: Verführung zum Luxus
Karl Heinz Bröhan, Sammler und Museumsdirektor, starb im Alter von 78 Jahren. Ohne ihn wäre so manches Sammelobjekt wenig beachteter Flohmarktkrempel geblieben
In kaum einem anderen Museum Berlins scheint die Kunst so sehr dem Luxus und dem Überfluss entsprungen wie in der Sammlung Bröhan. Und das gleich in doppeltem Sinn: Denn erstens zeugen silberne Teekannen und der virtuose Schwung, mit dem sich Vasen des Jugendstils der industriellen Massenproduktion entgegenstemmen, vom Reichtum der Gründerzeit. Zweitens aber beruhen der Aufbau der Sammlung selbst und ihre großzügige Schenkung an das Land Berlin auf dem kaufmännischen Geschick von Karl Heinz Bröhan. Mit Dentaltechnik hat der Hamburger Kaufmann in der Wirtschaftswunderzeit das Kapital erworben, das er seit den Sechzigerjahren in Porzellane, Möbel und Bilder investierte. Am 2. Januar ist er im Alter von 78 Jahren gestorben.
Wer durch die Salons von Hector Guimard und Eugène Gaillard, durch Speisezimmer von Peter Behrens und das Kabinett des Wiener Secessionisten Josef Hoffmann schweift, bewegt sich zwischen Wien, Paris, Brüssel, Prag und Berlin. Der Traum vom Gesamtkunstwerk ist in den Ensembles gegenwärtig. An der Schwelle zur Moderne hält das Bröhan-Museum die großspurigen Gesten fest, mit denen Künstler, Architekten und Gestalter die Welt sthetisch verändern und verbessern zu können glaubten. Wenn am 19. Januar Jutta Lampe anlässlich der Reihe „Schauplatz Museum“ im Bröhan-Museum aus einem 1910 erschienenen Bestseller „Das gefährliche Alter“ liest, wird die Zeit lebendig, in der Hysterie und Pathos, Überschwang und Askese nahe beieinander lagen.
Zugleich erwarb sich das Bröhan-Museum auch einen Ruf als Kunstgewerbemuseum, in dem Industrieprodukte aus den Bereichen Metall, Porzellan oder Glas gleichberechtigt neben luxuriösen Unikaten präsentiert und oft erstmals zu musealen Ehren fanden. Durch das Engagements Karl Heinz Bröhans gelangte so mancher Flohmarktfund erst in den Ruf, kunstwürdig zu sein. Bröhans Sammlungsgebiet reicht von 1889 bis 1939. Das Museum, 1983 nahe dem Charlottenburger Schloss in einer ehemaligen Kaserne eröffnet, ist seit 1994 Landesmuseum, die Ausstellungsfläche inzwischen auf drei Etagen angewachsen.
„Heute glaube ich nicht ohne Stolz behaupten zu können, dass mehrere Gattungen des Kunsthandwerks durch meine Sammlungen, Publikationen und Ausstellungen überhaupt erst in das Licht der kunsthistorischen Fachwelt gerückt sind“, schrieb Bröhan 1998 völlig zu Recht. Denn Jugendstil und Art déco wurden vor allem von der deutschen Kunstgeschichtsschreibung gerne als allzu populistisch an den Rand und aus dem Blick gedrängt.
Zu den heute wenig beachteten Künstlern, die er als Direktor des Museums zusammen mit der Kunsthistorikerin Margit Bröhan, seiner Frau, vorstellte, gehörten viele Maler der Berliner Secession. Auf Hans Baluscheks Genreszenen von Rummelplätzen und Liebespaaren, die sich hinter Mietskasernen treffen, begegneten dem Besucher Elemente von Armut, die noch immer in seltsamem Kontrast zu Meißner Porzellan und Tafelaufsätzen stehen. Die größte Überraschung aber bot die Ausstellung des zuvor nahezu unbekannten Karl Hagemeister im Jahr 1998, dessen Landschaften im Widerschein der Neuen Wilden eine fast naturwüchsige Expressivität ausstrahlen.
Katrin Bettina Müller
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