Verhandlungen um Geisel-Waffenruhe-Deal: Hamas will US-Israeli freilassen
Zusätzlich sollen die Leichen von vier bisher unbenannten Doppelstaatlern nach Israel überführt werden. Israels Premier Netanjahu reagiert empört.

Die israelische Regierung reagierte prompt – und erbost: Wie Times of Israel berichtet, warf das Büro von Premier Benjamin Betanjahu der Hamas vor, einen umfassenderen Vorschlag des US-Sondergesandten Steve Witkoff abgelehnt zu haben. Weiter beschuldigte es die Terrormiliz der psychologischen Kriegsführung.
Es war die erste Bewegung in den festgefahrenen Geisel-Waffenruhe-Verhandlungen seit längerem. Bis Freitag befand sich ein israelisches Verhandlungsteam in der katarischen Kapitale Doha, die nun nach Hause beordert wurde. Am Samstagabend soll in Israel zu den Entwicklung getagt werden, so Netanjahus Büro. Auch der US-Sonderbeauftragte Steve Witkoff wohnte den Verhandlungen in dieser Woche bei.
Seit Beginn des Monats ist die erste Phase des Geisel-Waffenruhe-Abkommens offiziell beendet: In dieser Zeit wurden hunderte palästinensische Gefangene aus israelischen Gefängnissen im Gegenzug für insgesamt dreiunddreißig Geiseln – Frauen, Kinder, ältere Männer und sogenannte „humanitäre Fälle“ – freigelassen. Acht der Geiseln waren nicht mehr am Leben, darunter auch die getötete Shiri Bibas mit ihren beiden kleinen Kindern. Die Waffenruhe hält noch an – zumindest relativ. Jüngst häuften sich israelische Luftangriffe in Gaza, beinahe täglich finden sie mittlerweile statt. Nach Angaben der israelischen Streitkräfte galten sie Militärzielen, unter anderem Militanten, die versuchten eine Sprengfalle zu platzieren. Nach palästinensischen Angaben sollen auch Zivilisten von den Angriffen betroffen sein.
Seitdem wird verhandelt: Wie soll es weitergehen?
Nach Berichten der Times of Israel steht derzeit ein Vorschlag des Gesandten Witkoff im Raum: Er sieht die sofortige Freilassung von zehn lebenden Geiseln, einen Waffenstillstand bis zum Ende des Pessach-Festes vor – sowie die Freilassung aller weiteren Geiseln, falls denn eine Einigung über ein Ende des Krieges erzielt wird. Während Israel den Witkoff-Vorschlag akzeptiert habe, bewege sich die Hamas mit ihrem Plan, nur einen Lebenden und vier Tote zu übergeben, keinen Millimeter, so das Büro Netanjahus.
Witkoffs Plan stimmt überein mit israelischen und US-amerikanischen Vorstellungen: Demnach soll die erste Phase der Waffenruhe verlängert werden, weitere Geiseln freigelassen. Die Hamas und die arabischen Vermittler bestehen auf den ursprünglichen Plan. Nach diesem soll sich an die erste Phase eine Zweite und Dritte anschließen, in denen unter anderem die Frage nach einer Kontrolle des Gazastreifens post-Krieg besprochen werden sollen. Hier sind die Graben zwischen Israel und Hamas logischerweise besonders groß.
Im Raum stehen außerdem der Vorschlag von US-Präsident Donald Trump, der vorsieht, dass der Gazastreifen wieder aufgebaut wird – ohne Palästinenser. Die sollen in arabische Staaten umsiedeln. Nach jüngsten Medienberichten sollen die USA sogar Gespräche mit afrikanischen Staaten dazu geführt haben. Am Freitag verneinte Somaliland solche Gespräche. Der unter Ägyptens Ägide und von den arabischen Staaten befürwortete Plan sieht wiederum vor, dass der Gazastreifen palästinensisch bleibt. Ägyptische Firmen sollen den Aufbau übernehmen, die Golfstaaten und der Westen finanziell beteiligt sein.
Derzeit befinden sich wohl noch 24 Geiseln in Gaza. Sie sind alle männliche, 22 sind Israelis, einer Nepali, einer Thai. Alle wurden am 7. Oktober 2023 entführt. In Israel macht das Forum der Geiselangehörigen weiter Druck auf die Regierung: Ihre Lieben sollten so bald wie möglich freikommen – im Rahmen einer Weiterführung des Deals.
Hinweis: Der Text wurde mit fortlaufendem Kenntnisstand aktualisiert.
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