Kommentar Finanzkrise: Alarm, die Anleger freuen sich
Dass der europäische Rettungsfonds bei den Investoren äußerst beliebt ist, ist ein Ausdruck der Krise. Die Anleger wissen schlicht nicht, wohin mit ihrem Geld.
D ie Finanzkrise begleitet uns nun seit vier Jahren - und seit vier Jahren ist stets das gleiche Bild zu beobachten. Phasen der Aufregung wechseln mit Phasen der Ruhe, die sich hinterher als trügerisch herausstellen. Gerade scheint wieder eine solche Entspannung eingetreten zu sein. Ob Portugal oder Spanien: Niemand spekuliert mehr hektisch, wann sie wohl unter den Rettungsschirm kriechen könnten. Vor Weihnachten war es noch ein Dauersport, Untergangsszenarien zu entwerfen, doch seit Silvester herrscht Gelassenheit.
Begeistert sind die Analysten auch von der Tatsache, dass die erste Anleihe des europäischen Rettungsfonds am Dienstag mühelos platziert werden konnte. Fünf Milliarden Euro wollte der Fonds nur haben - 44,5 Milliarden wurden ihm angeboten, so scharf waren die Anleger auf dieses Papier.
Ist die Eurokrise etwa eingedämmt? Dafür spricht nichts. So ist es kein Wunder, dass der europäische Rettungsfonds bei den Investoren äußerst beliebt ist - sondern Ausdruck der Krise. Denn es gibt wenig andere staatliche Adressen auf dieser Welt, die noch über das Top-Rating AAA verfügen. Die Anleger wissen schlicht nicht, wohin mit ihrem Geld, das sie sich billigst bei den Zentralbanken beschaffen können. Also drängt alles zum Rettungsfonds.
Ulrike Hermann ist wirtschaftspolitische Korrespondentin der taz.
Bisher ist der Rettungsfonds auch attraktiv, weil er nicht ausgelastet ist und nur Irland alimentiert werden muss. Das kann sich jedoch schnell ändern. So ist Spanien keineswegs aus der Gefahrenzone, dessen Bankensektor auf einem riesigen Haufen fauler Kredite sitzt. Daran ändert übrigens auch die neue Finanzreform nichts: Die spanische Regierung war trickreich genug, sie erst ab September gelten zu lassen. Bis dahin wird sich auch diese Ruhe als trügerisch erweisen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Bis 1,30 Euro pro Kilowattstunde
Dunkelflaute lässt Strompreis explodieren
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Ex-Wirtschaftsweiser Peter Bofinger
„Das deutsche Geschäftsmodell funktioniert nicht mehr“
Wissenschaftlerin über Ossis und Wessis
„Im Osten gibt es falsche Erwartungen an die Demokratie“
Armut in Deutschland
Wohnen wird zum Luxus
Ansage der Außenministerin an Verbündete
Bravo, Baerbock!