piwik no script img

Verfassungsschutzreform in NiedersachsenComeback der V-Leute

Niedersachsen re-reformiert sein Verfassungsschutzgesetz. Der Dienst soll künftig 14-Jährige beobachten und verstärkt auf bezahlte Informanten setzen.

Boris Pistorius is watching you: Der SPD-Innenminister gönnt dem Verfassungsschutz mehr Befugnisse Foto: Julian Stratenschulte/dpa

Hannover taz | Niedersachsen reformiert sein Verfassungsschutzgesetz – mal wieder. Das sei im Koalitionsvertrag so vereinbart, betont Innenminister Boris Pistorius (SPD), der im Übrigen versucht, die Änderungen als normale „gesetzliche Anpassungen in einem hoch dynamischen Umfeld“ klein zu reden.

Die wesentlichsten Änderungen: Der Einsatz von V-Leuten soll wieder leichter möglich sein. Und die Daten von Minderjährigen will Pistorius schon ab dem Alter von 14 Jahren speichern, statt bisher ab 16 Jahren.

Außerdem werden die Regelungen in zwei Punkten an die des Bundes angepasst: Dann könnten auch in Niedersachsen Kontostammdaten abgefragt werden – und Bürger, die selbst neugierig sind und wissen möchten, was der Verfassungsschutz über sie gespeichert hat, müssen ihr Interesse an dieser Auskunft begründen, beziehungsweise darlegen, weshalb sie glauben, ins Visier des Geheimdienstes geraten zu sein.

Die Opposition hat den Vorstoß des rot-schwarzen Kabinetts scharf kritisiert. Von einer „Rolle rückwärts“ sprach Innenexperte Helge Limburg (Grüne). „Erst vor wenigen Jahren wurde der Einsatz von V-Leuten, also von bezahlten Verfassungsfeinden, in Niedersachsen gesetzlich deutlich eingeschränkt. Das war auch eine Lehre aus dem Staatsversagen rund um den NSU.“

Erst im Juni musste die Vize-Chefin gehen

Und Minderjährige mit verfassungsfeindlichen Ansichten seien wohl eher ein Fall für die Jugendhilfe, sagt Limburg. Die Landesregierung verweist hier auf den Fall Safia S., die als 15-Jährige einen Polizisten im Hauptbahnhof niedergestochen hatte. Sie hatte allerdings vorher durchaus unter Beobachtung des Verfassungsschutzes gestanden.

Auch FDP-Fraktionschef Stefan Birkner meint: „Die Arbeit des Verfassungsschutzes leidet nicht unter mangelnden gesetzlichen Befugnissen, sondern unter organisatorischen und personellen Defiziten.“ Erst im Juni hatte die stellvertretende Chefin gehen müssen, weil die Behörde – nicht zum ersten Mal – einräumen musste, dass sie den Falschen abgehört hatte.

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • In gewisse Kreise (Familienclans, eingeschworene Rechts- oder Linksextreme, IS-Fans oä) bekommt man keine verdeckten Ermittler. Ohne V-Männer ist der Rechtsstaat blind.

    Notwendiges Übel.