Verfassungsschutz in Sachsen: Huch, hier gibt's ja Nazis
Der Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes vermutet in Ostdeutschland rechtsextreme Strukturen. Ob dieser Erkenntnis Taten folgen?
Dirk-Martin Christian ist neuer Präsident des sächsischen Verfassungsschutzes. Das sorgte für Irritationen, da vermutet wurde, dass die Ablösung seines Vorgängers Gordian Meyer-Plath mit der Beobachtung der AfD zusammenhing. Während Meyer-Plath öffentlich zugängliche Informationen über Abgeordnete der Partei sammelte, drängte Christian von seinem früheren Job im sächsischen Innenministerium aus auf Löschung. Zudem gab es Kritik an Meyer-Plath von der Opposition, da seine Mitgliedschaft in einer Burschenschaft den Verdacht nährte, der Verfassungsschützer könnte dem akademischen Arm der neuen und extremen Rechten eventuell nicht nachdrücklich genug auf die Spur kommen wollen.
Der neue, Dirk-Martin Christian, hat den Eindruck, auf dem rechten Auge blind zu sein, jetzt in einem Interview mit dem MDR zerstreut. „In Ostdeutschland“, wusste der Beamte zu berichten, würden „erwiesene Rechtsextremisten versuchen, Fuß zu fassen und ihre Gesinnungsleute unterzubringen“.
Sapperlot! Rechtsextremisten? In Deutschland? Im Osten? Warum weiß man noch nichts davon? Was kann man gegen diese neue und offenbar in undurchdringlicher Konspiration operierende Bewegung tun?
Mehr Personal wünscht sich Christian, und das soll er unbedingt bekommen. Das kann er, wie sein sachsen-anhaltischer Kollege Jochen Hollmann plant, vielleicht für „Agenten im Internet“ einsetzen. Der MDR zitiert Hollmann mit der frohen Botschaft: „Erste Schritte wurden dazu eingeleitet.“ Wie viel mehr Gutes kann in einer Woche noch geschehen, als dass zwei Landesämter für Verfassungsschutz einerseits den Rechtsextremismus und andererseits das Internet entdecken?
Falls Hollmann und Christian zunächst nichts finden, vor allem, wenn Letzterer erst einmal bereits vorhandene Informationen löschen lässt, hilft vielleicht die Beobachtung „linksextremer“ Strukturen. Aus ihnen heraus werden schließlich seit Jahrzehnten detailreiche Informationen über Nazis und ihre Netzwerke publiziert.
Und es ist sicher keine Schande für einen Verfassungsschützer, zur Nachhilfe zum Beispiel das Antifaschistische Infoblatt zu abonnieren. Also, Jochen und Dirk-Martin: Alerta!
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Hybride Kriegsführung
Angriff auf die Lebensadern
Kinderbetreuung in der DDR
„Alle haben funktioniert“
BSW in Koalitionen
Bald an der Macht – aber mit Risiko
Dieter Bohlen als CDU-Berater
Cheri, Cheri Friedrich
Niederlage für Baschar al-Assad
Zusammenbruch in Aleppo
Sport in Zeiten des Nahost-Kriegs
Die unheimliche Reise eines Basketballklubs