Verhandlungen über Batteriefabrik: Reiche-Ministerium mauert in Sachen Northvolt
Schleswig-Holsteins Landtag will vom Bund Informationen über die Anleihe für den insolventen Batteriehersteller Northvolt erzwingen – notfalls per Klage.
Schleswig-Holstein hat Beef mit dem Bund: Alle Parteien des Kieler Landtags fordern die Bundesregierung auf, mehr Informationen aus den laufenden Verhandlungen über die insolvente Northvolt-Batteriefabrik bei Heide herauszurücken, und drohen sogar mit einer Klage. Es geht um die Frage, wie viel Geld aus den sogenannten Wandelanleihen von 600 Millionen Euro zu retten ist.
Bund und Land haften gemeinsam für die Summe, aber die Verhandlungen laufen zurzeit über Berlin. Das Bundeswirtschaftsministerium sieht die Kieler Forderungen gelassen: Man sei ja bereits „sehr regelmäßig im Austausch“, hieß es auf taz-Anfrage.
„Absurd“ und „grotesk“ nannte der FDP-Abgeordnete Bernd Buchholz im Landtag, was sich zurzeit im Parlament und im Wirtschaftsausschuss abspielt: „Abgeordnete wurden um Zustimmung zur Verwendung von zweistelligen Millionenbeträgen aufgefordert, mit der klaren Erklärung, dass die darunterliegenden Pläne sowohl der Landesregierung als auch den Abgeordneten unbekannt sind.“
Die Kritik an diesem „unwürdigen Schauspiel“ sei keine Petitesse, schließlich seien Landtag und Landesregierung ebenso Verfassungsorgane wie die Bundesregierung und hätten ein Recht darauf, „auf Augenhöhe“ behandelt zu werden.
Grünen-Fraktionschef Lasse Petersdotter über seinen Widerpart Bernd Buchholz von der oppositionellen FDP
Den Ärger der oppositionellen FDP teilen inzwischen auch die Regierungsparteien: „Buchholz hat da echt einen Punkt“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Lasse Petersdotter. Nach einer durchaus turbulenten Landtagssitzung – nach dem Zwischenruf eines CDU-Mannes an die Adresse eines SPD-Abgeordneten beantragte die SPD eine Pause, an deren Ende eine persönliche Erklärung des CDU-Mannes stand – gab es ein einstimmiges Votum für den interfraktionellen Antrag.
Dort wird die „restriktive Informationspolitik“ der Bundesregierung als „unrechtmäßig“ bezeichnet und der Bund aufgefordert, das zu ändern. Auch Landes-Wirtschaftsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) erklärte, er habe Verständnis für die Forderung. Er arbeitete daran, dass sich etwas bewege. Er sagte aber auch, dass es die Zusammenarbeit mit dem Bund nicht besser mache, wenn vertrauliche Informationen an die Medien durchgestochen würden.
Denn das ist der Grund für die Zurückhaltung der Bundesregierung: Dort wird die Quelle solcher Durchstechereien in Kiel vermutet. Welche Gründe dafür sprechen, wollte Luisa-Maria Spoo, Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums, auf taz-Anfrage nicht verraten. Aber aus ihrer Antwort ist abzulesen, dass die Kritik aus Kiel, die mit einer „ausdrücklichen Missbilligung“ durchaus eine gewisse Schärfe enthält, in Berlin niemanden besonders zu beeindrucken scheint.
Der Bund verweist auf Vertraulichkeit
Die Unterlagen zu Northvolt und der US-Firma Lyten, die das insolvente Unternehmen übernehmen will, unterlägen wie in vergleichbaren Fällen „besonderen Vertraulichkeitsverpflichtungen“, teilt das Ministerium mit. Durch eine Weitergabe dieser Informationen „könnte die Wahrung der Interessen des Bundes als Sachwalter der Steuerzahler gefährdet werden und könnte sich das Risiko eines Scheiterns der Transaktion deutlich erhöhen“, sagt Spoo auf die taz-Frage, wie künftig die Kieler Abgeordneten stärker einbezogen werden sollen.
Das klingt nicht, als wolle der Bund seine Informationspolitik gegenüber Kiel ändern. Stattdessen verweist die Ministeriums-Sprecherin auf das Verfahren, wie es zurzeit praktiziert wird: „Ich darf Ihnen versichern, dass der Bund in sehr regelmäßigem Austausch mit der Landesregierung steht und mehrfach wöchentlich Abstimmungen zwischen Bundesregierung und Landesregierung durchgeführt werden“, sagt Spoo.
Zudem würden Dokumente aus den Verhandlungen „anwaltsvertraulich“ weitergeleitet. Genau dieses Verfahren aber ist für den Kieler FDP-Abgeordneten Buchholz ein Teil der „absurden Geheimniskrämerei“, die er dem Bund vorwirft: „Der Anwalt bekommt Unterlagen, darf sie aber aus Gründen der Schweigepflicht nicht weitergeben.“ Genau so dürfe es nicht weitergehen: „Es geht um Steuergelder, und wir brauchen Transparenz, um Entscheidungen treffen zu können.“
Wie es mit dem Bauplatz nahe der Dithmarscher Kreisstadt Heide weitergeht, steht noch in den Sternen. Das Gelände ist vorbereitet, dort könnte also weitergebaut werden. Doch bei einem Schwesterwerk in Kanada sind Verhandlungen gescheitert.
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