Verfolgung von Queers im Irak: „Ein Leben in Abgeschiedenheit“
Im Irak ist Homosexualität legal. Doch bewaffnete Gruppen bedrohen, belästigen, misshandeln und töten Queers – und bleiben meist unbestraft.
Queers sind im Irak seit Jahren von Gewalt bedroht, wobei der Staat die Täter wenig oder gar nicht zur Rechenschaft zieht. Human Rights Watch und IraQueer interviewten 54 LGBT-Iraker*innen, die Gewalt durch bewaffnete Gruppen und die Polizei erlebt haben. Sie beschrieben Verhaftungen und Angriffe durch Sicherheitsbeamte – verbal und körperlich, willkürliche Festnahmen und Inhaftierungen – oft ohne rechtliche Grundlage.
Der 27-jährige Laith sagte, er habe beobachtet, wie Mitglieder einer bewaffneten Gruppe seinen Partner aus seinem Haus entführten, ihn quälten und töteten. Der 18-jährige Karim gab an, er sei 17 Jahre alt gewesen, als ihn die Polizei in Baghdad festgenommen, verbal und körperlich misshandelt, sexuell belästigt und einer erzwungenen Analuntersuchung unterzogen hatte. In acht Fällen richteten sich Übergriffe wie willkürliche Festnahmen und sexuelle Belästigung gegen Kinder im Alter von 15 Jahren.
Viele der Betroffenen konnten die für den Angriff auf sie verantwortliche Gruppe identifizieren. Die an den schwersten Übergriffen Beteiligten sind schiitische Milizen. Sie unterstehen de facto dem irakischen Staat und sind dem Iran verbunden. Darunter die extremistische Miliz der „Liga der rechtschaffenen Leute“, die Badr-Organisation sowie die Kata’ib Hisbollah, die beide den syrischen Präsidenten Bashar Al-Assad in dessen Krieg im Nachbarland unterstützen. Der Bericht dokumentiert auch versuchte Morde an LGBT, hauptsächlich durch die Volksmobilmachungskräfte (PMF). Die PMF ist eine Dachorganisation schiitischer Milizen, die ursprünglich gegründet wurde, um den Irak gegen den „IS“ zu verteidigen. Sie unterstehen der Autorität des Premierministers.
Auch Militär und Polizei sind eine Bedrohung
Auch vor dem offiziellen Sicherheitsapparat sind LGBT nicht sicher. Sie werden aufgrund ihres Aussehens an Checkpoints des Militärs belästigt, oder wenn sie ihn Haft geraten misshandelt. Sie berichten davon, dass ihnen Essen, Wasser und Medizin verweigert wurden, sie weder Anwalt noch Familienmitglieder kontaktieren durften. Sie sagten, die Polizei habe sie sexuell angegriffen und körperlich misshandelt und sie gezwungen, Erklärungen zu unterschreiben, dass sie nicht misshandelt worden seien.
„Die irakische Regierung hat nichts unternommen, um die Gewalt zu stoppen oder die Täter zur Rechenschaft zu ziehen“, schreibt Rasha Younes, die bei HRW zu den Rechten von Queers forscht. Die Menschenrechtsorganisation hat Briefe an die irakische Regierung, sowie an die kurdische Regionalverwaltung im Irak gesendet. Darin fragen sie nach der öffentlichen Verurteilung der Gewalttaten gegen LGBT, der Untersuchung der Vorfälle, angemessenen Bestrafungen und Mechanismen, die solche Vorfälle verhindern.
Eine Antwort kam bisher nur vom Koordinator für internationale Interessenvertretung der kurdischen Regionalregierung, Dindar Zebari. Er schreibt, die selbstverwaltete Region sei ein „sicherer Hafen“ für „die Ausübung von individuellen und kollektiven Freiheiten“. Aus seiner Antwort geht hervor, dass diese Freiheiten nur dann gelten, wenn die Betroffenen sich ruhig verhalten und ihre Rechte nicht „verfechten“, so wie die „Rasan Organisation“. Die steht vor Gericht, unter anderem, weil sie ihrem Namen den Zusatz „Förderung des Lebens von Homosexuellen“ hinzugefügt hatte. Dies stünde, so Zebari, gegen Artikel 10 des Gesetz über Zivilorganisationen in der kurdischen Region.
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