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Verhandlungen über Athens ReformpläneEin „Grexit“ für die „Wahren Finnen“

Griechenland kritisiert, einige EU-Partner würden das Scheitern der Verhandlungen aktiv betreiben. Laut Medien spielt Finnland derzeit den schärfsten Hardliner.

Bleibt der „Grexit“ aus, könnte er vom rechtspopulistischen Koalitionspartner nass gemacht werden: Finnlands Finanzminister Alexander Stubb. Foto: dpa

ATHEN/Helsinki dpa/afp | Griechenland hat namentlich nicht genannten EU-Partnerländern vorgeworfen, es auf ein Scheitern der Verhandlungen über die Athener Spar- und Reformpläne abgesehen zu haben. “Es ist offensichtlich, dass eine Gruppe von Ländern keine Einigung haben will“, verlautete am Sonntag aus griechischen Regierungskreisen.

Die Athener Vorschläge für Reform- und Sparprogramme seien von der EU-Kommission, der Europäischen Zentralbank (EZB) und dem Weltwährungsfonds (IWF) positiv aufgenommen worden. Man habe sich in der Euro-Gruppe auch auf einen Zeitplan verständigt, hieß es. Einige Länder hätten jedoch wiederholt die Frage der „Vertrauenswürdigkeit“ aufgebracht, ohne genau zu sagen, was Griechenland konkret tun solle.

Einem Medienbericht zufolge soll der finnische Finanzminister Alexander Stubb in Brüssel ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone aushandeln. Zu der Entscheidung seien Vertreter des Finanzministeriums und des Parlaments am Samstagnachmittag gelangt, berichtete der finnische Fernsehsender Yle unter Berufung auf Verhandlungskreise in Helsinki. Demnach stemmte sich die euroskeptische Partei Wahre Finnen gegen ein neues Hilfspaket für Athen und drohte mit einem Bruch der Regierungskoalition.

Die Wahren Finnen waren bei der Parlamentswahl im April auf dem zweiten Platz gelandet und traten in Helsinki in die Regierung ein. Der Parteivorsitzende und Außenminister Timo Soini fordert seit Monaten ein Ausscheiden Griechenlands aus der Eurozone.

Finanzminister Stubb schrieb noch am Nachmittag im Onlinedienst Twitter, er dürfe sich zu seinem Verhandlungsmandat für das laufende Treffen der Euro-Finanzminister in Brüssel nicht äußeren. Auch das Parlament kommentierte den Yle-Bericht offiziell nicht.

Selbst wenn Finnland seine Zustimmung verweigert, wäre ein drittes Hilfspaket für Griechenland über den Euro-Rettungsfonds ESM noch immer möglich. Über ein im ESM-Vertrag vorgesehenes „Nofallverfahren“ kann die Hilfe auch mit einer 85-Prozent-Mehrheit beschlossen werden.

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16 Kommentare

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  • ...war es uns allen denn nicht von Anfang an klar, dass die Griechen auch weiterhin Kohle bekommen?!

     

    Die Politik traut sicht doch gar nichts mehr, weil ein Hinauszögern der Entscheidungen sogar als Sieg (Pyrrhus-Art) verkauft werden kann.

     

    Alle werden wieder den Kopf schütteln und wissen, dass es nur gekaufte Zeit ist.

  • Es lebe der Neoliberalismus. Wird der "kleine Mann" auf der Straße gefragt, reagiert dieser teilweise aggressiv auf das Thema "Schulden der Griechen" und deren Rückzahlung.

    Die Ursache ist m.E. die Darstellung der Situation und deren Auswirkung durch die Politik. Teilweise die gesamte Presse schließt sich dem an, was Herr Schäuble für Vorschläge unterbreitet. Dabei gibt es doch auch andere Stimmen http://www.zeit.de/2015/26/thomas-piketty-schulden-griechenland

    Aber nicht nur Piketty sondern auch andere Wirtschaftswissenschafter und Volkswirtschaftler haben seit Jahren vor dieser Situation gewarnt und Lösungsmodelle erarbeitet.

     

    Wieder stellt sich die Frage, warum ist das so. Alle konservativen Parteien in Deutschland und im überwiegenden Teil Europas hängen dem Neoliberalismus nach, nach dessen Grundsätzen Kredite zurückzuzahlen sind. Jedoch die Grundsätzliche Frage ist doch welchem Wirtschaftssystem wollen wir weiter folgen, dem Neoliberalismus oder einem sozialen Wirtschaftssystem, wie es Deutschland auch im Grundgesetz, Art 19, stehen hat. Wir alle in Europa stehen vor einem Paradigmenwechsel.

    In Deutschland haben wir einen Länderfinanzausgleich. Es ist unausweichlich gleiches auf europäischer Ebene anzuwenden. Der ursprüngliche Gedanke nicht für die Schulden anderer EU Staaten aufzukommen ist überholt. Entweder sind wir ein einiges Europa, in dem schwache Staaten, wie Griechenland, finanziell unterstützt werden oder wir fallen in die Kleinstaaterei mit den verschiedensten Währungen zurück.

     

    Dieses abwägen der Argumente vermisse. Eine faire Berichterstattung in der Presse ist nicht vorhanden. Alle sehen nur die Argumente von Mutti und Schäuble ohne zu bemerken, an welchem Abgrund wir stehen.

     

    Die Hedge- und Investmentsfonds freut es, die auf dem Finanzmarkt nunmehr auch anfangen gegen andere Staaten zu wetten. Am Ende der Kette steht dann Deutschland. Es lebe der Neoliberalismus.

  • "...Als die Pasok-Partei abtrat, lief deren ganzer Apparat zur Syriza über. Tsipras [muss] die gleiche gierige Klientel bedienen wie seine Vorgänger. Beamte, Gewerkschafter, Oligarchen..."

     

    – Petros Markaris in: "Griechenland – 'Ein Grexit wäre die Katastrophe' "

    NZZ am Sonntag, 12.7.15

    http://www.nzz.ch/nzzas/nzz-am-sonntag/ein-grexit-waere-die-katastrophe-ld.1030

  • Glaubwürdigkeit der Griechen? - ein Problem habe ich damit v.a. bei Schäuble: Erst sagt er, Athen solle liefern. Athen liefert bis an die eigene Schmerzgrenze. Die Experten sind erleichtert und sagen, dass sei nun gut. Dann aber kommt Schäuble, sagt, das sei "bei weitem" nicht genug und sowieso seien die Griechen nicht glaubwürdig - Ja was nun, wieso fordert er sie dann erst auf, zu liefern, wenn von vornherein klar ist, dass man es ihm und seiner Verbissenheit nie wird recht machen können. Wenn es sowieso um nichts mehr geht, als die Griechen dafür zu bestrafen, dass sie ein Referendum abgehalten haben, wozu dann noch das ganze EU-Theater.

    ... aber die Griechen sind es dann, die nicht glaubwürdig sind!

    • @stph:

      Hallo,

       

      wo gibt es denn das Katasteramt? Wo sind die Verfassungsänderungen um die Reeder zu besteuern? Warum ist der Militärhaushalt noch nicht verkleinert worden? Warum arbeitet das Steuersystem immer noch nicht effektiv? Warum herrscht schon wieder veternwirtschaft? Warum werden die Inseln immer noch nicht besteuert? Griechenland hatte 5 Jahre Zeit. Vergessen alle, dass diese Reformen schon vor 5 Jahren versprochen wurden und nichts von den Versprechen umgesetzt wurde? Im Gegenteil, Tsipras hat die Staatsbeamten wieder eingestellt, die Sender wieder eröffnet, die Frühverrentung wieder gestartet, die Privatisierungen abgeblasen..... Kein Wunder, dass das Vertrauen weg ist.

    • @stph:

      Das Problem ist, dass das nach wie vor griechische Absichtserklärungen sind. Bisher haben die Griechen nur Papier geliefert - und das ist den meisten anderen Partnern, die das ja auch ihren Wählern erklären müssen einfach zu wenig.

       

      Um ehrlich zu sein: Ich glaube auch nicht, dass die griechische Regierung auch nur die Hälfte dessen, was sie zu Papier gebracht hat, wirklich umsetzt.

       

      Wer die letzten Monate beobachtet hat, weiß doch wie man das macht: Das eine Gesetz formuliert man bewusst so, dass es vom obersten Gerichtshof einkassiert werden muss, das nächste Gesetzt verzögert man im Parlament, so lange es irgendwie geht, danach werden dann die Ausführungsbestimmungen so gemacht, dass das Gesetz erneut verwässert wird und wenn auch das nicht mehr hilft, wird halt der Personalschlüssel so gewählt, dass Putzfrauen statt Steuerfahnder eingestellt werden.

       

      Soweit ich das sehe, gibt es außerdem bei den nichtmonetären Dinge nach wie vor keinen Fortschritt und da redet man inzwischen seit 5 Jahren drüber: Kataster, Reduzierung des Steuerdschungels, Öffnung von Berufen für junge Leute, Reduzierung der Zuwendungen an die Parteien, Lagarde-Liste, Vorschläge der OECD und der internationalen Arbeitsorganisation, ...

       

      Und es ist doch in der Tat schwierig z.B. den Balten zu erklären, dass sie ein Land unterstützen sollen, von dessen Lebensstandard sie selber weit entfernt sind - und trotzdem einer (inzwischen erfolgreichen) Sparpolitik zugestimmt zu haben.

      • 1G
        10236 (Profil gelöscht)
        @Martin74:

        "Bisher haben die Griechen nur Papier geliefert"

         

        Sicher. http://graphics8.nytimes.com/images/2012/02/06/opinion/020612krugman5/020612krugman5-blog480.jpg

        • @10236 (Profil gelöscht):

          Soll diese Grafik nun ein beweis sein oder eine Gegenthese?

        • @10236 (Profil gelöscht):

          Die Sozialausgaben wurden deutlich heruntergefahren das stimmt. Deshalb leiden ja auch die kleinen Leuten in Griechenland.

           

          Nur davon hat Martin74 gar nicht gesprochen.

           

          Es ging ihm um die Umsetzung von Reformen.

  • Griechenland wurde in den letzten 150 Jahren immer von wechselnden Eliten beherrscht.

    Deren Anliegen war es, rechtsstaatliche Kontrolle gar nicht zu zulassen.

     

    OK, in den letzten 25 Jahren bis zur Regierung Tsipras haben Verbrecherbanden von Politikern und Oligarchen zusammen mit den internationalen Großbanken Kredite gehandelt, deren Zinslast Griechenland nicht erwirtschaften kann.

     

    Das war für die Konservativen und rechten Parteien irgendwie immer ok. Das wäre auch so weiter gegangen, nun stört Tsipras das heile Bild der Neoliberalen, Nationalisten und Rasisten Europas, so muss erst die Linke Regierung weg. Darum geht es Herrn wie Schäuble und den Damen und Herren aus den Norden und Osten Europas. Nationale und faschistische Gefühle werden orchestriert um Europas Bürger auf den GRexit einzustimmen. Und die führenden Sozialdemokraten Europas schweigen dazu.

    • @Klaus Dieter Liedtke:

      Tsipras stört das Bild der Nationalisten?Tsipras tönt selbst nationalistischer,als es einem lieb sein kann, und hat eine Koalition mit Nationalisten und Rassisten geschlossen. Oder sind diese Nationalisten nicht so schlimm? Sind manche gleicher als andere?

      • @Per Nachname:

        Sehr interessant, wie viele angebliche Griechen-Symphatisanten ihre Sympathie für die Griechen erst nach SYRIZA an die Macht kam gefunden haben.

         

        Davor waren die die Griechen so was von Egal.

         

        d.H: nur dann wenn eine sog. LINKER Regierung an die Macht ist, findet man mit ein Volk Solidarität.

         

        Nebnebei bermerkt: es gibt meine meinung nach, keine von "Linken" regierte Land auf der Welt der nicht ziemlich schnell in den Abgrund fährt.

         

        Chavez lässt grüßen.

        • @anton philips:

          Woran das wohl liegt ? Vll gibt´s für die Talfahrt einen kleinen internat. Schubser, wie mal an der Ölschraube drehen.

          Ach so, Venezuela war vor Chavez ja ein blühendes Land mit glücklichen Menschen.Die hatten das Glück einfach nicht mehr ertragen.

  • Es wird immer argumentiert, Griechenland müsse gerettet werden, damit alle im Euro vereinigten Länder einig blieben. Wie politisch fatal wäre es nun, wenn man für die Erhaltung dieser "Einigkeit" eine Mehrheits-Entscheidung fällte, also in Kauf nähme, dass nicht alle Partner einig sind, um die Einigkeit zu retten? Nein, eins muss klar sein: entweder soll die Einigkeit gerettet werden, dann muss das aber von allen erfolgen. Oder die Einigkeit ist wurscht. Dann brauchen wir aber auch keine Rettung Griechenlands als Zeichen der Unumkehrbarkeit der europäischen Einigung.