Verfassungsreferendum in Belarus: Tausende Stimmen geklaut
Die Abstimmung über die Verfassungsänderungen ist eine Farce. Janka Belarus schreibt über den Alltag in ihrer Heimat. Folge 115.
I n den belarussischen Auslandsvertretungen wird es nicht die möglich sein, beim Verfassungsreferendum abzustimmen. Diese Entscheidung begründet das belarussische Außenministerium mit dem Coronavirus. Und mit Provokationen und „extremistischen Aktionen“ unter denen angeblich Mitarbeiter von Auslandsvertretungen während früherer Wahlkämpfe gelitten haben.
Da er nicht die Möglichkeit hat, OMON-Truppen (Sondereinheit der Polizei, die v.a. gegen Demonstrierende eingesetzt wird; Anm. d. Redaktion) in die Wahllokale im Ausland zu schicken, hat Alexander Lukaschenko mit einem Erlass einfach Tausende von belarussischen Staatsbürgern aus den Wählerverzeichnissen gestrichen. Diejenigen, die nicht in Belarus sind, aber abstimmen möchten, müssen dafür ins Land zurückkommen. „Mein Rat an euch: ab nach Hause, Reue zeigen, auf die Knie! Sonst wird es schlimmer. Darum nach Hause, auf die Knie, kriechen!“, sagte Lukaschenko.
Das „Referendum“ findet am 27. Februar statt. Zur Abstimmung steht genau eine Frage: „Nehmen Sie die Änderungen und Ergänzungen zur Verfassung der Republik Belarus an?“ Antwortmöglichkeiten „Ja“ und „Nein“.
Demokratische oppositionelle Kräfte setzen auf die Strategie: „Streich das Referendum – streich die Gesetzlosigkeit“. Beide Antwortmöglichkeiten durchzustreichen bedeutet, weder dafür noch dagegen zu stimmen. Das ist eine legale und ungefährliche Möglichkeit, seine Unzufriedenheit mit dem Regime auszudrücken.
ist 45 Jahre alt und lebt und arbeitet in Minsk. Das Lebensmotto: Ich mag es zu beobachten, zuzuhören, zu fühlen, zu berühren und zu riechen. Über Themen schreiben, die provozieren. Wegen der aktuellen Situation erscheinen Belarus' Beiträge unter Pseudonym.
Interessant, dass es dieses Mal keine Vorhänge an den Wahlkabinen geben wird. Die zentrale Wahlkommission von Belarus hat angeordnet, sie abzunehmen. Formale Begründung: Corona. Tatsächlich ist es so möglich, alle Handlungen der Menschen festzuhalten und später gegen sie zu verwenden, zum Beispiel durch das Fotografieren der Stimmzettel.
Heute fand ich im Briefkasten eine Benachrichtigung, mit der ich eingeladen wurde, schon vorzeitig meine Stimme abzugeben, zwischen dem 22. und 26. Februar, von 10 bis 14 bzw. 16 bis 19 Uhr in meinem Wahllokal. Die zentrale Wahlkommission hat derweil bereits vor drei Wochen die Wahlbeteiligung für die vorgezogene Stimmabgabe bei der Volksabstimmung über die Verfassung angekündigt: bis zu 40 Prozent. So werden auch diese Stimmen gestohlen und für die Auszählung gegen solche ausgetauscht, die „gewünscht“ sind.
„Minsk hat keine Wahlbeobachter vom OSZE-Büro für demokratische Institutionen und Menschenrechte zum Verfassungsreferendum eingeladen, weil es schon im Voraus weiß, was in dem von dieser Einrichtung erstellten Bericht über die Ergebnisse des Wahlkampfs stehen wird“, erklärte kürzlich der Außenminister Wladimir Makej.
Die Mitglieder der Wahlkommissionen selbst haben schon über die Drohungen gegen sie im Zusammenhang mit dem bevorstehenden Verfassungsreferendum gesprochen.
Darum werden die Listen der Kommissionen geheimgehalten. Und in den regierungsnahen Medien ist der Flashmob #wirhabenkeineangst gestartet, wo Schulleiter und andere Mitglieder der Wahlkommissionen irgendwelche Papiere vor laufender Kamera zerreißen.
Es waren Briefe von Bürgern, in denen sie die Gesetzesartikel auflisten, die von denjenigen verletzt werden, die an der Fälschung der Wählerstimmen beteiligt sind. Die Augen derer, die bereit sind, das „Referendum“ zu fälschen, sind leer – offenbar haben sie keine Angst davor, Sklaven zu sein.
Die neue Verfassung des Regimes sieht keine Machtübertragung vor. Ihr wichtigstes Ziel ist, dem existierenden Regime zu helfen, sich maximal lange zu halten, unabhängig vom Schicksal seines „Schöpfers“.
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Alexander Lukaschenko wird jedoch seine Amtszeiten auf Null zurücksetzen, um so noch zwei weitere Male kandidieren zu können. (Die geplanten Verfassungsänderungen würden eine von Lukaschenko abgeschaffte Begrenzung der Zahl der Amtszeiten wieder einführen. Damit könnte jeder Präsident nur zwei fünfjährige Amtszeiten haben. Dies würde aber nur für „neu gewählte“ Präsidenten gelten, während Lukaschenko nach Ablauf seiner aktuellen Amtszeit 2025 noch zwei weitere Male zur Wahl antreten könnte, maximal bis 2035; Anm. d Redaktion).
In jedem Fall wird all dies in Belarus zu noch größerer Instabilität führen.
Aus dem Russischen Gaby Coldewey
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