Demo-Anmeldung landet beim Geheimdienst: Der direkte Draht

Wer in Bremen eine Demo anmeldet, wird vom Ordnungsamt dem Verfassungsschutz gemeldet. Die Betroffenen werden darüber bislang nicht informiert.

Ein Demonstrant steht mit einem Plakat mit der Aufschrift "Refugee lives matter" auf dem Bremer Marktplatz.

Vom Verfassungsschutz erfasst: Demonstration auf dem Bremer Marktplatz im April 2020 Foto: dpa / Sina Schuldt

BREMEN taz | Das Bremer Ordnungsamt gibt Daten von Demo­an­mel­de­r*in­nen „regelmäßig“ an den Verfassungsschutz weiter. Das geht aus der Antwort des Bremer Senats auf eine Anfrage der Fraktion Die Linke hervor, die am Mittwoch veröffentlicht wurde.

Das sei eine „unverhältnismäßige Einschränkung des Grundrechts auf Versammlungsfreiheit“, sagt Nelson Janßen, der Vorsitzende und innenpolitische Sprecher der Bürgerschaftsfraktion der Linken. Wenn regelmäßig Daten von Demo­an­mel­de­r*in­nen an den Verfassungsschutz weitergeleitet werden, dann führe das zu einer Veränderung des Verhaltens, selbst wenn der Verfassungsschutz die Daten gar nicht nutzen würde. „Es gibt Urteile, dass selbst das Aufhängen einer Kameraattrappe ein Eingriff in Grundrechte ist, weil es das Verhalten ändert“, so Janßen weiter.

Der Hintergrund: Die Fraktion der Linken hatte im Dezember vergangenen Jahres eine kleine Anfrage an den Senat gestellt. Thema war die „Erhebung und Verarbeitung personenbezogener Daten bei Anmeldungen von Versammlungen“. Eine Frage lautete: „In welchen Fällen gibt das Ordnungsamt personenbezogene Daten der An­mel­de­r*in­nen an die Polizei und/oder an andere Behörden weiter?“

Der Senat antwortete, dass das Ordnungsamt Daten von Personen, die Demonstrationen oder andere Versammlungen unter freiem Himmel anmelden, „in jedem Fall an den Polizeivollzugsdienst“ weitergibt. Erst mal ist das verständlich, denn die Polizei muss, wenn sie bei einer Versammlung anwesend ist, ja die Möglichkeit haben, mit der Ver­samm­lungs­lei­te­r*in und der An­mel­de­r*in Kontakt aufzunehmen. In der Senatsantwort heißt es jedoch weiter: „Zum Zweck der Gefährdungsbewertung werden die Daten im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen regelmäßig ebenfalls an das Landesamt für Verfassungsschutz übermittelt.“

Nelson Janßen, Fraktionsvorsitzender der Bremer Linken

„Es gibt Urteile, dass selbst das Aufhängen einer Kameraattrappe ein Eingriff in Grundrechte ist“

Doch was bedeutet „regelmäßig“? Das findet auch Nelson Janßen unklar und meint, dass die Daten wohl „nicht immer, aber wahrscheinlich bei allem, was politisch angehaucht ist“, weitergegeben werden. Das könne zum Beispiel bei einer Kundgebung zum Terroranschlag in Hanau der Fall sein, oder einer Demo von „Fridays for Future“. „Ich weiß nicht, ob es da eine Grenze gibt und auf welcher Grundlage das weitergegeben wird“, so Janßen weiter.

Aus Sicht des Senats ist die Datenweitergabe jedenfalls nötig, da nur der Verfassungsschutz mögliche Gefahren, die von der angemeldeten Demonstration oder möglichen Gegendemonstrationen ausgehen könnten, einschätzen könne. Denn „die Erkenntnisse über verfassungsfeindliche Bestrebungen bestehen nur dort“. Allerdings ist die Gefahrenabwehr laut Gesetz eine rein polizeiliche Aufgabe. Das ergibt sich aus dem sogenannten Trennungsgebot – einem Rechtsgrundsatz, der besagt, dass die Polizei und die Nachrichtendienste unter anderem in Bezug auf ihre Aufgaben und die Datenverarbeitung getrennt sein sollen. Deshalb sei die Idee, dass man zur Einschätzung der Gefahrenlage Daten an den Inlandsgeheimdienst weitergibt, zumindest anzuzweifeln, so Nelson Janßen.

Die Linke kritisiert darüber hinaus, dass die Demo­an­mel­de­r*in­nen bisher nicht über die Datenweitergabe informiert wurden. Laut Senat soll auf dem Anmeldeformular „in Kürze“ ein entsprechender Hinweis hinzugefügt werden.

Ein weiteres Thema ist die Dauer, für die diese Daten gespeichert werden. Bislang waren das bis zu fünf Jahre. Der Senat „plant“ laut eigenen Angaben, die Löschungsfrist auf „etwa ein Jahr herabzusetzen“.

Der Senat teilt auch mit, dass die Polizei in Einzelfällen auch „besondere Kategorien personenbezogener Daten“ speichert. Darunter fallen insbesondere auch „ethnische Herkunft, politische Haltungen, religiöse oder weltanschauliche Überzeugungen“. Dass es in Einzelfällen wichtig sein mag, welche politische Haltung oder religiöse Überzeugung eine Person hat, die eine Demo anmeldet, leuchtet ein. Anders ist das bei der diffusen Kategorie „ethnische Herkunft“. Die Formulierung stammt aus der Datenschutzgrundverordnung ­(DSGVO), die zwischen „normalen Daten“ – wie Name, Anschrift und Geburtsdatum – und „besonderen Daten“ unterscheidet. Unter letztere fällt eben auch die „ethnische Herkunft“.

Die Linke fordert ein Ende der Datensammlung

Die DSGVO listet diese zusammen mit anderen Daten auf, die sie im Gegensatz zu etwa Namen und Geburtsdaten noch mal besonders schützt. Nelson Janßen hält die Frage nach der „ethnischen Herkunft“ trotzdem für „ungeeignet, um eine Gefährdungsbewertung für Versammlungen vorzunehmen“.

Die Linke hält die „massenhafte Weitergabe persönlicher Daten an den Geheimdienst“ für „eine Einschüchterung von Bür­ge­r:in­nen und somit eine unverhältnismäßige Einschränkung der Versammlungsfreiheit“. Die Fraktion fordert deshalb, dass die Praxis „schnellstmöglich überprüft und beendet“ wird.

Denn, so Miriam Strunge, datenschutzpolitische Sprecherin der Fraktion: „Wir müssen Menschen, die ihre demokratischen Grundrechte wahrnehmen und damit unsere Demokratie mit Leben füllen, unbedingt stärker vor unverhältnismäßiger Datensammelei schützen.“

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