Verfälschung der Kurse vorgeworfen: Ratingagenturen in Spanien verklagt
Spanische Anwälte haben die Ratingagenturen Moodys, Standard & Poors und Fitch verklagt. Der Vorwurf: Verfälschung der Marktkurse zum Nutzen der eigenen Kunden.
MADRID taz | Zehn spanische Anwälte haben zusammen mit mehreren Bürgerrechts- und Verbraucherorganisationen beschlossen, den Ratingagenturen die Stirn zu bieten. Die Gruppe unter Leitung des Madrider Anwalts Gonzalo Boye reicht am heutigen Freitag beim obersten spanischen Strafgerichtshof eine Klage gegen die US-Agenturen Moodys und Standard & Poors sowie die britische Fitch ein. Der Vorwurf: gezielte Absprache zur "Einflussnahme auf die Marktpreise".
Falls die Richter die 50-seitige Klageschrift der Anwälte als fundiert ansehen, können die für Spanien verantwortlichen Agenturmitarbeiter zu Haftstrafen von bis zu vier Jahren verurteilt werden. "Wir sind zuversichtlich, dass die Staatsanwaltschaft sich unserer Klage anschließt", erklärt ein Sprecher des Anwaltsbüros Boye-Elbal.
Konkret werfen die Kläger den Ratingagenturen vor, die Finanzmärkte in zwei entscheidenden Momenten beeinflusst zu haben. Zum einen hätten sie riskante Papiere und die damit handelnden Kreditinstitute mit Höchstnoten bewertet und bevorteilten damit die eigenen Kunden. Als die so geschaffene Blase platzte, stuften sie Länder willkürlich herab, die sich verschulden mussten, um ihre Wirtschaft vor dem Kollaps zu retten. Damit trieben sie die Zinsen für Staatsanleihen in die Höhe und die betroffenen Länder in eine Schuldenspirale.
Gezielte Absprachen
Die Agenturen seien private Unternehmen, die "vermeintlich unabhängige Urteile über die Kreditwürdigkeit einer Einrichtung, eines Schuldenpakets oder finanzieller Instrumente eines Staates oder Unternehmens anbieten", heißt es in der Klage. Beauftragt und bezahlt würden sie aber genau von den Investoren, deren Produkte sie bewerten. Die Kunden "erzielen ganz klar und direkt wirtschaftliche Gewinne, die Beklagten indirekt auch".
Staatsanleihen würden ausschließlich nach den Interessen der Kreditgeber bewertet, nicht nach volkswirtschaftlichen Gesichtspunkten. Auf diese Weise schadeten Ratingagenturen sowohl dem Allgemeinwohl als auch den kleinen Anlegern, also den Käufern der umstrittenen Produkte. Die großen Agenturen haben trotz der Finanzkrise nicht an Einnahmen eingebüßt. Die drei Beklagten teilen sich 80 Prozent des Ratingmarktes weltweit.
Die gerichtliche Initiative ist die erste ihrer Art in Europa. In den USA wurde die Staatsanwaltschaft in den Bundesstaaten Ohio und Connecticut aus ähnlichen Gründen aktiv. Allerdings führte das nicht zu einer Verurteilung der Agenturen. Ihre Einstufungen seien durch das Recht auf Meinungsfreiheit geschützt, argumentierte die US-Justiz. Dennoch untersuchte der US-Kongress das Geschäftsgebaren der Agenturen. Nach fast zwei Jahren haben die Abgeordneten einen Bericht verabschiedet, auf den sich jetzt Anwalt Boye und seine Sammelkläger stützen. Der E-Mail-Verkehr zwischen Agenturen und Kunden belege, dass gezielte Absprachen stattgefunden haben.
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