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Verfahren gegen Bayer-MonsantoPestizid-Klage abgewiesen

Ein französisches Gericht weist die Klage eines Elternpaares ab, die das Mittel für die Fehlbildung ihres Kindes verantwortlich macht.

Theo Grataloup verlässt mit seiner Familie den Gerichtssaal: „ein Kampf David gegen Goliath“ Foto: Matthieu Delaty/Hans Lucas/afp

Paris taz | Das französische Gericht von Vienne hat eine Klage der Familie Grataloup gegen Bayer-Monsanto abgewiesen. Es sei zivilrechtlich nicht belegt worden, dass die Firma für die schweren Geburtsschäden ihres heute 18-jährigen Sohns Théo verantwortlich gemacht werden könne. Zudem sei nicht genügend dokumentiert, welches Produkt von Monsanto genau verwendet worden war.

Théo war 2007 schwerbehindert auf die Welt gekommen. Die ersten Jahre waren für die ganze Familie äußerst hart: „Atmen, essen, sprechen, das war ein täglicher Kampf“, sagte er selbst der Zeitung Le Monde. Nicht weniger als 55-mal ist der Junge operiert worden, er atmet und spricht dank eines Luftröhrenschnitts durch ein Loch im Hals.

Erst später begannen seine Eltern, einen Zusammenhang zu einem Pestizid zu sehen. Rund acht Monate vor Théos Geburt hatte seine Mutter einen Rasenplatz mit dem Unkrautvernichter Glypher von Monsanto besprüht. Sie wusste zu diesem Zeitpunkt weder, dass sie schwanger war, noch wie gefährlich das von ihr verwendete Glyphosatprodukt sein könnte.

Seit die Familie 2018 ihre Klage gegen Bayer-Monsanto einreichte, stellte das Unternehmen jede kausale Verbindung zwischen der Substanz und Théos Gesundheitsproblemen in Abrede. Im März 2022 war indes der französische Fonds zur Entschädigung von Pesti­zid­op­fern aufgrund der Informationen zu dem Schluss gekommen, es existiere die „Möglichkeit einer Kausalität“, und sprach deshalb Théo eine monatliche Rente von rund 1.000 Euro zu.

Gericht sah Mangel an Beweisen

Dem Gericht in Vienne dagegen genügten die Nachforschungen der Familie Grataloup und Verurteilungen von Monsanto in anderen Ländern und anderen Fällen nicht. Es berücksichtigte hingegen das Argument des Herstellers, es sei nicht mit Sicherheit belegt, dass überhaupt Glypher eingesetzt worden sei. Und die Klagenden hätten nicht präzisiert, welche der zahlreichen an der Herstellung und am Vertrieb beteiligten Unternehmen in den USA, Belgien, Italien oder Frankreich sie verantwortlich machten. Außerdem seien damals die Glyphosate überall zugelassen gewesen. Heute sind diese Pestizide in Frankreich für den privaten Einsatz verboten, on der Landwirtschaft aber sind sie erlaubt.

Die Mutter, Sabine Grataloup, wusste von Beginn an, es würde „ein Kampf David gegen Goliath“ werden. Doch im Unterschied zur Bibellegende hat dieses Mal der übergroße Gegner, der Agrochemiekonzern, vor der ersten gerichtlichen Instanz formell gesiegt.

Wie die Familie Grataloup in einer ersten Stellungnahme zum Urteil schreibt, ist für sie der Kampf gegen die Pestizide damit nicht zu Ende, dank der starken Solidarität wisse sie sich gegenüber einem mächtigen Gegner nicht mehr allein. Eine Petition gegen ein neues Landswirtschaftsgesetz, das unter dem Druck einer starken Lobby die erneute Verwendung von verbotenen Neonicotinoiden („Bienenkiller“) erlaubt, zeige, wie die öffentliche Meinung in Frankreich in dieser Frage immer stärker besorgt sei.

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