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Vergesellschaftungsgesetz in BerlinNiemand hat die Absicht zu enteignen

Die Koalition legt Vergesellschaftungsrahmengesetz vor. SPD nennt es „historisch“, CDU und DWE sind sich einig: Enteignungen sollen damit verhindert werden.

Bis zur Enteignungsparty dauert es noch. Demonstration von Deutsche Wohnen enteignen im Juni 2025 Foto: Maurizio Gambarini/funke/imago
Timm Kühn
Erik Peter

Aus Berlin

Timm Kühn und Erik Peter

Mehr als vier Jahre nach dem erfolgreichen Volksentscheid Deutsche Wohnen & Co enteignen haben CDU und SPD ihre Antwort auf den mehrheitlichen Wunsch der Ber­li­ne­r:in­nen vorgelegt: Am Donnerstag wird ihr Entwurf für ein Vergesellschaftungsrahmengesetz ins Parlament eingebracht. Vergesellschaftet werden soll mit dem neuen Gesetz jedoch nicht, überhaupt hat es keinerlei praktische Folgen.

Die acht Paragrafen des Gesetzes konkretisieren knapp, was im Kern schon in Artikel 15 des Grundgesetzes zu lesen ist, der grundsätzlich die Vergesellschaftung von Wirtschaftszweigen erlaubt. So wird im Entwurf etwa die grundsätzliche Legitimität von Vergesellschaftung dahingehend konkretisiert, dass so ein „allgemeines Versorgungsinteresse breiter Schichten der Bevölkerung“ sichergestellt werden soll. Der Zweck der Vergesellschaftung wird so definiert, dass diese ein „Missverhältnis zwischen dem festgestellten Versorgungsinteresse der Allgemeinheit und der Versorgungssicherheit beseitigen“ solle.

Die Handschrift der CDU zeigt sich vor allem darin, dass ein großer Fokus auf die Prüfung der Verhältnismäßigkeit gelegt wird. So soll als Voraussetzung der Vergesellschaftung festgehalten werden, dass das Ziel der Gemeinwirtschaft nicht auf andere Wege erreicht werden kann und dass diese „die Leistungsfähigkeit des Landeshaushalts“ nicht auf Dauer erheblich einschränken darf. Zur Höhe der Entschädigung bei Enteignungen heißt es, nötig sei eine „Gesamtschau“, bei der „alle unmittelbaren und mittelbaren wirtschaftlichen Folgen der Vergesellschaftung betrachtet werden“. Als „Ausgangspunkt“ wird der Verkehrswert der enteigneten Wirtschaftsobjekte genannt.

Das Gesetz ist ein Kompromiss zwischen der CDU, die eine Vergesellschaftung insbesondere von Wohnraum rundherum ablehnt, und der SPD, in der es zumindest in Teilen Sympathien für Vergesellschaftung gibt. Das Rahmengesetz war im Koalitionsvertrag vereinbart worden. Ob das Gesetz nun als mögliche Vorarbeit für spätere Vergesellschaftungen zu betrachten ist oder solchen Debatten ein Ende setzt, ist allerdings auch nach Veröffentlichung zwischen den beiden Parteien umstritten.

Ende oder Anfang?

So betonte der CDU-Fraktionsvorsitzende Dirk Stettner am Mittwoch gegenüber der taz: „Das Gesetz ermöglicht keine Enteignung.“ Stattdessen schütze es „den Berliner Haushalt vor milliardenschweren Abenteuern“. Im Gesetz seien die Voraussetzungen „so eng definiert“, „dass nur echte, klar belegbare Ausnahmefälle infrage kommen“. Verankert worden sei, dass jede Vergesellschaftung fair entschädigt werden muss, „und zwar auf Basis des Verkehrswerts“. Inwiefern das mit dem Gesetzestext vereinbar ist, nach dem der Verkehrswert nur der Ausgangspunkt der Entschädigungshöhe sein soll, ließ er offen.

In Artikel 14 Grundgesetz, der die Möglichkeit von Enteignungen zum Wohle der Allgemeinheit regelt, heißt es, dass eine Entschädigung nach einer „Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten“ erfolgen muss. Auch die vom Senat beauftrage Expertenkommission war zu dem Schluss gekommen, dass für die beabsichtigte Vergesellschaftung von etwa 220.000 Wohnungen privater Konzerne nicht der Verkehrswert zu zahlen sei.

Aus den Reihen der SPD spricht derweil der Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg von einem „historischen“ Gesetz. Das erste Mal würde ein Gesetzgeber „das Schwert des Grundgesetzes für die Gemeinwirtschaft aus dem Schrank ziehen“, so Schlüsselburg zur taz. Zwar sei der nun verabschiedete Entwurf „deutlich reduzierter und schlanker“ als der im Sommer vorgelegte SPD-Entwurf, er erfülle aber seinen zentralen Zweck: alle entscheidenden Rechtsfragen vom Bundesverfassungsgericht klären zu lassen, um eine anschließende Vergesellschaftung rechtssicher zu ermöglichen.

Statt Lösungen für Wohnarmut zu liefern, machen CDU und SPD Pseudo-Politik ohne jeden Effekt auf die Mietenkrise.

Justus Henze, Sprecher Deutsche Wohnen & Co enteignen

Vor allem erkämpft haben will die SPD ausgerechnet den Passus, der erlaubt, dass eine Vergesellschaftung eben keine Enteignung von Eigentum bedeuten muss, sondern auch über die Schaffung von „anderen Formen der Gemeinwirtschaft“ möglich ist. Der taz sagte Schlüsselburg, der Sinn des Gesetzes sei, „rechtssicher, maßvoll und haushaltsschonend“ zu regulieren, „statt unverhältnismäßig zu enteignen“. So solle „das Soziale an der Marktwirtschaft“ gesichert werden.

Initiative kritisiert „Pseudo-Politik“

Schon seit dem Sommer trommelt die SPD für diese Interpretation der Vergesellschaftung, die nicht auf Enteignung, sondern auf andere Eingriffe in den Wohnungsmarkt setzt. Ins Spiel gebracht hatte die SPD etwa Regelungen, die einem neuen Mietendeckel gleichkämen.

Die Initiative Deutsche Wohnen Co enteignen kritisiert den Gesetzesentwurf als „Pseudo-Politik ohne jeden Effekt auf die Mietenkrise“. Je­de:r Vierte sei in Berlin von Wohnarmut bedroht, sagte Sprecher Justus Henze. Doch statt diesen Menschen zu helfen, würde das Gesetz die Ber­li­ne­r:in­nen nur „mit einer billigen Nebelkerze ablenken“. Die Initiative verweist auf ihren eigenen Gesetzesentwurf zur Enteignung, den sie im kommenden Jahr über einen weiteren Volksentscheid zur zwingenden Umsetzung bringen will. „CDU und SPD können uns mit ihren Verschleppungsstrategien nicht aufhalten“, so die Initiative.

Nach Vorstellung der SPD soll das Gesetz im Januar dem Abgeordnetenhaus vorgelegt werden und könnte im Frühjahr beschlossen werden. Es soll erst 24 Monate später in Kraft treten. Schon ab Verabschiedung ist allerdings eine Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht möglich. Dann würde sich Karlsruhe mit dem Gesetz befassen – und möglicherweise für Klarheit sorgen, wie enteignet werden darf.

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5 Kommentare

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  • Ich habe einen Traum - dass eines Tages weltweit Wohnkonzerne vergesellschaftet wurden, wo Wohnen ein Menschenrecht geworden ist.

  • Über die Enteignungen und Entschädigungen werden im Endeffekt Gerichte entscheiden, u.a. auch der EUGH oder sogar internationale Schiedsgerichte, wenn Interessen etwa von internationalen Pensionsfonds verletzt werden. Das kann Jahre dauern. Falls ein Linksbündnis siegt wird es bis 2031 rechts- und finanzsicher liefern müssen, um die Erwartungen zu erfüllen. Das wird kaum gelingen, denn auch ein linker Senat kann es sich nicht leisten, dann womöglich nach diesem Termin horrende Verkehrswerte zahlen zu müssen. Zudem: geht ein enteigneter Konzern - viele von denen sind ja finanziell aufgeblasene Fake-Produkte - in die Insolvenz, werden die Schuldverschreibungen sofort fällig. D.h. entweder der Senat zahlt, oder die Wohnungen müssen verkauft werden. Populismus gibt es halt auch von links.

  • Schöne Schlagworte. Kann sich noch jemand an die Stadt-Wohnungen in der DDR errinnern? Dreden, Leipzig, Weimar, Erfurt und auch Berlin, das war doch unterhalb aller Sau.

    Ich, als Landkind aus der tiefsten Provinz, war von den Wohnungen in Berlin und Erfurt, die ich während der DDR besuchen konnte (Verwandtschaft) schockiert. Und nach der Wende waren es dann Dresden, Leipzig und Weimar.... grauenvoll!



    Vergesellschaftung wird nicht funktionieren, da NIEMAND Verantwortung übernimmt.

    Sorry aber ich halte die Diskussion als Ablenkungsmanöver, weil man nichts tun will/kann.

  • Macht doch was ihr wollt, Hauptsache die Rechnung bleibt in Berlin!



    Ich sehe überhaupt nicht ein, dass andere Bundesländer für die verpfuschte "erst verkaufen, dann enteignen" Politik der Berliner Regierungen aufkommen sollten. Ansonsten dürft ihr das in Berlin so regeln, wie ihr es für richtig haltet. Ich denke Enteignungen verstoßen gegen das Gesetz und es wird zu Milliardenschweren Entschädigungen kommen, für Eigentum UND entgangene Gewinne.

  • Eine Vergesellschaftung auf Grund eines Rahmengesetzes ist rechtswidrig. Art 15 GG lautet "...zum Zwecke der Vergesellschaftung durch ein Gesetz" während Art 14 Abs. 3 S. 2 GG lautet "...nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes...".

    Die möglichen Grundlagen der Enteignung sind also weiter als die der Vergesellschaftung.

    Aus meiner Sicht ist das ganze Gesetz nur eine Nebelkerze für den linken Flügel der SPD. Darauf basierend wird es nie zu einer Vergesellschaftung kommen und falls doch, werden es Gerichte Jahre später wegen dieses Mangels wieder kassieren.