Verdrängung aus der Innenstadt: Sperrgebiet für Musiker
In Hannover dürfen Straßenmusiker nur noch wenige Stunden am Tag spielen. Die Stadt Hamburg erlässt gleich ein Spielverbot.
In Zukunft brauchen Musiker eine Sondernutzungsgenehmigung, die vorerst nur ein Jahr gelten soll, erklärt Norman Cordes, Sprecher des Bezirksamts. „Der Beschluss ist eine Übergangslösung, die den nicht unerheblichen Beschwerden der Anrainer Rechnung“ tragen solle, sagt er. In der Beschlussvorlage ist von einer „steten Zunahme von Straßenmusik“ die Rede. Immer öfter brächten die Musiker Verstärker und laute Instrumente, etwa Trommeln oder Trompeten mit.
Diese lauten Instrumente aber waren in den betreffenden Straßen nicht erlaubt und auch „leise“ Instrumente – laut Bezirksamt etwa Gitarren oder Geigen – wurden bisher lediglich geduldet. Nun bedürfen sie einer Sondererlaubnis.
Auch in anderen Städten haben sich die Regeln für Straßenmusik verschärft. In Hannover gilt Musik im öffentlichen Raum seit Dezember 2016 generell als „Sondernutzung“. Eine Straßenband darf nur vier Musiker umfassen, die alle halbe Stunde den Spielort wechseln müssen. Verstärker oder CD-Player sind nicht erlaubt. An einigen zentral gelegenen Plätzen in der Stadt darf ohnehin nur zwischen 10 und 12 oder zwischen 16 und 18 Uhr gespielt werden.
In Hannover reagierte die Stadt so auf Beschwerden von Geschäftsleuten, die sich im März für strengere Regeln ausgesprochen hatten. Und auch in Bremen müssen Straßenmusiker alle 30 Minuten weiterziehen, Verstärker sind auch hier untersagt.
„Die Lautstärke zu begrenzen macht Sinn“, sagt Silvia Kohl-Stolze, die seit Jahrzehnten mit ihrer Band „Rock die Straße“ in der Hamburger Innenstadt auftritt. Zumal sie zuletzt selbst Regelverstöße durch Musiker beobachtet habe. Grund dafür sei aber nicht deren Ignoranz, sondern schlicht Unwissenheit. „Früher waren Mitarbeiter des Ordnungsamts in den Straßen unterwegs, die haben den ‚Neuen‘ die Regeln erklärt“, sagt sie. „Heute ist das anders, da wird offenbar an Personal gespart.“
Mit dem Verbot sende die Stadt Hamburg nun ein „sehr schlechtes Zeichen“ aus, weil strenge Auflagen dem Prinzip der Straßenmusik widersprechen, findet Kohl-Stolze. „Straßenmusik gehört zum Flair einer Großstadt dazu. Sie ist nun einmal offen und spontan, für jeden zugänglich.“ Oft werde sie von Geschäftsleuten sogar darum gebeten, vor ihrer Tür zu spielen, sagt sie.
Silvia Kohl-Stolze, Musikerin
Von den Beschwerden von Anwaltskanzleien und Arztpraxen, die sich laut Bezirk gestört fühlten, wisse sie nichts. Die Debatte sei „aufgebauscht“ – und bestätige einen Trend: „Der Umgang mit Kultur wird immer paradoxer: Hamburg gibt Millionen für die Elbphilharmonie aus, verdrängt aber freie, unkommerzielle Musik von der Straße“, sagt Kohl-Stolze.
Wie lange die Musiker in Hamburgs Innenstadt eine Genehmigung brauchen, ist unklar. Binnen eines Jahres soll das Bezirksamt einen Vorschlag zur „Neuorganisation der Straßenmusik“ vorlegen, sagt Bezirkssprecher Cordes. Um einen Kompromiss zwischen Geschäftsleuten und Musikern zu finden, setzt der Bezirk auf Gespräche mit allen Beteiligten.
Die Musikerin Silvia Kohl-Stolze will sich mit dem Verbot nicht abfinden und eine Unterschriften-Petition starten. Auch, weil sie eine weitere Verdrängung fürchtet. „Die Innenstadt wird immer mehr zur Sperrzone für Straßenmusiker“, sagt sie. Vor dem Hintergrund des neuen Verbots erscheine es kurios, dass Straßenmusik in Hamburg an verkaufsoffenen Sonntagen neuerdings gern gesehen sei.
Weil diese nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nur noch mit einem „Rahmenprogramm“ erlaubt sind, tituliert die Stadt die verkaufsoffenen Sonntage künftig als „Event-Shopping“. Die Musik spielt dort, wo das Geld fließt.
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