piwik no script img

VerfassungsschutzberichtZahl der Rechtsextremisten in Sachsen weiter gestiegen

Sachsens neuer Verfassungsschutzbericht alarmiert: Demnach werden Rechtsextremisten in Sachsen nicht nur mehr, sondern auch jünger.

Immer jünger: Rechtsextreme in Bautzen Foto: Golejewski/AdoraPress

Dresden afp | Die Zahl der Rechtsextremisten in Sachsen ist dem Landesverfassungsschutz zufolge erneut angestiegen. Im vergangenen Jahr wurden 6.000 Menschen dem rechtsextremen Spektrum zugerechnet, das waren 250 mehr als im Vorjahr, wie aus dem am Dienstag in Dresden vorgestellten Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2024 hervorgeht.

„Besonders besorgniserregend ist insbesondere die Verjüngung von Rechtsextremisten, die wir seit den Anti-CSD-Protesten im vergangenen Jahr sehr deutlich wahrnehmen“, erklärte der Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz, Dirk-Martin Christian. Der „Gewöhnungseffekt“, wenn Rechtsextremisten beispielsweise aufgrund von Wahlerfolgen plötzlich dazugehörten, mache offenbar etwas mit der Gesellschaft.

„Der deutliche Stimmenzuwachs für die AfD und die ‚Freien Sachsen‘ bei den zurückliegenden Kommunal- beziehungsweise Landtagswahlen belegt einmal mehr, wie weit der Prozess der Normalitätsverschiebung bereits fortgeschritten ist“, erklärte Christian.

Auch die sogenannte Reichsbürger- und Selbstverwalterszene wuchs weiter an. Ihr rechnete der Verfassungsschutz laut Bericht im vergangenen Jahr 3.100 Menschen und damit 100 mehr als 2023 zu. Dies lag demnach vor allem an der Ausbreitung des sogenannten Königreichs Deutschland in Sachsen. Das Bundesinnenministerium hatte die Gruppierung vor drei Wochen wegen gesetzes- und verfassungswidriger Aktivitäten verboten.

Linksextreme Szene vernetzt sich

Die linksextreme Szene blieb mit 900 Mitgliedern hingegen 2024 nahezu konstant im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings werde eine fortschreitende Vernetzung zwischen Linksextremisten und auslandsbezogenen Extremisten vor allem bei propalästinensischen Aktivitäten beobachtet, teilte Christian mit.

Mit Young Struggle Leipzig und Handala hätten sich zwei Gruppierungen etabliert, denen insgesamt rund 35 Menschen zugerechnet würden, erklärte der Verfassungsschutzpräsident. „Sie fielen im Berichtsjahr durch zahlreiche Posts in den sozialen Medien sowie durch Reden bei propalästinensischen Versammlungen in Leipzig auf.“ Dabei seien israelfeindliche und antisemitische Propaganda verbreitet sowie die Verbrechen der Hamas gegen den Staat Israel umgedeutet, verharmlost oder gar legitimiert worden.

Die islamistische Szene in Sachsen verkleinerte sich dem Bericht zufolge etwas. Ihr wurden im vergangenen Jahr 400 Menschen zugerechnet, 50 weniger als 2023.

Aus Sicht des Verfassungsschutzpräsidenten verschärfte sich die allgemeine Gefährdungslage weiter. Das liege einerseits am Ukraine-Krieg, andererseits am hybriden Vorgehen Russlands. „Russland verfolgt unverändert das Ziel, politische und gesellschaftliche Konfliktlinien auch hierzulande zu forcieren und diese als Ansatzpunkte für eine manipulative Beeinflussung der politischen Willensbildung zu nutzen“, erklärte Christian.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Das mit dem Alter ist mir auch schon aufgefallen. Seit 2-3 Jahren laufen die Nazis ja wieder ganz offen durch die Stadt mit szenetypischer Montur. Die 90er Jahre lassen hier grüßen. Eine weitere Parallele zu den 90ern ist das komplette Versagen in der Jugendarbeit. Schon damals hat meist die falsche Clique oder die hübscheren Mädchen darüber entschieden, ob hier jemand bei den Glatzen landet oder eben nicht. Leider haben wir jungen Männern die revoluzzen und auf Macker machen wollen keinerlei eigenes attraktives Angebot mehr zu machen. Auf den CSD-Demos in Bautzen und bei uns in Görlitz fand ich den Gegensatz schon sehr auffällig. Die Rechten kamen in Lederjacken und Fuck the police mit aufgedrehten Lautsprechern während wir den Eindruck eines Kirchentags oder Awarenesseminars vermitteln. Da möchte ich in dem Alter als Junge heute lieber nicht vor dieser Entscheidung stehen.

    • @Šarru-kīnu:

      Wohl nicht die hübscheren Mädchen entschieden, wer bei "den Glatzen" landete, sondern mehr oder weniger selbstbestimmte Jungen und Mädchen mit eigenen Motiven und das soziale Umfeld. Das war von Dir wahrscheinlich als flotter Spruch gedacht, aber passt aus meiner Sicht einfach hinten und vorne nicht.



      Trotzdem, ja, Rechts bietet für viele Jugendliche unterschiedliche und einfache Anknüpfungspunkte. Da stimme ich Dir zu. Das Gehabe wirkt heute auf sehr viele Jugendliche attraktiver. Das kenne ich auch aus den 90ern. Brach der Zulauf damals erst ab und wurde der Trend erst umgedreht als der Rechtsterror zu Morden führte?

      • @NurFürDieKommentareHier:

        Ich habe hier in den 90er versucht gegen viele Widerstände besonders auch aus den eigenen Reihen praktische Jgendarbeit zu machen. Da erreicht man die Jungs eben eher mit einem Kasten Bier und einer Party als mit politischen Vorträgen. Ich kenne persönlich mehrere Fälle die "nur" wegen eines Mädchens damals eine bestimmte Richtung eingeschlagen haben. Selbsbestimmte Jungen und Mädchen sind doch nur eine Floskel aus dem Awarenesseminar wenn wir hier über 14jährige Jungs reden.