kredit damit gefährdet."

          Abschließend und wiederholend: wo Sie Geld in den "Mittelpunkt" stellen, ist "mein Mittelpunkt" Leben.