piwik no script img

Verdrängung in BerlinEin unsägliches Entweder-Oder

Manuela Heim
Kommentar von Manuela Heim

Nach einigem Kampf darf ein Urban-Gardening-Projekt im Berliner Wedding bleiben. Schön. Aber es ist ein vergifteter Erfolg.

Geht wirklich nur Schule oder Garten? Foto: dpa

I n diesen Tagen feierten die Gärt­ne­r:in­nen des Urban-Gardening-Projekts Prinzengarten im Wedding einen scheinbaren Erfolg: Der Garten darf vorerst bleiben, die Planungen für einen Schulerweiterungsbau an gleicher Stelle wurden abgebrochen.

Das klingt, je nachdem auf welcher Seite man steht, nach einem Happy End oder Scheitern. Und genau da liegt das Problem: Als könnte man in einer Stadt, in der der verfügbare Raum immer knapper wird, weiter auf diesem unsäglichen Entweder-Oder beharren.

Noch einmal etwas genauer der konkrete Fall: Es geht einerseits um einen gemeinschaftlich genutzten Garten nahe der Prinzenallee, der vor elf Jahren herrlicherweise aus einem Parkplatz erwuchs. Manche Argumente für dessen Verbleiben sind so klar wie nachvollziehbar: der positive Einfluss sowohl aufs Stadt- als auch aufs Nachbarschaftsklima zum Beispiel.

Auf der anderen Seite steht eine Förderschule für geistige Entwicklung in direkter Nachbarschaft, der – wie vielen anderen Schulen in ganz Berlin – Räume so händeringend fehlen, dass Schulleiter in Tränen ausbrechen.

Das Beispiel zeigt einmal mehr, wie sich hier die Triebkräfte einer solidarischen Gesellschaft gegenseitig zerhacken.

Die Gärt­ne­r:in­nen wiederum versuchen sich das Grün zu erhalten, indem sie gegen den Schulerweiterungsbau wettern. Der fördere ja die Exklusion, weil Kinder mit Behinderung doch in Regelschulen unterrichtet werden sollen – siehe UN-Behindertenrechtskonvention.

Ja klar, sollen Kinder idealerweise alle gemeinsam zur Schule gehen. Für manche ist das aber – gerade in überfüllten und viel zu gering ausgestatteten Schulen – schlicht noch unmöglich. Von einem inklusiven Schulsystem, das wirklich alle Kinder mit Behinderung auch zu deren Nutzen aufnehmen kann, sind wir bedauerlicherweise noch meilenweit entfernt.

Aber im Grunde ist das auch nicht der Punkt, sondern das Beispiel zeigt einmal mehr, wie sich hier die Triebkräfte einer solidarischen Gesellschaft gegenseitig zerhacken. Als gäbe es nur Garten oder Schule! Wenn schon das Argument der Inklusion bemüht wird, warum nicht weiterdenken, warum nicht Garten und Schule? So wie es inzwischen Supermärkte und Wohnungen gibt, statt der vorher üblichen Flachbauten.

Der Platz wird definitiv nicht mehr in Berlin. Wir brauchen kreative und gemeinschaftliche Ideen und kein gegenseitiges Ausbooten sozialer Projekte.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Manuela Heim
Gesundheit und Soziales
Redakteurin in der Inlandsredaktion, schreibt über Gesundheitsthemen und soziale (Un-) Gerechtigkeit.
Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!